Diese Theorie sollte jeder Anleger und Trader kennen!
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Da diese Unsicherheit an der Börse ein permanenter Zustand ist, sind diese Erkenntnisse vor allem für uns Anleger hochinteressant. Denn wer diesen mentalen Fallen ausweicht, kommt seinem Börsenerfolg schon ein großes Stück näher.
Als wegweisend gelten die Erkenntnisse der Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky, die die moderne Verhaltensökonomie entscheidend geprägt haben. Kahneman erhielt 2002 dafür den Nobelpreis, stellvertretend auch für seinen Kollegen Tversky, der bereits 1996 verstorben war. Ihre Karriere begannen beide beim israelischen Millitär, kämpften später im Jom-Kippur-Krieg 1973, da waren sie schon Professoren in den USA. Der Finanzautor Michael Lewis, der für seine Bücher zu den Hollywoodfilmen „The Big Short“ (2015) und „Moneyball“ (2011), aber auch mit seinem Buch „Flash Boys“ (2014) über den Hochfrequenzhandel, weltweite Bekanntheit erreichte, veröffentlichte letztes Jahr ein weiteres Buch und zwar über die Entstehungsgeschichte der „Prospect Theory“ von Kahneman und Tversky (Aus der Welt. Grenzen der Entscheidung oder eine Freundschaft, die unser Denken verändert hat. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2016)
Die 1979 veröffentlichte "Neue Erwartungstheorie" von Kahneman und Tversky stellte die Annahme, dass Menschen rationale Entscheidungen auf Basis aller zur Verfügung stehenden Informationen treffen würden, anhand von empirischen Untersuchungen in Frage.
Sie zeigt, dass wir Risiken gegenüber Chancen überaus hoch gewichten, dass wir uns falsche Entscheidungen schönreden, an einer Entscheidung oftmals zu lange festhalten oder Erklärungen für zufällige Ereignisse im Nachhinein erfinden.
Kommt Ihnen das auch irgendwie bekannt vor?
Dann lesen Sie jetzt meine 5 wichtigsten Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie, die mein Trading verbessert haben.
1. Wir treffen Entscheidungen auf Basis von Heuristiken
Wohl die größte Erkenntnis ist, dass wir in Situationen der Unsicherheit komplexe Entscheidungen nicht auf Basis umfassender Berechnungen unseres Gehirns treffen, sondern zu einfachen Daumenregeln greifen.
Damit gelingt es uns zum Beispiel, den komplizierten Vorgang eine Frisbee zu fangen, ohne vorher Flugbahn, Schwerkraft und atmosphärische Bedingungen zu berechnen. Der Vorteil von intuitiven Bauchentscheidungen ist, dass sie uns einfache Lösungen für komplizierte Alltagsprobleme liefern. Das kann durchaus im Leben, aber auch an der Börse von Vorteil sein. So habe ich im Artikel Warum ich als Trader ETFs so mag gezeigt, dass einfache Strategie gegenüber komplexen Modellen zu bevorzugen sind.
Das Problem bei intuitiven Entscheidungen ist jedoch, dass sie uns dazu verleiten, verschiedene Informationen unterschiedlich hoch zu gewichten.
Kahneman und Tversky haben bereits in den 1970er Jahren gezeigt (1), dass das zu systematischen Fehlentscheidungen führt.
In der Wissenschaft werden folgende Fehler hervorgehoben, die uns auch im Tradingalltag ständig begegnen:
Ähnlichkeit mit Wahrscheinlichkeit verwechseln (Repräsentativitätsheuristik): Wir vernachlässigen bestimmte Faktoren, wenn sich ein Ereignis mit einer vorherigen Situation ähnelt. So vernachlässigen wir eventuell Fakten und bauen illusorische Korrelationen auf, die zu Fehlentscheidungen führen.
Nehmen wir an, Sie hätten im letzten Jahr bei 10.800 Punkten im DAX wiederholt beobachtet, dass die Kurse dort abprallen. Dieses ähnliche Verhalten hätte Sie dazu verleiten können, bestimmte Fakten zu vernachlässigen (Trump, Italien-Referendum, EZB) und im Dezember nicht auf einen Ausbruch der Kurse zu setzen.
Häufigkeit mit Wahrscheinlichkeit verwechseln (Verfügbarkeitsheuristik): Unser Gehirn merkt sich Dinge, die mehrmals passieren, besser als seltene Ereignisse. Das führt in der Praxis dazu, dass wir einem Ereignis, dass uns verfügbar erscheint, höhere Ausgangswahrscheinlichkeiten einräumen. Dadurch können Entscheidungen zugunsten häufiger Situationen verzerrt werden.
Zum Beispiel bedeutet es nicht, dass ein Unternehmen auch bei der nächsten Quartalsbilanz gute Zahlen präsentieren wird, nur weil es die letzten Quartale gute Zahlen geliefert hat.
