Kommentar
07:46 Uhr, 25.02.2016

Zentralbanken in Panik: Das Ende der Geldpolitik

Die Geldpolitik war weltweit selten so prominent präsent wie jetzt. Genützt hat es wenig und die zahlreichen Maßnahmen der Notenbanken drohen vor allem in einem zu enden: der Abschaffung der Geldpolitik.

Geldpolitik immer wirkungsloser

Notenbanken verfolgen mit ihrer Geldpolitik vor allem zwei Ziele: Inflation und Wachstum. Man kann guten Gewissens daran zweifeln, dass sie diese Ziele erreicht haben. Der minimale Erfolg der Geldpolitik bleibt auch unter Notenbankern nicht unbemerkt. Sie werden nicht müde zu betonen, dass sie im Notfall auch noch mehr tun können.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Notenbanken ihre Geldpolitik noch expansiver gestalten können. Ob es etwas bringt, sei dahingestellt, denn wenn bereits die derzeitigen Maßnahmen kaum die gewünschte Wirkung zeigen, wie soll es dann eine weitere Zinssenkung um 0,1 Prozentpunkte richten?

Grafik 1 zeigt eines der Probleme und erklärt bis zu einem gewissen Teil, wieso die Geldpolitik nicht dort ankommt, wo sie soll. Dargestellt ist die Geldumlaufgeschwindigkeit in den USA, das Geldmengenwachstum sowie die Geldmenge selbst. Seitdem die Geldmenge stark ausgeweitet wird sinkt die Geldumlaufgeschwindigkeit. Praktisch bedeutet das: die zusätzliche Geldmenge kommt in der Wirtschaft nicht an, sondern wird gehortet.

Ein kleiner Teil der zusätzlichen Geldmenge verschwindet nicht ganz ohne Wirkung. Je nach Währungsraum fließt ein Teil des Geldes in Vermögenswerte wie Immobilien oder andere Assetklassen wie Aktien. Das ist eine gewünschte Wirkung, doch bei weitem nicht die einzige, die die Geldmengenausweitung haben sollte.

Der ursprüngliche Gedanke der Notenbanken sah vor, dass durch die Geldmengenausweitung die Zinsen gesenkt werden und die Kreditaufnahme dadurch interessanter wird. Das wiederum sollte das Nachfragewachstum beleben, während sich Menschen und Unternehmen immer reicher fühlen, weil Aktienkurse und Immobilienpreise steigen.

Immobilienpreise und Aktienkurse sind gestiegen. Einen Effekt auf das Konsumverhalten hatte das nicht. Vielmehr ist zu beobachten, dass Konsumenten und Unternehmen aufgrund der niedrigen Zinsen ihr Cash versuchen loszuwerden. Dies tun sie nicht, indem sie konsumieren und investieren, sondern indem sie ihr Cash in Vermögenswerten parken.

Immobilienpreise mögen zwar hoch sein, doch immerhin sind Immobilien ein realer Wert. Vielen ist es lieber einen hohen Preis dafür zu zahlen und dadurch Geld zu parken und negative Zinsen zu umgehen. Geld fließt in Anlagen, die sich als Aufbewahrungsort für Cash eignen. Immobilien sind keine liquide Anlageklasse, dafür aber kann man hohe Beträge parken.

Durch die Flucht aus Bargeld hinein in Vermögenswerte bilden sich Preisblasen. Die schwedische Zentralbank senkte die Zinsen im Februar weiter in den negativen Bereich, um eine Aufwertung der Währung zu verhindern, doch äußerte sich gleichzeitig extrem besorgt über die rasch steigenden Immobilienpreise. In vielen Ländern kommt es zu Übertreibungen in einzelnen Anlageklassen, während der eigentliche Zweck der Geldpolitik vollkommen verfehlt wird.

Inzwischen erweisen sich Zinssenkungen in den negativen Bereich als nicht mehr sonderlich effektiv. Grafik 2 zeigt den Wechselkurs der schwedischen Krone gegenüber dem Euro. Als die Notenbank begann die Zinsen in den negativen Bereich zu bewegen reagierte die Währung relativ deutlich auf die Maßnahmen. Inzwischen verpuffen die Zinssenkungen sofort. Die letzte Zinssenkung führte nach einer ganz kurzen Abwertung der Währung zu einer Aufwertung.

Die Geldpolitik wird immer wirkungsloser, während Preisblasen außer Kontrolle geraten. Das ist alles nicht im Sinne der Erfinder der ultralockeren Geldpolitik. Viel schlimmer noch: Die Zentralbanken haben sich in eine Sackgasse manövriert, aus der sie – wenn überhaupt – nur sehr schwer herauskommen.


Die Liquiditätsfalle

Notenbanken haben sich in eine Sackgasse manövriert. Diese heißt Liquiditätsfalle. In einer Liquiditätsfalle nützt zusätzliche Liquidität nichts mehr. Zusätzliches Geld wird nicht mehr verwendet, sondern nur mehr gehortet. Genau das ist in den vergangenen Jahren geschehen. Notenbanken wollen dieser Falle nun entgehen, indem sie die Zinsen weiter senken.

