Das Börsen-Kurzfrist-Syndrom
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MSCI hat in einer Studie über 400 große und mittlere US-Unternehmen im Zeitraum von 2004-2014 untersucht und ihre Wertentwicklung mit der Bezahlung ihrer über 800 Firmenchefs verglichen. Man muss dazu sagen, dass sich ein Großteil des Gehalts von Vorständen in den USA aus Aktienoptionen und anderen erfolgsabhängigen Zahlungen ergibt.
Das Ergebnis für die gut bezahlten Firmenchefs in der MSCI-Studie war ernüchternd.
Hätte man 100 Dollar in die 20 % der Unternehmen mit den höchsten Vergütungen ihrer Vorstände investiert, so wären daraus innerhalb der letzten 10 Jahre 265 Dollar geworden.
Hätte man die gleiche Summe in die Unternehmen mit der niedrigsten Vorstandsvergütung investiert, so wären im gleichen Zeitraum aus 100 Dollar die Summe von 367 Dollar geworden.
MSCI selbst schließt daraus, dass es vor allem die Art der erfolgsabhängigen Vergütung ist, die zu kurzfristigem Denken bei den Unternehmenslenkern und damit zu langfristig schlechteren Ergebnissen führt.
Ähnliche Erfahrungen habe ich selbst in der Finanz- und Fondsbranche gemacht.
Dort sprechen sogar die Anleger selbst oft nur noch über Jahresrenditen, also was ihre Fonds oder Aktien auf Sicht von 12 Monaten verdient haben.
Wie wir mittlerweile dank „moderner“ Finanzforschung (also seit ungefähr den 1960er Jahren...) wissen, sind Renditen auf so kurzen Zeitebenen näher dem Zufall, als einer „Leistung“ zuzuordnen.
Das Problem dabei ist gar nicht, dass man Ergebnisse auf Jahressicht feststellt.
Ich selbst messe die Ergebnisse meiner Anlagen auf Wochen- und Monatssicht, z.B. im Index-Manager, wo es wöchentliche Performance-Reportings gibt. Das hat für mich etwas mit Transparenz, Kommunikation und Verfügbarkeit zu tun.
Die Falle tut sich immer erst dann auf, wenn man sich von diesem Denken verleiten lässt.
So hat auch MSCI festgestellt, dass die jährliche Betrachtungsweisen des Unternehmenserfolges und Haltefristen von Aktienoptionen die Chefs der von ihnen untersuchten Unternehmen bei Entscheidungen maßgeblich beeinflussten.
Bei Fondsanlegern erlebe ich das regelmäßig, wenn bestimmte Anlagen über eine Zeit lang gut gelaufen sind.
Zur Zeit bekomme ich massivst (Steigerungsform!) Mails zu MDAX und TecDAX-ETFs, was für tolle Produkte das sind.
(Das sind sie auch wirklich, nur die meisten lassen sich von den Renditen der letzten Monate verzücken...)
Das endet dann oft in Enttäuschung und Frustration, denn man hatte ja gehofft, dass diese Serie noch ein klein wenig weitergehen würde.
Ich habe das selbst erlebt, als Anleger in den von mir gemanagten Fonds enttäuscht, manche sogar persönlich getroffen waren, als ich nach drei Jahren Gewinnen eine Verlustphase hinnehmen musste. Man kann den Anlegern von damals keinen Vorwurf machen, sie wurden mit der guten und stabilen Kursentwicklung geworben. Vielen Anlegern in der Finanzkrise 2008/2009 ging es ähnlich, als ihre Finanzprodukte auf einmal Volatilitäten zeigten, die einfach nicht vorher von den Produktanbietern kommuniziert oder gar selbst erwartet worden waren.
Wir sehen also, dass sowohl in der Wirtschaft, als auch in der Finanzwelt kurzfristiges Denken immer irgendwann zu solchen Rückschlägen führen kann, dass damit die gesamte Strategie eines Unternehmens oder einer Anlage ins Wanken gerät.
Bei Tradern kann das auch passieren, z.B. wenn eine Strategie plötzlich einen „Draw-Down“ entwickelt, den es vorher noch nie zuvor gegeben hatte. (Das Problem ist oft, dass Strategien nicht lange genug getestet werden oder keine „Out-Of-Sample“-Tests gemacht werden). Die meisten Trader werfen dann das Handtuch und suchen ihr Glück bei einer anderen Strategie (… während die alte sich in dieser Zeit wieder berappelt und Gewinne macht).
Mir geht es nicht darum mit dem erhobenen Zeigefinger herumzulaufen, denn ich glaube wir alle leiden heute unter dem „Kurzfrist-Syndrom.“ Social Media und ihre Like- und Love-Funktionen machen regelrecht süchtig nach sofortiger Bestätigung.
Das moderne Wirtschaftsleben und der allgemeine Wohlstand zeigen hier ihre Schattenseiten. Wenn alles jederzeit verfügbar oder flexibel vorhanden ist, dann ändert das unser Denken.
Produktzyklen werden immer kürzer und Verträge, die früher noch auf 10 Jahre gemacht wurden, sind heute unvorstellbar. Bei der Geldanlage springen Investoren mit kurzfristigem Horizont von einem Trend zur nächsten Strategie, um am Ende festzustellen, dass alles ein Nullsummenspiel war.
Ich glaube, wir haben verlernt langfristig zu denken und das hat einen negativen Einfluss auf die Entwicklung unserer Vermögensanlagen.
Unter anderem zu diesem Thema mit speziellem Bezug zum Trading spreche ich in einem Webinar an diesem Donnerstag, dem 04.05.2017 um 18.00 Uhr. Ich werde dort erklären, wie ich es schaffe mich langfristig zu motivieren und damit besser Verlust- und Durststrecken überstehe. Die Teilnahme ist kostenfrei.
Viele Grüße
Jakob Penndorf
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