Kommentar
06:31 Uhr, 31.01.2019

Zinsen steigen nicht ? Kein Wunder!

Notenbanker sind schon Schlitzohre. Das zeigt sich, wenn man die Bilanzen genau unter die Lupe nimmt.

Auf den ersten Blick wissen wir ja ganz genau, was vor sich geht. Die Bilanzsummen der Fed, der EZB und aller anderen Notenbanken sind bekannt. Es ist auch bekannt, was sich hinter den großen Summen verbirgt. Bei der US-Notenbanken sind das vor allem Staatsanleihen und MBS (Hypothekenpapiere). Grafik 1 zeigt die Entwicklung dazu.

Die Fed hielt schon immer Staatsanleihen. Vor der Krise waren es vor allem kurzfristige Anleihen (Bills) mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr. Davon hält die Notenbank praktisch nichts mehr. Dafür saugte sie sich mit Anliehen mit längeren Laufzeiten voll.

Das führte dazu, dass die durchschnittliche Laufzeit rasant anstieg (Grafik 2). Erst wurden Anleihen mit einer Laufzeit bis 10 Jahre gekauft und dann in der Operation Twist die Laufzeit des Bestands verlängert. Bereits seit 2013 geht die Durchschnittslaufzeit zurück.

Das kann man für andere Wertpapiere nicht behaupten. Agency Debt (Papiere z.B. von Fannie Mae und Freddie Mac) erreicht fast die längste Laufzeit seit Beginn der Wertpapierkäufe. Auch bei Hypothekenpapieren kann die Notenbank schwer von längeren Laufzeiten lassen.

Die Notenbank hält an Wertpapieren mit längerer Laufzeit fest. Die Bilanz verkleinert sich zwar (Grafik 3), doch dies geschieht auf eine bestimmte Art und Weise. Bereits seit 2013 verkauft die Notenbank Anleihen mit einer Laufzeit von 5-10 Jahren. Im Gegenzug hat sie den Bestand mit 1-5 Jahre Laufzeit ausgebaut.

Daher kommt die sinkende Laufzeit in Grafik 2. Das täuscht darüber hinweg, dass Anleihen mit Laufzeiten von über 10 Jahren kaum verkauft werden. Der Anteil an der Gesamtbilanz wurde sogar ausgebaut (Grafik 4).


Die Notenbank beschränkt sich bei der Bilanzverkleinerung vor allem auf das mittlere Segment des Marktes, also auf Anleihen mit einer Laufzeit von 5-10 Jahren. Da ist es kein Wunder, dass die Zinsen am langen Ende der Zinskurve bisher relativ moderat gestiegen sind.

Das ging soweit, dass man die Inversion der Zinskurve befürchten musste. Einige Notenbanker haben immer wieder gesagt, dass man sich darüber nicht zu viele Gedanken machen sollte. Vielleicht hatten sie dabei die Zusammensetzung des Anleihebestandes im Sinn. Die Fed hat ja kaum Anleihen mit langen Laufzeiten verkauft. Da ist es auch schwierig steigende Zinsen zu erwarten.

Wollte die Notenbank die Zinskurve beeinflussen, dann könnte sie das derzeit so gut wie bisher noch nie. Sie müsste einfach nur Anleihen mit langer Laufzeit auf den Markt werfen. Das vermeidet sie penibel. Es scheint ihr daran gelegen, die Langfristzinsen möglichst niedrig zu halten. Das ist ein interessantes Experiment, das den Markt verwirrt und recht stark verzerrt. Mit dem Blick in die Details wissen wir jetzt wenigstens, weshalb die Langfristzinsen in den letzten Jahren so wenig gestiegen sind.

Clemens Schmale

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8 Kommentare

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  • new-agens
    new-agens

    Was mir nicht schmeckt, ist der ganze Konjunktiv der FED. Kann mir die Kurssprünge gestern nicht wirklich erklären. Bin heute Morgen short gegangen...ganz einfach

    11:11 Uhr, 31.01. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • wizardmw
    wizardmw

    Wenn schon jetzt die FED die Zinsen nicht weiter anheben kann und auch die Bilanz nicht verkleinert, dann sollte allen klar sein , wie sehr die Hütte brennt. Ich sage nur Endspiel..... Ich habe mir wirklich sehr viele Bilanzen von Unternehmen in den USA angeschaut. Tatasache ist, dass sehr viele Unternehmen so hohe Schulden haben, dass diese nie wieder zurück gezahlt werden können. Noch perverser ist, dass diese Unternehmen schon bei 3% ihren gesamten Gewinn nur für Zinsen aufwenden müssten und dazu wurden die Kredite nur benutzt um eigene Aktien zurück zu kaufen. EINFACH NUR KRANK...... und ich sage dass hier als Betriebswirt..... Ich habe echt Angst und muss Herrn Jim Rogers und Co. Recht geben - das wird eine Apokalypse.

    09:17 Uhr, 31.01. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • Joey-the-bee
    Joey-the-bee

    Vorerst wird es keine galoppierende Zinserhöhung geben, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben...

    07:36 Uhr, 31.01. 2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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