Die Zinssenkungen haben teils einen gegensätzlichen Effekt. Kreditzinsen sinken trotz Zinssenkungen nicht mehr, sondern steigen sogar. Dieses Phänomen ist z.B. in der Schweiz zu beobachten. Banken gegen die Strafzinsen, die sie für Überschussreserven zahlen müssen, über höhere Kreditzinsen an ihre Kunden weiter.
Dieses Paradox (sinkende Zinsen führen zu steigenden Zinsen) kann nur gelöst werden, wenn Notenbanken einen Schritt weitergehen und die Leitzinsen unter 0 % senken. Bisher zahlen Banken auf Überschussreserven Strafzinsen, müssen für Geldbeschaffung bei der Zentralbank allerdings noch Geld bezahlen. Der nächste „natürliche“ Schritt ist die Absenkung in den negativen Bereich. Dann erhalten Banken Geld, wenn sie sich Geld bei der Zentralbank leihen.

Ein solcher Schritt ist bisher noch unerprobt und die Folgen sind schwer abzuschätzen. Bisher haben die Zinssenkungen nicht dazu geführt, dass Konsumenten und Unternehmen mehr Geld ausgeben und die Wirtschaft ankurbeln. Es hat bisher lediglich zu Fehlallokation von Kapital geführt. Diese Fehlallokation zeigt sich unter anderem anhand der Immobilienpreise, die z.B. in Schweden auf Jahressicht fast um 20 % gestiegen sind. Negative Zinsen beschleunigen diese Fehlallokation.

Je tiefer die Zinsen sind, desto geringer kann die Rendite einer Immobilie sein. Im Idealfall bietet eine Immobilie eine Rendite, die über den Zinskosten für den Kredit und der Inflation liegt. Liegen die Zinsen bei 2 % und die Inflation bei 0 %, dann sollte die Rendite (Preissteigerung der Immobilie) langfristig idealerweise bei über 2 % liegen. Sinken die Kreditzinsen nun auf 0 % und bleibt die Inflation ebenfalls bei 0 %, dann macht der Käufer auch bei konstanten Preisen keinen Verlust.

Damit die Rendite von Immobilien sinkt muss der Preis steigen. Genau das geschieht derzeit. Die Preise sind nun aber inzwischen so hoch, dass bei einem minimalen Anstieg der Inflation die Rendite negativ wird. Da ein Großteil der Privatvermögen in vielen Ländern in Immobilien liegt, ist eine negative Rendite bei Immobilien sehr kritisch. Sie verringert das Vermögen von Konsumenten effektiv und erheblich. Hat sich ein Konsument ein Haus um 500.000 gekauft und erzielt darauf eine Rendite von -2 % pro Jahr (-10.000), dann dürfte die Konsumneigung stark abnehmen.
Das Ziel der Notenbanken ist es, Inflation und Wachstum zu erzeugen. Beginnen Notenbanken die Normalisierung der Geldpolitik in einem Umfeld, indem an allen Ecken und Enden Preisblasen existieren, dann bringen Zinserhöhungen das Kartenhaus zum Einsturz. Je länger mit der Normalisierung gewartet wird, desto eher kommt es zu massiven Verwerfungen. Platzen die Preisblasen, dann sind nicht nur Konsumenten plötzlich überschuldet und konsumieren nicht mehr, sondern auch Banken sind vor eine neue Bankenkrise gestellt.

Wenn die Fehlallokation einmal zu groß geworden ist, dann können Notenbanken die Geldpolitik nicht mehr normalisieren, wenn sie keine wirtschaftliche Depression riskieren wollen. In den USA zeigt sich wie schwer es selbst in einem relativ gesunden Umfeld ist aus der Liquiditätsfalle herauszukommen.

Persönlich bin ich optimistisch, dass es noch nicht zu spät für eine Normalisierung ist. Sie muss aber jetzt angegangen werden, sonst geht es nicht ohne eine wirtschaftliche Depression. Ist der Zeitpunkt verpasst, an dem eine Normalisierung noch möglich ist, dann hat sich die Geldpolitik de facto selbst abgeschafft. Sie kann dann nicht mehr frei gewählt werden. Sie wird von der Fehlallokation von Kapital bestimmt. Notenbanken geben mit jeder weiteren Zinssenkung und jeden Monat, den sie weiter lockern einen Teil ihrer geldpolitischen Souveränität auf. Wenn das so weitergeht, dann ist die Geldpolitik bald abgeschafft, weil sie nicht mehr frei bestimmt werden kann, ohne einen Zusammenbruch des ganzen Systems zu riskieren.

