Was taugen Sentiment-Indikatoren?
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Dieser Trend, verstärkt durch die innovativen Möglichkeiten von Online-Umfragen und Social-Media, führte zuweilen zu einem Hype, der der sonst gescholtenen Anlegermasse von „Dummköpfen“ (Kostolany) sogar eine gewisse „Schwarmintelligenz“ bescheinigte. (1)
Was auf den ersten Blick tatsächlich wie eine Revolution des Börsenhandels durch das Internet aussieht, entpuppt sich schnell als alter Wein in neuen Schläuchen. Denn Stimmungsbarometer sind keine Erfindung unserer Zeit. So wird der berühmte US-amerikanische Investors Intelligence - Index bereits seit 1963 veröffentlicht. Und auch die Finanzforschung beschäftigt sich schon seit den späten 1980er Jahren mit der Frage, ob Sentimentindikatoren wirklich die Kraft haben zukünftige Aktienrenditen zu prognostizieren.
Die gute Nachricht zuerst: Tatsächlich fanden zahlreiche Forscher in Daten von Börsenumsätzen, Volatilitätsindizes oder Meinungsumfragen zuverlässige Zusammenhänge zwischen der vorherrschenden Stimmungslage und den nachfolgend auftretenden Aktienkursen.
Dabei erwiesen sich vor allem die Daten von institutionellen Investoren als verlässlichere Signalgeber als die von privaten Anlegern. (2)
Übereinstimmend stellten die meisten Finanzwissenschaftler fest, dass sich die Aussagekraft der Sentimentindikatoren eher im mittelfristigen Zeitfenster manifestierte. Untersuchungen von Verbraucherindizes oder des Sentix ergaben die besten Treffer in einem Zeitraum zwischen sechs und zwölf Monaten, andere Studien erst in Zeitfenstern von ein bis drei Jahren.
Die Investmentbanken Merrill Lynch und Morgan Stanley kamen dabei in Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass „Marktspitzen praktisch keinen Vorhersagewert“ haben, „bei Böden aber annehmbare Resultate liefern“ würden. (3)
Vergleichbare Studien bestätigten die Beobachtung, dass hohe Werte in Sentimentindikatoren, also Gier oder eine allgemeine Kauffreude unter Anlegern, kein verlässliches Verkaufssignal für Aktienmärkte darstellten.
Finanzforscher der Universitäten Köln und Mannheim schrieben dazu in einem Paper zum deutschen Aktienmarkt: „The effect is mainly driven by periods after very low sentiment, while there is no strong impact of sentiment on future return spreads after periods of high sentiment.“ (4)
Der Grund ist naheliegend: Anleger reagieren auf schlechte Nachrichten emotionaler und damit heftiger als auf gute Meldungen. Diesen Zusammenhang kennen wir bereits aus der Verhaltensforschung.
Dazu weiterlesen: Irrationales Verhalten durch Börsenstrategien kontrollieren.
Neuere Studien hingegen fanden beim Vergleich von bekannten Sentiment-Indizes wie dem AAII und den Renditen großer US-Indizes wie dem Dow Jones Index keine nachweisbaren Zusammenhänge zwischen Sentimentindikatoren und nachfolgenden Aktienkursentwicklungen. (5)
Fazit: Auch wenn die Forschungsergebnisse zu Sentimentindikatoren bis heute widersprüchlich geblieben sind und ein Mehrwert dieser Analysemethode ungeklärt ist, so können wir doch einige Ergebnisse festhalten:
1.) Stimmungsindikatoren sind für kurzfristige Börsenhändler („Daytrader“) keine geeigneten Signalgeber, denn ihre Aussagekraft entfaltet sich meist erst in einem Zeitraum zwischen sechs Monaten und drei Jahren.
2.) Die Stimmung institutioneller Händler scheint gewichtiger zu sein als die Meinung von privaten Anlegern. Damit können Meinungsumfragen von Finanzzeitungen, Social-Media- oder Social-Trading-Plattformen als Entscheidungsgrundlage ignoriert werden.
3.) Hohe Sentimentwerte stellen keinen sicheren Zusammenhang zu einem überkauften Markt her. Andererseits bieten niedrige Sentimentwerte, insbesondere unter institutionellen Händlern, einen statistischen Vorteil bei der Suche nach Wendepunkten an der Börse.
Oder anders gesagt: Wenn die Profis aus dem Markt flüchten, ist es höchste Zeit Aktien zu kaufen.
Viele Grüße
Jakob Penndorf
(1) Mit der Schwarmintelligenz zu enormen Renditen, Daniel Eckert, Holger Zschäpitz, Welt-Online-Artikel vom 25.11.2012.
(2) Untersuchung des Anlegerverhaltens von Privatanlegern. Messung von Anlegerstimmung und ihre Auswirkung auf zukünftige Aktienkurse, Marcel Czink, Hamburg, 2009, S. 107f.
(3) Hedgehogging: Zeitlose Investment-Weisheiten einer Wall-Street-Legende, Barton Biggs, Weinheim, 2016.
(4) The Impact of Investor Sentiment on the German Stock Market, Philipp Finter, Alexandra Niessen-Ruenzi, Stefan Ruenzi, o.A., 2010, S. 16.
(5) The relationships between sentiment, returns and volatility, Yaw-Huei Wang, Aneel Keswani, Stephen J. Taylor, International Journal of Forecasting, 2006.
Selbst ein Sentix Indes auf 10 Jahres Hoch ist unbedeutend. Die völlige Sorglosigkeit und dem Ignorieren sämtlicher Warnsignale sind befremdend. Dies zeigt nur mit welch unglaublicher Gier die Markteilnehmer unterwegs sind. Wie gesagt. Ich sehe weit und breit niemanden mehr der sich vorstellen kann, dass es auch mal tüchtig krachen könnte an der Börse. Als wäre eine Jahresendrally so gut wie ausgemacht.