Analyse
12:00 Uhr, 29.04.2024

Bahnt sich hier ein großer Wirtschaftsskandal an?

Bei der Endor AG aus Landshut überschlagen sich in den letzten Tagen und Wochen die Ereignisse. Wie das Unternehmen am 24. April und wiederholt am 26. April mitgeteilt hatte, plant man ergebnisoffen einen Investorenprozess durchzuführen.

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  • ENDOR AG
    ISIN: DE0005491666Kopiert
    Kursstand: 0,850 € (Stuttgart) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • ENDOR AG - WKN: 549166 - ISIN: DE0005491666 - Kurs: 0,850 € (Stuttgart)

Aber ist das Ergebnis wirklich so offen? Aufgrund alter Bande im Vorstand und potenziellen Übernehmern des Unternehmens kommen da erhebliche Zweifel auf. Das StaRUG-Verfahren scheint von Teilnehmern, nicht nur im Vorstand, favorisiert zu werden. Bei diesem Verfahren können die bestehenden Aktionäre von den Gläubigern relativ einfach überstimmt und so aus dem Unternehmen gedrängt werden. Es ist als Alternative zu einer regulären Insolvenz zu sehen. Dabei gibt es aber, anders als im Insolvenzverfahren, keinen Insolvenzverwalter, sondern Vorstand und Aufsichtsrat sowie die Gläubiger können nach Gutdünken verfahren. Das lädt zum Missbrauch ein. Endor könnte ein solches Missbrauchsopfer werden, wenn nicht von allen Seiten Druck erzeugt wird und genau das verhindert wird. Auch die Politik muss jetzt handeln!

Neutral bleiben – aber Beteiligte benennen

Ich bin derzeit kein Aktionär bei Endor. Ich bin dem Unternehmen aber durchaus verbunden, da ich es seit vielen Jahren kenne und damit auch gutes Geld als Aktionär gemacht hatte. Doch meine Haltung ist hier nicht von finanziellen Vorteilen getrieben, das muss vorneweg gesagt werden.

Beginnen wir unsere Geschichte im Januar 2024. Zu diesem Zeitpunkt wurde Matthias Kosch zum Finanzvorstand (CFO) von Endor berufen. Kosch kam von Blue Cap zum Unternehmen und war dort vorher ebenfalls als CFO tätig. Kurz zuvor war schon Vorstandschef Tobias Hoffmann-Becking bei Blue Cap ausgeschieden und gründete anschließend mit US-Hedgefonds als Geldgeber Birkenstein Capital. Blue Cap ist ein Unternehmen, das angeschlagene Mittelständler gekauft, saniert und im besten Fall auch wieder verkauft hat. Ist Ähnliches bei Endor geplant?

Es dürfte nicht verwundern, wenn Kosch und Hoffmann-Becking weiterhin in engem Kontakt stehen würden. Genau dieser Kosch war es aber auch, der in einem Investoren-Call am 2. Februar bei Montega gesagt hatte, dass es kein Risiko für eine Insolvenz gibt, da Endor absolut im Zeitrahmen mit seinen Zahlungen liegt. Keine Insolvenz, aber dann doch StaRUG. Wie kann das zusammenpassen?

Zudem hat Endor mehr oder weniger durchblicken lassen, dass im ersten Quartal beachtliche Umsätze und auch Gewinne eingefahren worden sind. Das Unternehmen also schon längst den Turnaround geschafft hat. Von Endor selbst wurde am 26. April ein Kapitalbedarf von 25 Mio. EUR bis Oktober 2024 per Ad-Hoc-Nachricht bestätigt.

Die Geschichte wird dubios

Thomas Jackermeier ist Gründer der Endor AG und gleichzeitig auch Mehrheitsaktionär mit knapp über 50 %. Jackermeier hatte in den letzten Jahren seine Position am Unternehmen sogar weiter ausgebaut. Als CEO war er mehrfach der Heilsbringer, doch aufgrund der stark gewachsenen Unternehmensgröße in den Jahren 2020/21 auch heillos überfordert mit seinem Job. So kam es wohl, dass Jackermeier und weitere Manager mehrere schwerwiegende Fehler begangen hatten, die ein kerngesundes Unternehmen in zwei Jahren in diese missliche Situation überhaupt erst bringen konnten.

