Kommentar
13:35 Uhr, 18.06.2019

Bereitet Italien heimlich den Euro-Austritt vor?

Mangelnden Erfindungsgeist kann man Italiens Regierung nicht vorwerfen, wenn es ums Schuldenmachen geht.

Erwähnte Instrumente

Italien ist seit Jahren ein Sorgenkind der Eurozone. Die Staatsschulden sind seit jeher hoch. Gleichzeitig stagniert die Wirtschaft seit 20 Jahren. Man fragt sich, ob da nicht ein Zusammenhang bestehen könnte...Anstatt diesen Zusammenhang zu sehen (zu hohe Schulden führen zu Stagnation), wird alles auf den Euro geschoben. Dieser trägt auch zur Misere bei, doch es ist kein unausweichliches Schicksal. Der Staat müsste nur Strukturreformen zulassen. Das kommt bei den Wählern selten gut an. So wird immer wieder versucht, den einfacheren Weg zu gehen und noch mehr Schulden zu machen.

An Schulden mangelt es dabei wirklich nicht. Noch in diesem Jahr muss Italien knapp 200 Mrd. Euro an Schulden refinanzieren (Grafik 1). Im kommenden Jahr sind es fast 250 Mrd. und über die nächsten 10 Jahre sogar fast 1,6 Billionen. Die Refinanzierung kann nur gelingen, wenn Anleger darauf vertrauen können, dass sie ihr Geld auch wiedersehen.


Dieses Vertrauen ist bereits erschüttert. Während die Renditen von Staatsanleihen in der ganzen Eurozone wieder konvergieren, schert Italien aus (Grafik 2). Selbst Griechenland zahlt nicht mehr als Italien, obwohl das Land noch höher verschuldet ist.

Um aus dieser Sackgasse herauszukommen, evaluiert die Regierung Mini-BOTs (Mini Bills of Treasury), also klein gestückelte Staatsanleihen. Die meisten Anleihen haben heute eine Stückelung von mindestens 1.000 Euro. Wer also direkt eine Anleihe kaufen will, muss mindestens 1.000 Euro haben.

Eine kleinere Stückelung macht es möglich, diese Anleihen als Währung zu verwenden. Mit 1 oder 5 Euro kann man seine Einkäufe zahlen. Mit einer Stückelung von 1.000 Euro ist das schwierig.

Die Regierung betont dabei, dass die Mini-BOTs nicht als Währung gedacht sind, doch dann sind sie einfach nur zusätzliche Schulden und lösen keine Probleme. Der Staat würde seine Schulden an Unternehmen nicht in Euro begleichen, sondern über die Mini-Anleihen. Die Unternehmen wiederum können damit ihre Schulden beim Staat begleichen (Steuern).

Das ändert am Problem gar nichts. Daher vermuten die meisten Beobachter, dass es hier nicht um eine neue Art Anleihen geht, sondern um die heimliche Einführung einer Parallelwährung. In der kleinen Stückelung können die Anleihen schnell als Geld in Umlauf gebracht werden.

Das hat den Vorteil, dass es dann bereits eine neue Währung gibt, wenn Italien die Eurozone verlassen sollte. Die Umstellung wäre mehr oder minder reibungslos. Das ist fast schon ein Geniestreich. Denn ein Euro-Austritt ist u.a. deswegen so schwierig, weil er über Nacht durchgeführt werden müsste.

Wüsste irgendjemand, dass der Euro Geschichte sein wird, gibt es einen Run auf Banken, da alle Bürger ihr Geld in Sicherheit bringen wollen (man muss ja eine enorme Abwertung der neuen Währung erwarten). Ein so großes Vorhaben lässt sich kaum geheim halten. Ein reibungsloser Austritt ist fast unmöglich.

Aus dieser Perspektive sind Mini-BOTs ziemlich praktisch. Das ändert natürlich nichts daran, dass es die Probleme nicht löst. Da der Rest der Eurozone die Möglichkeit erkennt, käme die Einführung der Anleihen einem Austritt gleich. Das geht dann Richtung Wahnsinn, zumindest aus Sicht der übrigen Euroländer. Diese würden dann auf enormen, wertlosen Verpflichtungen Italiens sitzenbleiben.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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