Wissensartikel
15:43 Uhr, 20.04.2014

Die Crux mit den Übernachtkosten

Der tägliche Wertverlust, egal ob man mit Futures, CFDs oder Hebelprodukten handelt, ist für längerfristiges Anlegen ein gewichtiger Faktor. Wird in der Regel aber fast immer unterschätzt. Wir knöpfen uns dazu die konkreten Zahlen im direkten Duell vor.

Egal ob Sie Futures, CFDs oder Derivate handeln, um eines kommen Sie nicht herum: einen täglichen Wertverlust. Ob sich das nun Zeitwert nennt bei Optionen und Derivaten, Finanzierungskosten bei CFD-Geschäften oder Fair Value bei Futures: Anleger auf der Longseite kommt jede Nacht teuer zu stehen. Wie teuer, und wie groß die Unterschiede zwischen den Instrumenten ausfallen, wollen wir uns mit diesem Artikel ansehen.

Wir ziehen als Anschauungsbeispiel den beliebten Dax30-Index heran.

FDax

Alle 3 Monate wird ein neuer Future-Dax-Kontrakt aufgelegt. Und den meisten Tradern sollte aufgefallen sein, dass sich der Kurs des FDax vom Kassa-Dax unterscheidet. Ein neuer Kontrakt notiert ca. 20 Punkte höher als der Kassa-Dax, und wird sich bis zum Ende seiner 3-monatigen Laufzeit an diesen annähern.

Wen die konkrete Formel interessiert:

F = K x (1-c)^t

Erklärung: F = Futureskurs; K = Kassakurs, c = Nettofinazierungskostensatz p.a. und t = Dauer der Restlaufzeit des Futures in Jahren.

Wir können also festhalten, dass bullische Anleger pro Nacht 20 Punkte : 90 Tage = 0,22 Punkte ca. verlieren bzw. zahlen müssen für die Investition über den Handelsschluss hinaus.

CFDs

Finanzierungskosten bei den CFDs werden fällig, da man sozusagen auf den Kredit des Brokers handelt. Dies deshalb, da in der Regel nur 1% Margin zu hinterlegen sind für das Trading mit den wichtigsten Indizes. D.h. für 1 Dax-CFD muss man beim Stand von 9.000 Punkten eine Margin von 90€ hinterlegen. Für den Rest kommt der Broker auf, und dafür verlangt er Zinsen.

Wenigstens lassen sich diese einfach und genau berechnen. Im Schnitt verlangen die Anbieter für eine Longposition im Dax30-CFD den Zinssatz des Euribor + 2,5%. Konkretes Beispiel:

9.660 (Daxkurs) * (0,25% (Euribor) + 2,5% ) / 360 = 0,74 Punkte pro Nacht

Das ist schon wesentlich mehr als bei der Königsklasse, dem Future, nun zur letzten Anlageklasse.

Optionsscheine

Der Zeitwert entspricht der Differenz zwischen dem Optionsscheinpreis und seinem Inneren Wert.

Zeitwert = Optionsscheinpreis - Innerer Wert

Der Faktor Zeitwert wird bestimmt von der Restlaufzeit, dem zu Grunde gelegten Zinssatz, dem aktuellem Kurs des Basiswertes, der Volatilität des Basiswerts sowie der Höhe der Dividende (was Aktien betrifft). Der Zeitwert unterliegt einem zunehmenden Wertverfall. Je mehr sich der Optionsschein dem Laufzeitende nähert, umso stärker schrumpft der Zeitwert.

Sie sehen schon, dass es im Gegensatz zu CFDs wesentlich aufwändiger ist, den Zeitwert von Optionsscheinen und Zertifikaten rauszufinden. Das ist nicht nur lästig, sondern schlicht und einfach intransparent den Kunden gegenüber. Denn auch die zu Grunde liegende Volatilität wird von den Emittenten laufend geändert, sodass der Anleger nie exakt weiß, wie der Preis des Derivates eigentlich zustande kommt.

Diverse Datenbanken weisen zum Glück wenigstens den „Inneren Wert“ im Steckbrief des Optionsscheines aus.

Beispiel Dax-Call ISIN DE000HV9PBX4, Basispreis 9.500, Verfall am 17.06.14. Das ist ca. 4 Monate nach Entstehung dieses Artikels, und der Call ist leicht im Geld bei einem aktuellen Dax-Stand von 9.660 Punkten.

Sein Innerer Wert beträgt 1,6€, der Optionsschein notiert zu einem Kurs von 4,36€. D.h. der Optionsschein verliert bis zum Ende seiner Laufzeit in 4 Monaten = 4,36 – 1,6 = 2,76€ Zeitwert bis zum Ende seiner Laufzeit, wenn alle anderen Parameter gleich bleiben würden. Umgerechnet auf das Bezugsverhältnis mit Berücksichtigung von 120 Tagen Restlaufzeit sind das 2,3 Punkte Verlust pro Tag oder 9% p.a.