Es wurden zu viele Chips bestellt für Lenkräder, die nicht verkauft werden konnten. Es wurde ein überdimensioniertes Firmengebäude in Auftrag gegeben, welches immer noch im Bau ist. Weiterhin gab es erhebliche Probleme in den Lieferketten, der Logistik und im Support sowie beim Versand und im Onlineshop.

Ein Unternehmen, das in kurzer Zeit von 20 auf 120 Mio. EUR Umsatz wächst, muss professionell gemanagt werden. Und hier werden eben keine Cloud-Abos verkauft, sondern echte Produkte zum Anfassen. Das lässt sich nur skalieren, wenn auch die Organisation mitwächst. Daher wurde eine neue Firmenzentrale in Auftrag gegeben und zahlreiche Mitarbeiter eingestellt. Doch nach Corona folgte der unvermeidliche Einbruch beim Umsatz und plötzlich kehren sich alle Vorzeichen um.

Jackermeier war als Gründer lange Jahre CEO bei Endor, wurde aber dann Ende März vom Aufsichtsrat und den Banken abgesägt, und Platz für jemanden Neues gemacht. Dafür haben die Banken ihre bestehenden Kreditvereinbarungen im Gegenzug bis zum 30. Juni verlängert und diese im Gegenzug nicht fällig gestellt. Die Ablösung eines CEOs, der auch Mehrheitsaktionär ist, hat schon etwas Besonderes an sich.

Als sein Nachfolger wurde am 15. April Andreas Ruff bestellt. Völlig unüblich geht die Laufzeit seines Vertrages aber nur bis zu eben jenem 30. Juni. Erhoffen sich die Banken und die Gläubiger, die Aktionäre so schnell enteignen zu können? Eine Frage, die sich Aktionäre jetzt stellen müssen!

Der degradierte Jackermeier hat am 25. April dann auf eigene Faust eine Pressemitteilung mit brisantem Inhalt herausgebracht. Er hat Investoren gefunden, die dem Unternehmen in Form von Eigenkapital und weiteren Finanzierungsinstrumenten insgesamt 25 Mio. EUR zur Verfügung stellen könnten. Weiterhin berichtet er darüber, dass Endor im ersten Quartal den Umsatz gesteigert und einen positiven Cashflow erwirtschaftet hat. Weshalb Endor diese Zahlen wohl so lange zurückhält? Eine mehr als berechtigte Frage.

Jackermeier versteht sein Angebot als Alternative zur vollständigen Enteignung der Aktionäre und dem Angebot eben jener Birkenstein Capital, die zusammen mit US-Hedgefonds scheinbar einen großen Deal wittert. Jackermeier selbst würde durch diese Rettung deutlich verwässert und hätte dann künftig auch spürbar weniger als 50 % an der Firma. Bei StaRUG hingegen würde er als Aktionär und Gründer vollständig enteignet werden.

Bestehende Aktionäre machen daher in Online-Foren und auf X bzw. YouTube Werbung dafür, Jackermeier auf jeden Fall zu unterstützen. Verständlich!

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Aufsichtsrat nicht neutral gestimmt?

Eine weitere Person, die zuletzt in Erscheinung getreten war, ist das seit 2021 amtierende stellvertretende Aufsichtsratsmitglied Ingo Weber. Der Business-Angel führt die Beteiligungsgesellschaft Carchardon Capital, was übersetzt „Weißer Hai“ bedeutet. Weiterhin ist er aktiv in der Partei „Bündnis Deutschland“, die eigentlich ein wirtschaftsfreundliches Profil hat und sich versucht als weniger rechte Alternative zur AFD zu etablieren.

Weber jedenfalls teilt auf X umfangreich über die Wirtschaftspolitik der Regierung aus und will sich für den Mittelstand einsetzen. Gleichzeitig bezeichnet er Aktionäre aber auch als Spekulanten und behauptet, sich beim Investorenprozess für die Firma und deren Arbeitsplätze einzusetzen. Tut er das wirklich, wenn er Endor an einen amerikanischen Hedgefonds verschachert, während Aktionäre parat stehen und ihrer Verantwortung folgend neues Geld investieren wollen? Das muss hinterfragt werden! Macht der Aufsichtsrat hier mit dem Vorstand etwa gemeinsame Sache, anstatt ihn wie angedacht zu überwachen?

