Kommentar
07:42 Uhr, 04.07.2020

Aktienmarkt: Welchen Einfluss haben die niedrigen Zinsen?

Man hört es immer wieder: niedrige Zinsen machen Aktien attraktiv. Aber stimmt das überhaupt?

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 12.528,18 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Nikkei225
    ISIN: XC0009692440Kopiert
    Kursstand: 22.306,48 Pkt (TSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 12.528,18 Pkt (XETRA)
  • Nikkei225 - WKN: 969244 - ISIN: XC0009692440 - Kurs: 22.306,48 Pkt (TSE)

Auf den ersten Blick liegt die Sache klar auf der Hand. Je tiefer die Zinsen, desto attraktiver sind Aktien. Aktien bieten immer noch eine gewisse Rendite. Bei Anleihen ist praktisch nichts mehr zu holen. Daher sind Aktien die bessere Wahl. Das ist zumindest die pauschale Aussage, die wir immer wieder zu hören bekommen.

In der Realität ist die Sache etwas komplizierter. In Japan sind die Zinsen seit 30 Jahren niedrig. Der Leitindex Nikkei steht trotzdem noch 30 Jahre danach 40 % unter seinem Allzeithoch. Auch in Europa sind die Zinsen sehr niedrig. Auch hier kommen Aktien nicht vom Fleck. Der deutsche Leitindex Dax scheint langfristig weiter zu steigen. Hier muss man aber aufpassen.

Der Dax beinhaltet Dividenden. Sie werden reinvestiert. Betrachtet man nur den Kursindex, so wie es etwa der S&P 500 ist, steht der Dax heute nicht höher als vor 20 Jahren. Niedrige Zinsen sind also kein Garant für steigende Kurse. Tatsächlich gibt es sogar einen negativen Zusammenhang.

Zinsen sind aus einem bestimmten Grund hoch oder tief. Die Zinsen sind tief, wenn die Wirtschaft nicht wächst. Wächst die Wirtschaft nicht, können Unternehmen auch kein Gewinnwachstum verzeichnen. Genau das sehen wir in Japan und Europa. Betrachtet man die Lage so wie sie ist, sprechen tiefe Zinsen also nicht für Aktien, sondern dagegen.

Intuitiv macht das keinen Sinn. Die Intuition ist richtig. Es gibt nämlich noch eine Dimension. Es kommt darauf an wie sich die Zinsen und Kurse zueinander verhalten. Anleihen haben eine feste Rendite. Aktien haben eine Gewinnrendite (entspricht dem Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses). In den USA liegt das KGV bei 22. Die Gewinnrendite liegt bei 4,5 %.

10-jährige Staatsanleihen haben eine Rendite von 0,7 %. Aktien haben also eine Rendite, die 3,8 Prozentpunkte höher liegt (Grafik 1). Die Rendite liegt höher als bei Anleihen, da Aktien auch ein höheres Risiko haben. Eine Ausnahme war die Zeit der Inflationsbekämpfung der 70er Jahre. Die Zinsen stiegen bis Anfang der 80er Jahre. Für einige Jahre war die Differenz daher negativ.

Generell sollte die Differenz positiv sein, da Aktien volatiler sind als Anleihen (Grafik 2). Volatilität ist äquivalent zu Risiko. Kein Anleger nimmt ein höheres Risiko mit der Erwartung auf sich, dass er weniger verdient als bei einem sicheren Investment. Das macht keinen Sinn.


Aktien sind im mehrjährigen Durchschnitt 9 % volatiler als Anleihen (Grafik 3). Man sollte daher davon ausgehen, dass Anleger über einen bestimmten Zeitraum zumindest dieses Risiko als Aufschlag auf Anleiherenditen verdienen wollen, damit sie das Risiko eingehen.

Historisch lag dieser Aufschlag, den Anleger verlangen, bei 4 %. Seit Beginn des Jahrhunderts liegt der Aufschlag bei 2 %. Bleiben die Zinsen dort, wo sie jetzt sind, kann man Aktien als fair bewertet betrachten. Schnäppchen sind sie nicht.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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