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27 Kommentare

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  • 2 Antworten anzeigen
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    @Löwe (oder eher Kätzchen? :-)

    Interessant, dass mal wieder die Notenbanken (im Übrigen sehe ich die FED-Klone-Notenbanken wie sie derzeit existieren - von privaten Personen gesteuert und NICHT kontrolliert - durchaus kritisch) an allem Schuld sind...
    Selbst wenn man Ihrem Gedanken folgen würde, so müsste man fragen: wo sind sie denn die "effizienten Märkte", die "informierten Anleger" und die "schnell agierenden Investoren"??? Ach ja, wegen den Notenbankn gibt es das alles ja nicht!?? Hahaha, selten so gelacht... :-)

    Man müsste doch konstatieren, dass Märkte eben nicht effizient sind, wenn Sie sich durch die böse Notenbank fehlleiten lassen!??

    Es ist alles ein Spiel von immer denselben (!!) Spielern, deswegen sind einseitige Unterstellungen á la Österr. Schule wirklich grober Unsinn. Der Kleinanleger/Sparer/Bürger ist in diesem Spiel der Dumme, während sich ca. 120 Familien die Hände reiben und sich immer mehr Sach-Werte und immer weitreichendere Macht aneignen.

    Ach ja, Ihre Anmerkung zur Inflation bei einer 10.000€-Überweisung:
    Sie argumentieren rein schulbuchmäßig (Stand Jahr 1975) und dazu noch rein technisch, gehen jedoch auf die Realität des Waren-Überangebotes und die anderen erwähnten Punkte nicht ein.

    Ade

    13:04 Uhr, 26.02.2016
  • 1 Antwort anzeigen
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    Hallo Herr Schmale,

    einer Ihrer besten Artikel!

    Für mich der zentrale Punkt:
    "[Die Geldpolitik] wird von der Fehlallokation von Kapital bestimmt."

    So ist es!
    Die Zentralbanken verhindern bzw. verzögern mit Ihrer Politik das Platzen von Blasen der privaten Spielen am Markt, die stets die maximale Renditen - aber NIEMALS die Verluste - beim "Spiel auf den Märkten" tragen wollen... (Man kennt das, im Fall der Fälle werden dann sogar die zeitweise dennoch unvermeidbaren Verluste eben dem Steuerzahler "übertragen")

    Und so retten die Zentralbanken ihre Geschwister die Privatbanken >>> kein Wunder, gehören Sie doch deselben Besitzern, die auf GAR KEINEN Fall ihre Casino-Spiele zulasten der restlichen 99% der Menschheit unterlassen wollen...

    @crash_2013:
    Ihrer Aussage ist absolut zuzustimmen, bin ein Befürworter dieser Idee.
    Dann hätte man auch die schwindsüchtigen Casino-Spieler (= Banken u.ä.) für diesen Fall eliminiert und die Bevölkerung würde partizipieren.
    Aber auch mit einer Überweisung von 10.000€ an jeden Bürger wäre die Inflation wohl überschaubar, da dies m.M.n. ein EINMALIGER Akt sein würde. Auch besteht an allem KEIN Mangel, sondern ein krasses Überangebot (Autos, Kleidung, Möbel, ...) >>> Käufer händeringend gesucht! :-)
    Es wäre daher logisch, dass sich dieses "Zusatzeinkommen" eher wie bei einer Gießkanne strukturiert auf verschiedene Bereiche verteilt und dort Nachfrage, ggf. sogar in unterschiedlichen Zeitebenen, erzeugt.

    Resultat: Jeder erhält Kaufkraft (10.000€) bei zu erwartender eher temporärer mäßiger Inflation. Das wäre doch was, oder? :-)

    @Löwe30:
    Ohne Worte *Kopf schüttel*

    22:03 Uhr, 25.02.2016
    2 Antworten anzeigen
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... insofern teile ich Ihren noch vorhandenen Optimismus nicht ...

    15:52 Uhr, 25.02.2016
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Meines Erachtens ist der Zeitpunkt für die Normalsierung der Geldpolitik bereits längst überschritten.

    Die Zentralbanken sind - wie Sie selbst schreiben - schon längst nicht mehr in der Wahl ihrer Mittel und Wege frei.

    Sie werden von den Märkten vor sich her getrieben ...

    15:51 Uhr, 25.02.2016
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Ich hätte nichts dagegen, wenn die Geldpolitik sich selbst abschafft. Funktioniert hat das eh noch nie. Die Fed macht allerdings noch den besten Job und ist sozusagen der Einäugige unter den Blinden!!

    15:18 Uhr, 25.02.2016
  • Viktor Koß
    Viktor Koß

    Norbert Walter war geschäftlich während des Ausbruch der Lehman-Borther-Krise in Asien und schaltete sich live in einem Radiointerview. Damals sagte er dass Liquidität kein Problem darstelle, die Finanzidnsutrie - die Banken verfügen mit mehr als ausreichenden liquiden Mitteln. Also die Ursachen des Problems waren irgendwo anders zu suchen. Was man tat, man hat sie seit 2007/08 befestigt, viel mehr massiv ausgebreitet.

    12:25 Uhr, 25.02.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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