Wissensartikel
12:52 Uhr, 10.05.2017

Warum es so schwer ist, diszipliniert zu traden

Was ich in meiner Arbeit mit Anlegern und Tradern gelernt habe, ist dass Theorie und Praxis beim Geldanlegen weiter auseinander liegen, als es bisher wahrgenommen wird.

Mich hat als Trader in der Praxis schon immer gestört, dass die Expertenwelt bisher nicht über das "Ächten und Vorführen" der Anlegerwelt hinausgekommen ist. Der aktuelle Standpunkt ist noch immer, dass Trader einfach nur unfähig sind, die Erkenntnisse der Wissenschaft, z.B. striktes Risikomanagement, umzusetzen.

Wir haben doch mittlerweile verstanden, dass Fondsmanager im Durchschnitt nicht einen Index schlagen, Trader es nicht schaffen diszipliniert Stop-Losses zu setzen oder dass Privatanleger in Crashs paralysiert ihre Aktien verkaufen und bei neuen Höchstständen gierig wieder anfangen zu kaufen.

Mich interessiert daher viel mehr, wie man Anlegern helfen kann, dieses Verhalten zu verbessern.

Der Vorwurf, jene Anleger seien einfach nur zu schwach, ihr Wissen in der Praxis umzusetzen, ist dabei wenig hilfreich. Denn Emotionen und vor allem Angst (die meiner Erfahrung nach größte Herausforderung beim Trading) sind nicht mit Theorien aus der Welt zu schaffen.

Leider wird da noch immer viel schwarz und weiß gedacht. Die Realität ist komplizierter und vielschichtiger. Denn die meisten Investoren wissen, dass gute Aktien langfristig steigen und sie diese im Crash nicht verkaufen sollten. Die meisten Trader wissen, dass sie einen Stopp setzen müssten, um ihr Kapital zu schützen. Die meisten Fondsmanager wissen in der Theorie, wie sie den Markt schlagen können.

Also ist doch die Antwort auf schlechtes Anlegerverhalten nicht: „Sei verdammt nochmal diszipliniert!“ - sondern eher die Frage: „Warum fällt es uns so schwer, diszipliniert zu sein?“

Ich glaube, dass die Welt eben nicht perfekt ist und Menschen immer irrational handeln werden, also hören wir doch auf uns dafür zu verurteilen und fangen an, nach praktischen Lösungen zu suchen.

Wenn ich eines von den besten Vermögensberatern in Frankfurt gelernt habe, dann ist es, dass Menschen Angst haben, wenn sie Geld verlieren. Punkt, aus.

Mir geht das heute immer noch so. Dieses kleine, ziehend leere Gefühl in der Magengegend, wenn ein Trade in die Binsen geht. Das bleibt auch nach unzähligen Verlusttrades so und ich habe akzeptiert, dass dieses Gefühl auch in zehn Jahren noch da sein wird.

Da hilft auch kein Standardwerk über Risikomanagement. Der Verlust und damit die Angst ist real.

Angst entsteht fast immer durch das Gefühl, eines realen oder eingebildeten Kontrollverlusts.

So können z.B. langfristige Anleger in einem Crash das rettende Gefühl der Kontrolle zurückgewinnen, indem sie ihr Aktienportfolio verkaufen (egal wie rational oder sinnvoll das in dem Moment ist).

Ich habe für mich diese drei Ursachen identifiziert, die mich abgehalten haben, diszipliniert zu bleiben.

1) Kein Fokus auf meine Strategie

Haben Sie schon mal einen Anleger getroffen, der von seiner Strategie so richtig überzeugt war? Gibt's selten, oder? Die meisten wollen in allem so ein bisschen Halb-Profi sein. Doch das ist sehr gefährlich.

Der Grund ist einfach.

Das Gras des Nachbarn ist immer grüner.

Ich habe das x-fach erlebt. Anleger, die nicht gefestigt im Sattel ihrer Strategie saßen, wechselten in jeder Schwächephase die Pferde. Vor allem wenn Investmententscheidungen auf Basis von Vertrauen, z.B. in einen Finanzberater oder in ein „System“, getroffen wurden. Lief es gerade mal nicht so gut, standen die Berater anderer Institute schon Schlange um ihre Produkte anzupreisen. Und das Spiel begann von neuem.