Auch welche Position die Banken haben und wer hier wen kennt, dürfte noch spannend werden. Meine Vermutung: Die Banken, in Teilen der Aufsichtsrat und auch der Finanzvorstand tun sich zusammen, um einen Hedgefonds den günstigen Einstieg bei einem führenden E-Sports-Unternehmen zu ermöglichen, welches noch nicht einmal in einer tiefen Krise steckt. Endor ist schon wieder profitabel und erholt sich. Die Gläubiger und Hedgefonds wittern aber genau jetzt die Chance, ein Schnäppchen machen zu können.

StaRUG muss dringend überarbeitet werden.

Das alles ist natürlich nur möglich, weil es eben jenes StaRUG-Verfahren gibt. Gedacht war es, um die Insolvenzgerichte zu entlasten. Genutzt wird es aber zunehmend dazu, die Anteilseigner aus den Unternehmen zu verdrängen und die Gläubiger und Banken an die Macht zu bringen.

Um ein StaRUG-Verfahren einzuleiten, benötigt es von Gläubigern, Banken und Aktionären 75 % Zustimmung. Doch verweigern Aktionäre diese Zustimmung, dann können sie von den beiden anderen Gruppen einfach überstimmt werden. Das macht StaRUG für Aktionäre, auch wenn sie die Mehrheit am Unternehmen halten, so gefährlich. Im Nachgang an StaRUG werden Unternehmen dann, ähnlich wie es bei Leoni geschehen war, für eine gewisse Quote für die Gläubiger an neue Eigentümer verschleudert. Bei Endor wäre es ein US-Hedgefonds bzw. eben diese genannte Birkenstein Capital. Ob es da Hoffnung für die Arbeitsplätze in Landshut gibt, wie es Aufsichtsrat Ingo Weber suggerieren will? Ich denke, nein.

Wird Endor auch noch zur Kriminalgeschichte?

Um das Ganze dann auch noch zu toppen und uns in die Regionen einer Wirecard zu führen, postet Jackermeier am Wochenende verschiedene Dinge in einem Online-Forum. Demnach werden er und auch seine Familie von Anrufern aus England und Nigeria belästigt und vor seinem Familienanwesen stehen stundenlang Fahrzeuge und beobachten die Geschehnisse bei den Jackermeiers. Damit soll wohl psychologischer Druck ausgeübt werden, damit Jackermeier einbricht und nachgibt. Diese Behauptungen lassen sich natürlich nicht überprüfen und sind somit mit Vorsicht zu genießen. Es erinnert in Teilen aber eben an Wirecard, wo ähnliches mit kritischen Journalisten passiert war.

Aktionäre sollten Jackermeier in seinem Kampf um das Unternehmen unbedingt unterstützen. Auch die Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK) hat umfangreich am Wochenende zu diesem Fall berichtet. Öffentlichkeitsarbeit ist jetzt wichtig, um künftig ähnliche Verfahren vermeiden zu können und auch um endlich bei StaRUG entsprechende Veränderungen vorzunehmen. Das Gesetz ist ein Einfallstor für Hedgefonds und Gläubiger, um selbst im Kern gesunde Unternehmen enteignen und übernehmen zu können, bei denen eine Insolvenz längst nicht absehbar ist.

Fazit: Die Endor-Aktie bleibt ein Spielball der Spekulanten. Zeichnet sich eine Lösung in Richtung Kapitalerhöhung ab und können wir hier den Hedgefonds Einhalt gebieten, lauern aber in der Aktie auch große Chancen. Was sich hier abspielt, ist ein Wirtschaftskrimi erster Güte. Es zeichnet sich ab, dass sich mit Weber, Kosch und Hoffmann-Becking eine Front gebildet hat. Wer noch auf Jackermeiers Seite steht, neben den freien Aktionären, bleibt abzuwarten. Die Banken, die die Abwahl von Jackermeier als CEO gefordert hatten, wohl eher nicht. Damit droht die ganze Sache auch sehr unschön zu enden. Meine Hoffnung: Wenn Kosch, Hoffmann-Becking und auch Weber ihre Namen häufig genug im Zusammenhang mit einem potenziellen Wirtschaftsskandal lesen, dann machen diese noch einmal eine Kehrtwende. Schließlich will man nicht für alle Zeiten in Deutschland verbrannt sein. Aber genau das wird der Fall sein. Die Namen bleiben dann auf ewig mit einem veritablen Wirtschaftskandal verbunden.

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