Zwar nur in der grauen Theorie, da sich zig Parameter ständig ändern können. Aber pi mal Daumen ist das ein passender, erschreckender Wert. Ich habe mir hier auch kein Extrembeispiel rausgepickt, bei ähnlichen Scheinen sowohl aus als auch im Geld und mit verschiedenen Restlaufzeiten komme ich auf Übernachtkosten von 1,5 bis 4,2 Punkten.

Zertifikate

Die vielen verschiedenen Typen von Zertifikaten machen einen Vergleich schwierig. Daher konzentriere ich mich an dieser Stelle auf den beliebtesten Typ, die KO-Zertifikate. Hier muss man noch unterscheiden in Scheine mit endloser und solche mit begrenzter Laufzeit. Letztere haben ebenfalls einen Aufschlag für den Zeitwert, der sich bis zum Verfall hin abbaut und vom Anleger bezahlt werden muss. Dieses Aufgeld ist aber fast durchgängig günstiger als bei den Optionsscheinen, ein Blick in Vergleichsrechner gibt je nach Entfernung der KO-Schwelle und der Restlaufzeit ein Aufgeld von 0,8-5,6% p.a. aus.

Während Scheine die endlos laufen von den Emittenten regelmäßig eine angepasste KO-Schwelle erhalten, wodurch ebenfalls impliziert ein Aufgeld kassiert wird. Dieses lässt sich jedoch nur schwer in Zahlen fassen, es wird sich aber in ähnlichem Rahmen bewegen.

Fazit und Handelsratschläge

Wer langfristig bullisch investieren möchte, fährt mit dem FDax natürlich am besten. Braucht dafür aber auch sehr gut gefüllte Taschen. Beim Halten eines Kontraktes über Nacht sprechen wir von ca. 20.000€ Margin, d.h. unter einem 50.000€ Konto braucht man nicht wirklich darüber nachdenken. Und man bewegt natürlich ganz andere Summen mit dem Future, und zwar 25€ pro Daxpunkt.

Weitaus angenehmer zu stückeln und zu finanzieren sind da schon die CFDs. In der Regel für 1€ pro Punkt handelbar, und mit einer Margin von 1% muss man nicht einmal 100€ hinterlegen für den Handel. Die ideale Wahl also für kleinere Geldbörsen, und wer gerne flexibles Moneymanagement betreibt.

Bei längerer Haltedauer wird es natürlich teurer als beim Future, aber es gibt auch den ein oder anderen CFD-Broker, der mit seinem Dax-CFD den Future abbildet. D.h. es werden keine Finanzierungskosten fällig. Der CFD verliert halt wie der FDax auch seine ca. 20 Punkte im Laufe der 3-monatigen Laufzeit. Und man muss darauf achten, den Kontrakt manuell in den nächsten zu rollen, wenn man über den Verfallstag hinaus investiert bleiben möchte. Zudem kann man in der Regel dann sogar mit 0,01 Lot handeln, was einer Stückelung von 0,25€ pro Daxpunkt entspricht.

Zertifikate kommen in der Familie der Hebelprodukte einer transparenten Kursstellung noch am nächsten, da wenigstens die implizite Vola hier keine Rolle spielt. Und der Zeitwert schmerzt nicht so sehr wie bei Optionsscheinen, aber immer noch unangenehmer als mit CFDs.

Wer langfristig zu Optionsscheinen greift, sollte jedenfalls schon genau wissen was er da tut. Es gibt sicher viele spezielle Strategien, für die sich diese Anlageklasse eignet. Für Anfänger sind die Kursstellungen allerdings nicht wirklich nachvollziehbar, und der Zeitwertverlust wird vor allem zum Ende der Laufzeit hin enorm.

So eine spezielle Strategie könnte es z.B. sein, als Stillhalter von Optionen aufzutreten. Weil hier profitiert man als Gegenseite sogar vom Zeitwertverfall. Aber das ginge an dieser Stelle zu weit, dafür folgt beizeiten noch ein eigener Artikel.

Sie haben Fragen? Sie erreichen mich unter hinterleitner@brokerdeal.de

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Über den Experten

Michael Hinterleitner
Michael Hinterleitner

Michael Hinterleitner ist seit 2006 Redakteur und Trader bei GodmodeTrader.

Bereits 1998 der Faszination Börse erlegen, wurde Trading neben dem Studium der Wirtschaftswissenschaften zu seiner Hauptbeschäftigung. Sein Fokus: Aktien. Neben der täglichen spannenden Jagd an den Börsen kam 2011 die Idee zu einem neuen Brokervergleich, der nicht nur einen detaillierten Blick hinter die Kulissen erlaubt, sondern auch handfeste Vorteile für Mitglieder bringt.

Als Mitbegründer der Vergleichsplattform BrokerDeal.de hat sich Michael Hinterleitner zum Ziel gesetzt, Licht in den Brokerdschungel zu bringen. Er erklärt, worauf es bei der Brokerwahl ankommt, welche Anbieter für welche Bedürfnisse Sinn macht und auf welche Unterschiede man bei den Produkten und der Ausführungsqualität achten sollte.

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