Kommentar
23:59 Uhr, 28.08.2009

Wirtschaftsdaten erklärt: Heute – das US-Bruttoinlandsprodukt – BIP (Gross Domestic Product – GDP)

Wegen des Urlaubs von Herrn Hoose erscheint in dieser Woche der zweite von insgesamt vier Teilen der Grundlagenserie zu den Wirtschaftsdaten. Die gesamte Serie können Sie abrufen unter http://www.godmode-trader.de/wissen/index.php/Wirtschaftsdaten:Inhalt
Ab nächster Woche wird Herr Hoose wieder selbst die Analysen zu den gemeldeten Daten übernehmen.

* Marktanfälligkeit: Mittel bis hoch.
* Kurzbeschreibung: Als wichtigster Indikator für die Stärke der Wirtschaft gibt das Bruttoinlandsprodukt die Geschwindigkeit des Wirtschaftswachstums an.
* Online-Publikation: www.bea.gov/bea/dn/home/gdp.htm
* Homepage: www.bea.gov
* Erscheinungstermin: 8:30 Uhr (ET) / 14:30 Uhr (MEZ), vorläufige Daten werden Ende Januar, April, Juli und Oktober veröffentlicht. Zwei Revisionsrunden erfolgen in monatlichen Abständen (das Bureau of Economic Analysis (BEA) plant, ab 2006 auf einen zweiwöchentlichen Veröffentlichungsturnus umzusteigen).
* Erscheinungshäufigkeit: Quartalsweise.
* Quelle: Bureau of Economic Analysis (BEA), Commerce Department (Amt für Wirtschaftsanalyse des Handelsministeriums).
* Revisionen: Revisionen sind mäßig, in Einzelfällen aber auch fundamentaler. Jährliche Revisionen erfolgen Ende Juli und enthalten die vollständigen Daten. Historische Daten werden alle fünf Jahre revidiert und reichen manchmal bis zur Entstehung des Indikators im Jahr 1929 zurück.

Bedeutung

BIP - das sind die berühmtesten Initialen der Finanzwelt; das Bruttoinlandsprodukt ist die Mutter aller Indikatoren, es ist die wichtigste Statistik jedes beliebigen Quartals. Die Lektüre ist Pflicht für jedermann, weil das BIP insgesamt das beste Barometer für die Höhen und Tiefen der wirtschaftlichen Entwicklung ist. Prognostiker analysieren die Zahlen sorgfältig auf Hinweis, wohin die Konjunktur-Reise geht. Vorstandsvorsitzende ziehen es für Businesspläne und Umsatzprognosen sowie bei Entscheidungen über Neueinstellungen zurate. Fondmanager ziehen den Wert zurate, um ihre Anlagestrategien zu optimieren. Das Weiße Haus in Washington und die Notenbank (Federal Reserve) sehen das BIP als Gradmesser, wie wirkungsvoll ihre politischen Maßnahmen sind. Aus diesen und vielen anderen Gründen wird der Indikator jedes Quartal mit größter Ungeduld erwartet.

Die Zahlenflut des BIP kann einem am Anfang durchaus Angst einflössen. Einfach ausgedrückt ist das BIP das Gesamtpreisschild für alle Güter und Dienstleistungen, die in den USA erzeugt wurden. Es ist die Summe aller Werkzeuge, Autos, Eigenheime, Kinderbetten, Videospiele, Arztrechnungen, Bücher, Zahnpastatuben, Hot Dogs, Haarschnitte, Brillen, Jachten, Drachen und Computer – es wird wohl klar, was gemeint ist –, die in einem bestimmten Zeitraum in den USA verkauft oder von den USA exportiert wurden. Sogar alle Waren, die produziert, aber nicht verkauft oder exportiert wurden und jetzt in irgendwelchen Regalen oder Lagern liegen, werden dazugezählt, da sie ja trotzdem im entsprechenden Zeitraum montiert wurden. Das BIP repräsentiert also den Gesamtwert der gesamten Produktion der US-Wirtschaft, unabhängig davon, ob die Produkte verkauft oder ins Lager gebracht werden.

Die Analyse des BIP über die letzten 50 Jahre macht deutlich: Die amerikanische Wirtschaft tendiert zum Wachstum. Die Produktion von Gütern ist bei weitem über mehr Jahre gewachsen, als sie zurückgegangen ist. Obwohl die Wirtschaft immer noch Rezessionen unterliegt, sind diese Tiefpunkte der Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg kürzer und flacher geworden. Je schneller und höher das Wirtschaftswachstum, desto mehr Arbeitsplätze stehen zur Verfügung. Je mehr Arbeitsplätze, desto höher sind Einkommen und Verbraucherausgaben. Je höher wiederum diese Ausgaben, desto mehr Produkte und Dienstleistungen werden produziert und mehr Arbeitsplätze werden geschaffen, und je mehr Arbeitsplätze, desto höher sind Einkommen und desto höher die Verbraucherausgaben, und siehe da! – der wirtschaftliche Aufschwung nährt sich selbst. Aber die Auswirkungen des Wirtschaftswachstums können sogar über die Grenzen hinaus beobachtet werden. Wenn die USA mehr Autos, mehr Kleidung, Schmuck, Wein und elektronische Geräte importieren, wird die internationale Wirtschaft angekurbelt. Wenn dadurch Arbeitnehmer im Ausland über ein höheres Einkommen verfügen, werden sie wiederum mehr amerikanische Waren kaufen.

