Trading: Einen neuen Umgang mit Verlusten lernen
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Verlieren ist nichts Tolles.
Es erzeugt Schmerzen.
Eine Ablehnung zu bekommen, von einem potenziellen Arbeitgeber oder unserem Traumpartner, ist etwas, was uns schon in unserer Vorstellung so quält, dass wir manchmal gar nicht die Kraft haben einen Versuch zu unternehmen.
Der Grund für unsere Fehler- und Verlustaversion ist die Art wie wir denken.
Unser Gehirn ist 2 Millionen Jahre alt. Es ist nicht geschaffen worden, um uns glücklich oder erfolgreich zu machen, sondern um uns vor Gefahren zu warnen und unser Überleben zu sichern.
Das führt an der Börse dazu, dass wir manchmal Dinge als unsicher oder gefährlich wahrnehmen, die es eigentlich gar nicht sind und im schlimmeren Fall, manchmal eine Situation als sicher einschätzen, die brandgefährlich ist.
Im Tradingalltag kann das ziemlich irrationale Entscheidungen hervorrufen.
Vor allem Laien auf einem Fachgebiet versuchen ein „Null-Risiko“ zu erreichen, wie die Verhaltensforscher Kahneman und Tversky schon in den 1980er Jahren bewiesen haben.
Das führt dazu, dass wir intuitiv kleine Risiken überschätzen und große Risiken unterschätzen.
„Was soll schon passieren?“ denken wir manchmal und lassen eine Position ungeschützt im Markt.
Wir alle haben diesen Gedanken schon einmal gedacht. Bis zum bösen Erwachen.
Was die Verhaltenswissenschaftler herausgefunden haben, bestätigt auch meine persönlichen Erfahrungen an den Märkten, dass sich manchmal aus einem kleinen Verlust eine Katastrophe entwickeln kann, weil aus einem schnellen Day-Trade am Tagesende ein Positionstrade wurde, der dann Tage später in den Margin-Call lief.
Verrückterweise war ich andererseits oft am Boden zerstört, wenn ein Trade in einen vorher von mir geplanten Stop-Loss lief und glaubte dieser kleine realisierte Verlust würde nun meine ganze Strategie aushebeln.
Ich merkte irgendwann, dass ich eine für die Börse falsche „Verlust-Prägung“ hatte.
Als noch unerfahrener Anleger tat ich daher alles dafür, um einen noch so winzigen Verlust zu vermeiden, ging letztlich auch hohe Risiken ein, die in keinem Verhältnis zu einem potenziellen Gewinn mehr standen, nur um einen realisierten Verlust zu vermeiden.
Das erklärt auch, warum wir manchmal an Investments oder Tradingideen festhalten, die sich schon lange von ihrem ursprünglichen Szenario verabschiedet haben. Auch das hat wohl jeder schon erlebt.
Mit der Zeit entwickelte ich ein positives Bild von Verlusten.
Ich verstand, dass man schon etwas riskieren muss, um zu gewinnen.
Vor allem für Trader ist es anfangs sehr schwer (ich persönlich konnte mich wie beschrieben sehr lange nicht damit „abfinden“), dass man regelmäßig Verluste erleben muss.
Doch in der Praxis sind Kursverluste eine ganz natürliche Erscheinung der Finanzmärkte.
Kaum macht die Börse ein neues Hoch, fällt sie auch schon wieder. Statistisch fällt oder stagniert der Markt zu zwei Drittel der Zeit und steigt nur zu einem Drittel!
Verluste gehören dazu und ich arrangierte mich irgendwann damit.
An der Börse zu gewinnen bedeutet im Umkehrschluss auch erstmal nicht zu verlieren.
Und um nicht zu verlieren braucht man eine unerschütterliche Strategie (z.B. Qualitätsaktien oder ETFs die jede Krise durchstehen) oder man muss bereit sein beim Trading einen Verlust hinzunehmen, wenn man falsch liegt.
Ich bin heute überzeugt, dass der Grund, warum so viele Menschen an der Börse verlieren, darin liegt, dass die meisten schlichtweg Angst vor Enttäuschungen haben.
Es ist wohl wie im Leben auch.
Die meisten leben ihre Ängste und nicht ihre Träume.
Doch Ablehnung, Rückschläge, Enttäuschungen, falsch liegen – all das gehört im Tradinggeschäft zum Alltag!
Es gibt wohl kaum einen unbefriedigenderen Job als den eines Börsianers.
Wenn mich Verluste an der Börse also jedesmal fertig machen würde, könnte ich den Job gar nicht ausüben.
Die Poker-Legende Phil Ivey, der sich sein Vermögen von über 100 Millionen Dollar aus seinen letzten 2.500 Dollar erspielte, sagte mal:
„Wenn Du nicht bereit bist sofort einen 100 Dollarschein anzuzünden, bist Du falsch in diesem Business.“
Ich will damit nicht die alte Kamelle vom Börsencasino hervorholen, aber es zeigt wie jemand denkt, der jeden Tag mit Risiken und Wahrscheinlichkeiten arbeitet.
Ähnlich wie Tradern muss es Schauspielern gehen.
Ich hab diese Metapher schon häufig gebracht. Ich wurde dazu von einer sehr motivierenden Rede von Denzel Washington vor Studenten inspiriert (hier geht es zum Video auf Youtube).
Ich kann als Schauspieler noch so erfolgreich, gut aussehend und berühmt sein, wenn beim Casting ein bestimmter Typ gesucht wird, der vielleicht dazu noch spezielle Eigenschaften oder Fähigkeiten (z.B. Klavier spielen oder Spanisch sprechen) mitbringt, dann trifft das entweder auf mich zu oder eben nicht.
Wenn nicht, gehe ich zum nächsten Casting und verkrieche mich nicht traurig in meinem Kämmerlein (oder meiner Villa am Meer).
Würde ich das persönlich nehmen oder tagelang grübeln, warum ich die Rolle nicht bekommen habe? Ich glaube nicht. Denn ich bin ja ein berühmter und erfolgreicher Schauspieler! Ich weiß was ich kann und schaue ob meine Vorzüge und Fähigkeiten beim nächsten Casting passen.
Nicht anders ist meine Einstellung zu Verlusten beim Trading.
Wenn mein Trading heute nicht funktioniert oder eine Idee nicht aufgeht: ok, schade – weiter geht’s zur nächsten Idee!
George Soros, dem ich sehr für seine Einsichten in seine Investmentphilosophie danke und die mich schon oft weitergebracht haben, hat mal gesagt:
„I'm not better than the next trader, just quicker at admitting my mistakes and moving on to the next opportunity.“
Viele Grüße
Jakob Penndorf
HIER geht es zu meinem neuen Trading- und Investment-Desktop Index-Manager (kostenlos): gmtr.ly/4Jn0jox2z
Das war aber ein tröstlicher Beitrag