Wenn man seine Investmentstrategie wie Unterwäsche wechselt, ist das ein sicherer Weg langfristig sein Kapital zu vernichten.

Wenn Aktien gerade nicht laufen, greift man zum Gold, den Anleihen oder den Währungen. Und das Verliererkarussell dreht sich von vorne.

Wenn ich nicht die Kontrolle über mein Trading übernehme, dann wird das Trading ganz automatisch die Kontrolle über mich übernehmen!

Wussen Sie, dass 90-95 % aller neu eingeführten Supermarkt-Produkte innerhalb von 6 Monaten wieder aus den Regalen verschwinden? Verrückt, oder? Sobald sich ein Produkt nicht sofort als Kassenschlager erweist, wird es anscheinend wieder abgeräumt. Hier scheint ein globales Verhalten vorzuliegen, das sofortige Belohnung fordert.

Eines der größten Probleme der meisten Trader ist: Keinen Fokus zu haben.

Die meisten Trader ohne Fokus auf eine feste Strategie sind chaotisch, arbeiten ohne Ausdauer, verzetteln sich jeden Tag, sind unkonzentriert und unorganisiert.

Denn seien wir ehrlich. Wie sieht die Anstrengung der meisten Trader aus? Man probiert ein bisschen rum, hat Erfolge und Misserfolge, liest ein bisschen hier und da, besucht Webinare, bucht Börsenbriefe, die sich als ersehnte Abkürzung erweisen sollen, und sobald Widerstände aufkommen, wird die Strategie beendet und zum nächsten heilsbringenden Strohhalm gegriffen.

Ich habe irgendwann für mich festgestellt, dass es mir einfacher fiel mich zu disziplinieren, wenn ich mich auf eine Strategie konzentrierte.

Dadurch blendete ich all die Verlockungen, Nachrichten und Analysen aus, die nichts mit meiner Strategie zu tun hatten, und konnte meine Tradingregeln besser umsetzen.

2) Noch nicht die richtige Strategie gefunden haben

Manchmal ist der Grund für fehlende Disziplin beim Anlegen und Traden ganz einfach, dass die von uns verwendete Methode nicht zu unserem Leben, unseren Fähigkeiten oder unseren Bedürfnissen passt.

Wenn mich mein Job oder mein Familienleben so ausfüllt, dass ich am Tag immer nur zwischendurch Zeit finde auf die Börse zu schauen, dann werde ich es irgendwann nicht schaffen eine Anweisung meiner Strategie umzusetzen. Vielleicht bin ich gerade in einem Meeting oder hole die Kids von der Schule ab, während die Börse ein Kaufsignal liefert. Wenn die Umstände nicht zur Strategie passen, ist Disziplinlosigkeit vorprogrammiert, trotz bester Absichten.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass es nichts mit Talent oder persönlichen Vorzügen zu tun hat, warum Menschen an den Märkten erfolgreich sind und andere scheitern. Ich bin überzeugt, dass jeder persönliche Eigenschaften mitbringt, die er in der vielfältigen Landschaft der Finanzwelt einsetzen kann.

Ich habe auch länger dafür gebraucht, den für mich passenden Weg an der Börse zu finden und kann jedem nur empfehlen sich auf diese Suche zu begeben. Finden Sie heraus, was Ihre persönlichen Vorlieben an den Märkten sind.

Interessieren Sie sich für Daytrading? Dann gehen Sie dem nach und lassen Sie dafür alles andere bei Seite. Lesen Sie keine Geschäftsberichte mehr und auch keine Prognosen, wo der DAX in 3 Monaten steht. Das interessiert Sie als Daytrader wohl kaum. Setzen Sie alle Ressourcen ein, um in diesem Bereich zum Meister zu werden. Lernen Sie alle Strategien kennen, die es gibt und ignorieren sie 95 % der restlichen Informationen, die nichts mit diesem Themenfeld zu tun haben.

Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit wie einen Energiestrahl auf das Trading bündeln, werden Sie Fortschritte erzielen.

Haben Sie keine Lust oder Zeit den ganzen Tag vor dem Computerschirm zu sitzen und diesem chaotischen Auf- und Ab der Kurse zu folgen?

Dann ist das nicht besser oder schlechter, es ist Ihre persönliche Präferenz. Sie haben die Freiheit das zu tun, was Ihnen Freude bereitet.

Treffen Sie eine Entscheidung und folgen Sie dem Weg. Lesen Sie Bücher über langfristige Anlagestrategien und finden Sie heraus, ob Ihnen ein aktiver Ansatz besser als ein passiver Ansatz gefällt. Ignorieren Sie aber dafür kurzfristige Marktschwankungen. Entscheiden Sie, ob eine Value-Strategie Ihren Bedürfnissen mehr entgegenkommt, als ein Growth- oder Quality-Ansatz. Seien Sie streng zu sich und entwickeln Sie Richtlinien, an die Sie sich halten, auch wenn die Börse für einige Wochen einstürzt oder Ihre Ideen nicht aufgehen.

3) Persönliche oder gesundheitliche Gründe

Die wohl entscheidendste Ursache, warum Anleger und Trader es nicht schaffen einer Strategie und ihren Regeln treu zu bleiben, liegt meines Erachtens in uns selbst begründet. Es gibt einen versteckten Grund, warum wir uns so oft untreu werden.

Ein Trading-Kollege hat mir mal gesagt, dass die meisten Trader ihre Persönlichkeiten traden – und irgendwie stimmt das. Wenn ich im Leben wechselhaft bin, launisch oder unmotiviert, warum soll das auf einmal im Trading klappen?

Den Schlüssel zur Disziplin und damit zum erfolgreichen Umsetzen einer Anlagestrategie finden wir meist in uns selbst.

Die besten Trader, die ich die letzten Jahre getroffen habe, hatten ganz reguläre, stabile Familienverhältnisse. Verheiratet, Kinder, Haus in einer ruhigen Wohnlage. Keine exklusiven Hobbies oder abgehobenen Freundeskreise. Ruhig, besonnen, ausgeglichen, freundlich. Die überwiegende Zahl ist sehr sportlich, schläft regelmäßig, achtet auf den eigenen Körper und darauf, was sie essen. Die meisten sind unscheinbare, gefestigte Charaktere.

Der Hedgefonds-Manager David Tepper, heute aufgrund seines Erfolges einer der reichsten Menschen der Welt, fuhr jahrelang einen rostigen Familienvan (während die Juniors schon Porsche Turbo fuhren) und lebte mit seiner Familie in einer Mittelklasse-Wohngegend (heute wohnt er in den Hamptons und hat das Haus seines ehemaligen Chefs bei Goldman Sachs abreißen lassen).

Trading ist eine der gefährlichsten und risikoreichsten Tätigkeiten, die man sich aussuchen kann (deshalb kann man auch soviel Geld dabei verdienen). Es ist daher nur für diejenigen möglich konzentriert und stressresistent zu arbeiten, deren Leben in Balance ist, die glücklich und gesund sind und jeden Morgen auf geistigem Topniveau vor ihren Schirmen sitzen. Ich habe es oft erlebt und gesehen, wie Kollegen auf einmal Positionen versenkt haben oder über einen Zeitraum schlechter tradeten, nachdem sie sich mit ihrer Frau gestritten hatten, es Probleme mit den Kindern gab oder sie selbst gesundheitliche Probleme zu bewältigen hatten.

Ich glaube daran, dass der Durchbruch, der Erfolg beim Trading nur ganzheitlich funktioniert. Wir können noch soviel Talent haben, wenn wir dem Druck der Finanzmärkte körperlich oder seelisch nicht gewachsen sind, werden wir irgendwann Fehlentscheidungen treffen.

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1 Kommentar

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  • Octagon2012
    Octagon2012

    Sehr richtig

    08:43 Uhr, 27.05.2017