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15:44 Uhr, 21.03.2011

Zinsen im Euroraum dürften niedrig bleiben

Düsseldorf (BoerseGo.de) - Eine Verschärfung der Geldmarktpolitik ist zwar möglich, aber es ist davon auszugehen, dass die Zinsen niedrig bleiben werden. Diese Einschätzung vertritt Thomas Higgins, globaler volkswirtschaftlicher Stratege bei Standish, einer Gesellschaft von BNY Mellon Asset Management. Zwar hätten die jüngsten Äußerungen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet Spekulationen Auftrieb gegeben, dass die EZB die Leitzinsen im April wieder anheben könnte, um so dem wachsenden Inflationsdruck entgegenzuwirken. Den Erwartungen zufolge wird die Inflation im Euroraum im Februar 2011 bei 2,4 Prozent p.a. liegen, nachdem sie im Januar 2011 noch 2,3% p.a. betragen hatte. Doch Higgins verweist darauf, dass die Teuerungsrate ohne Einbezug der Lebensmittel- und Energiepreise bei lediglich 1,1 Prozent liege. Aus diesem Grund hält Thomas Higgins die Erwartungen des Marktes, der für das Jahr 2011 von drei Zinserhöhungen ausgeht, für übertrieben und erwartet, dass die EZB die Zinsen auf ihrem historisch niedrigen Niveau bleiben werden.

Die Kommentare von Trichet zur Zinserhöhung als mögliche Alternative folgten auf die März-Sitzung des EZB-Rats, auf der beschlossen wurde, die Leitzinsen unverändert beizubehalten. Dabei könnte es sich allerdings auch um eine Art politischen Schachzug im Vorfeld des EU-Gipfels handeln, der am 24. und 25. März 2011 stattfindet. Laut Higgins "könnte Trichet Druck auf die Europäische Kommission ausüben, im Zusammenhang mit dem 440 Milliarden Euro schweren Europäischen Stabilitätsfonds (EFSF) aktiv zu werden." Offenbar fühlt sich Trichet mit dem Aufkauf von Staatsanleihen aus jenen europäischen Staaten, die mit den größten Problemen zu kämpfen haben, nicht mehr wohl. In ihrer Funktion als wichtiger Käufer von Staatsanleihen aus dem Euroraum macht sich die EZB wohl Sorgen, dass ihr Anleihen-Kaufprogramm allmählich mit ihrer eigenen Geldmarktpolitik kollidiert. Die EZB ist nämlich bestrebt, "die Inflation auf mittlere Sicht zwar unter, aber in der Nähe von 2 Prozent zu behalten". Im Hinblick auf die Anleihenkäufe geht Higgins davon aus, dass die EZB befürchtet, einzelne Staaten von sich abhängig zu machen. Um zu verhindern, dass die Anleihenkäufe die Geldmenge steigern und die Inflation schüren, will die EZB die Liquidität, die durch die Anleihenkäufe freigesetzt wird, neutralisieren, indem sie diese Mittel den Banken als siebentägige Depositeneinlagen zur Verfügung stellt.

Higgins vertritt die Auffassung, dass die EZB dem EFSF am liebsten mehr Verantwortung übertragen würde. Dazu zählt auch eine Obergrenze für die Renditen, um so die Kreditkosten für Staaten zu senken. Unter Umständen könnten Anleihenkäufe seitens des EFSF als Druckmittel gegen die Randstaaten, damit diese ihre Staatshaushalte wieder in Ordnung bringen, aber wirkungsvoller sein, weil man dann auf Regierungsebene und nicht mit der EZB verhandeln würde. Nach Einschätzung von Higgins könnten außerdem Besorgnisse um die Finanzlage des neu geschaffenen, dauerhaften Krisenmechanismus, des Europäischen Stabilitätspakts (ESM), aufkommen. Dieser wird dem EFSF nachfolgen. Auf dem März-Gipfel wird der ESM den europäischen Regierungschefs vorgestellt werden. Eine mögliche Gestaltung des ESM, die in einem Diskussionspapier bereits kommuniziert wurde, sieht vor, dass der ESM so genannte "Anleihen-Swaps" durchführen kann. Diese hätten zur Folge, dass Staatsanleihen am Offenmarkt erworben und anschließend an eine Regierung zurückgegeben würden. Im Gegenzug würde der ESM dann neue Anleihen erhalten. Dadurch könnte ein Land selbst bei einer Panik am Markt günstig Finanzmittel aufnehmen.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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