Ausgangssituation beeinflusst unsere Entscheidung (Anker-Anpassungs-Heuristik): Unterschiedliche Ausgangssituationen führen zu unterschiedlichen Einschätzungen. So schätzten in einer sekundenschnellen Antwort Probanden, dass das Ergebnis von 1x2x3x4x5 niedriger sei, als von 5x4x3x2x1.
Diesen Effekt können wir an der Börse auch erleben. Anleger schätzen den DAX bei 10.000 Punkten attraktiver ein als bei 4.000 Punkten und sind eher bereit bei hohen Kursen zu investieren, als bei niedrigen. Die rationale Entscheidung wäre jedoch bei niedrigen Kursen zu kaufen.
Gambler's Fallacy: Unser Gehirn konstruiert in Situationen der Unsicherheit Regelmäßigkeiten und zufällige Ereignisse werden in Zusammenhang gebracht, um ein Gefühl der Sicherheit zu erreichen. Dieses Phänomen habe ich ausführlich im Artikel: Die Suche nach der blauen Blume beschrieben.
Für mich ist dieser ständige Versuch, Zusammenhänge zu konstruieren, die größte aller Herausforderungen für uns Trader.
Es gibt noch andere wichtige Heuristiken wie die Vermeidung kongnitiver Dissonanz, wonach wir Informationen ignorieren, die einen einmal entwickelten Glauben in Frage stellen. Auch das Phänomen kennen wir alle, wenn ein Trade gegen uns läuft und wir neue Erkenntnisse nicht wahrhaben wollen.
2. Unterschiedliche Gewichtung von Gewinnen und Verlusten
Eine wohl der größten Erkenntnisse für Anleger der Prospect Theory ist, dass unser Gehirn Verluste höher bewertet als Gewinne. Die Verluste schmerzen einfach mehr, als uns Gewinne Freude bereiten.
Schon Gordon Gekko im Film „Wall Street“ (1987) sagte:
„I don't like losses sport. Nothing ruins my day more than losses.“ (2)
Das führt im Tradingalltag zu irrationalen Entscheidungen. Vor allem Laien auf einem Fachgebiet versuchen ein „Null-Risiko“ zu erreichen, wie Kahneman und Tversky in einer Untersuchung in den 1980er Jahren zeigten. (3)
Im Tradingalltag kann das bedeuten, dass unerfahrene Anleger alles dafür tun, um einen Verlust zu vermeiden, letztlich auch hohe Risiken eingehen, die in keinem Verhältnis zu einem potenziellen Gewinn mehr stehen, nur um einen realisierten Verlust zu vermeiden. Das erklärt, warum wir manchmal an Investments oder Tradingideen festhalten, die sich schon lange von ihrem ursprünglichen Szenario verabschiedet haben. Auch das hat wohl jeder schonmal erlebt.
3. Die Umstände beeinflussen unsere Entscheidungen (Framing)
Der sogenannte Framing-Effekt bedeutet, dass Menschen ihre Entscheidungen vom jeweiligen Entscheidungsrahmen abhängig machen. Das können Handlungsalternativen, unterschiedliche Voraussetzungen und erwartete, mögliche Ergebnisse sein, die Einfluss auf unsere Entscheidungen haben.
Im Tradingalltag könnte das bedeuten, dass wir manchmal für eine Position positiv gestimmt sind, nur weil wir diese in den Verlust haben laufen lassen. Unter anderen Umständen, bspw. wenn wir kein Engagement in diesem Titel hätten, würden wir vielleicht zu einer ganz anderen Einschätzung kommen.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass Anleger unterschiedliche Erwartungen an den Ausgang eines Investments entwickeln, je nachdem wie sicher ihnen das Ergebnis erscheint.
Das führt jedoch zu gravierenden Verletzungen rationalen Denkens.
Nassim Taleb gibt in seinem Buch „Narren des Zufalls“ eine vorzügliche Schilderung eines Meetings unter Trader-Kollegen wieder, das mich selbst an die ein oder andere „Anlageausschusssitzung“ erinnerte.
Hier erklärt ein erfahrener Anleger, wie Wahrscheinlichkeiten an der Börse richtig eingeschätzt werden sollten.
„Einmal wurde ich bei einer dieser Veranstaltungen gebeten, meine Ansichten zum Aktienmarkt zu erläutern. Ich erklärte etwas hochtrabend, dass ich glaubte, die Aktienkurse würden in der kommenden Woche mit hoher Wahrscheinlichkeit steigen. Wie hoch sei diese Wahrscheinlichkeit, fragte man mich. „Etwa 70 Prozent.“ Das war eindeutig eine sehr starke Meinung.
An dieser Stelle warf jemand ein: „Aber Nassim, du hast doch eben erst damit geprahlt, dass du Short-Positionen für eine große Anzahl von S&P 500 Terminkontrakten eingegangen bist und hast somit auf fallende Kurse gesetzt. Wieso hast du deine Meinung geändert?“ - „Ich habe meine Meinung nicht geändert! Ich bin sehr überzeugt von meinen Wetten! (Gelächter im Publikum) Tatsächlich würde ich jetzt noch mehr verkaufen als vorher!“
Jetzt schienen meine Kollegen völlig verwirrt zu sein. „Bist du ein Bulle oder ein Bär?“, fragte mich der Stratege.
Ich antwortete, dass ich die Begriffe „Bulle“ und „Bär“ abgesehen von ihren zoologischen Definitionen nicht verstünde. Wie bei Ereignis A und Ereignis B im vorherigen Beispiel war ich der Meinung, dass steigende Aktienkurse wahrscheinlicher waren (das machte mich zu einem „Bullen“), es aber besser wäre, auf fallende Kurse zu setzen (die Strategie eines „Bären“), weil die Kurse im Falle eines Rückgangs stark einbrechen könnten.“ (4)
4. Overconfidence
Kahneman und Tversky hatten herausgefunden, dass Menschen dazu neigen, ein übertriebenes Vertrauen in ihre eigenen Urteile zu legen. Das führt bisweilen dazu, dass Laien an der Börse Expertenwissen gänzlich ignorieren, weil sie glauben, irgendwas besser zu wissen. Ich glaubte selbst jahrelang, das Rad neu erfinden zu müssen.
Ich erlebe das häufig mit Freunden, die mir auf Parties voller Enthusiasmus von ihren aktuellen Investments in Technologie- oder Minenwerten erzählen. Sie suchen dabei eigentlich nie meinen ehrlichen Rat, sondern hoffen auf soetwas wie eine Bestätigung.
Erfolgreiche Investoren hingegen sind sehr kritisch, was ihre persönliche Meinung anbelangt.
Der Hedgefondsmanager Paul Tudor Jones sagt: "Every day I assume every position I have is wrong." (5)
5. Kleine Risiken werden überschätzt, große Risiken unterschätzt.
„Was soll schon passieren?“
Wir alle haben diesen Gedanken schonmal gedacht, und vielleicht eine riskante Tradingposition über Nacht mitgenommen oder unseren Trade vor wichtigen Daten oder Ereignissen nicht geschlossen. Bis zum bösen Erwachen.
Was die Verhaltenswissenschaftler herausgefunden haben, bestätigt letztlich unsere eigenen Erfahrungen, dass sich manchmal aus einem kleinen Verlust eine Katastrophe entwickeln kann. Andererseits sind wir manchmal am Boden zerstört, wenn ein Trade in einen Stop-Loss läuft und glauben ein kleiner realisierter Verlust würde unsere komplette Strategie aushebeln.
Verrückt, oder?
Fazit
Wer diese 5 mentalen Fallen durchschaut, versteht, warum es uns oftmals so schwer fällt, einfachste Trading-Regeln zu befolgen. Mir haben die Erkenntnisse von Kahneman und Tversky ungemein geholfen, da ich anfing mich selbst besser zu verstehen und daraufhin schlechte Entscheidungen häufiger vermeiden konnte.
Ich versuche seither, so viele wie möglich zur Verfügung stehende Informationen zu sammeln bevor ich ein Investment eingehe. Ich versuche möglichst lange und tiefgründig über eine Idee nachzudenken und nicht oberflächlichen Impulsen nachzugehen, wie z.B. „Ich glaube der Markt ist hier oben.“
Die Kunst des Tradings besteht wohl darin, seiner Erfahrung und persönlichen Einschätzung zu vertrauen und dabei nicht der trügerischen Wahrnehmung eigener Beobachtungen aufzusitzen.
Kostolany hat dazu mal den schönen Satz gesagt:
„Man soll die Ereignisse nicht mit den Augen verfolgen, sondern mit dem Kopf. Oft ist es sogar an der Börse besser, die Augen zu schließen.“
Viele Grüße
Jakob Penndorf
(1) Tversky, A. & Kahneman, D. (1974). Judgement under Uncertainty. Heuristics and Biases, Science, 185, S. 1124-1131.
(2) Ich mag keine Verluste, Kumpel. Nichts verdirbt mir den Tag mehr als Verluste. "Wall Street". Original Screenplay by Stanley Weiser & Oliver Stone. Dailyscript.com
(3) Tversky, A. & Kahneman, D. (1987). Rational choice and the framing of decisions. In: R.M. Hogarth & M.W. Reder (Eds.), Rational choice: The contrast between economics and psychology. Chicago: The University of Chicago Press, S. 67-94.
(4) Narren des Zufalls. Die unterschätzte Rolle des Zufalls in unserem Leben von Nassim Nicholas Taleb. Kapitel 6: Schiefe und Asymmetrie, S. 151f.
(5) 25 populäre Börsensprüche und Börsenzitate. Abgerufen am 13.02.2017.
(6) Kostolany, Andre auf Zitate.de. Abgerufen am 20.02.2017.
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