Ist dieses autarke Kontinuum des Wachstums endlos? Theoretisch muss diese Frage mit ja beantwortet werden, aber die Praxis sieht anders aus. Ein Einbruch dieses Wachstums ist nur eine Frage der Zeit, da das System nicht vor externen Einflüssen sicher ist. Einflussfaktoren sind z.B. Krieg, ein übermäßiges Anwachsen der Lagerbestände oder eine rasante Inflation. In diesen Fällen stehen der US-Regierung ausreichende Mittel und politische Möglichkeiten der Einflussnahme zur Verfügung, um Schäden in der Wirtschaft zu minimieren.

Wenn man den Bericht betrachtet, ist es zunächst wichtig zu wissen, dass die Regierungsbehörde das BIP auf zweierlei Arten berechnet, in nominalen und realen Dollar. Was bedeutet dies genau? Der nominale Wert gibt an, wie viel an Gütern und Dienstleistungen produziert wurde, berechnet anhand jeweils aktueller Preise. Der reale Wert gibt an, was effektiv produziert wurde. Hier ein Beispiel: Ein fiktiver Hütehersteller verkauft Hüte für eine Million US-Dollar, 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Dieser Wert – eine Million US-Dollar – ist der nominale Umsatz. Allerdings fehlt hier eine Angabe: Mit diesem Wert alleine wird nicht klar, wie die Umsatzanstieg zustande kam. Wurden tatsächlich 11 Prozent mehr Hüte verkauft, oder wurden die Preise der Hüte um 11 Prozent erhöht? Falls die Preise erhöht wurden, hieße das, da ja nicht wirklich mehr Hüte verkauft wurden, dass ‚real‘ wie im Vorjahr nur Hüte für 900.000 Dollar verkauft wurden. Der Unterschied ist beträchtlich und wichtig. Ist die Wirtschaft gewachsen, weil mehr Güter und Dienstleistungen verkauft wurden, oder sind die Preise erhöht worden und die Inflation somit gestiegen? Was man wirklich wissen will, ist, dass der wahre wirtschaftliche Output gestiegen ist, d.h., dass eine zunehmende Menge von Gütern und Dienstleistungen den Verbrauchern zum Erwerb zur Verfügung steht. Ein reales BIP-Wachstum verbessert den Lebensstandard der Menschen, während ein inflationsbedingter Anstieg des BIP den Lebendstandard angreift, weil man für die gleiche Menge an Produkten einen höheren Preis zahlen muss. Beide BIP-Werte sind also von zentraler Bedeutung für die Wirtschaft.

Um die Zusammensetzung und die Berechnung des BIP zu verstehen, ist es am besten, wenn man sich die Tabellen der Veröffentlichung ansieht. Sie sind nicht so kompliziert, wie man am Anfang meint.

Tabelle 3 BIP und dazugehörige Werte: Veränderungen im Vergleich zum vorherigen Quartal
Alle Daten sind in Milliarden US-Dollar und in jährlichen Beträgen angegeben (die jährlichen Beträge sind eine Hochrechnung, wie sich die Wirtschaft entwickeln würde, wenn das vierteljährliche Wachstum über ein Jahr gleich bliebe).

Die Angaben liegen in realen und nominalen Dollarbeträgen vor. Die nominalen Beträge stellen das nominale Bruttoinlandsprodukt dar (inklusive Preisanstieg – vgl. das Hutfabrik-Beispiel); der reale Wert beschreibt, inflationsbereinigt, die tatsächlich produzierte Menge an Gütern. Obwohl beide Zahlengruppen der Tabelle informativ sind, richtet sich die Mehrheit der Beobachter nach dem realen Wert, um ein genaueres Bild des wirtschaftlichen Status quo zu erhalten.

Bruttoinlandsprodukt: Die Überschrift sagt schon alles: Es ist der endgültige Wert der Produktion und der Gesamtverbrauch von Sachgütern und Dienstleistungen in den USA. "Endgültig" wird hier ganz absichtlich verwendet: Das BIP beinhaltet nicht unmittelbar die Herstellungskosten der Waren und Dienstleistungen, die bei den Zwischenschritten der Herstellung anfallen. Dafür gibt es eine logische Erklärung, denn diese Kosten sind schon im Endprodukt enthalten und dürfen nicht doppelt in die Rechnung eingehen.

Lesen Sie alle Details zum BIP auf http://www.godmode-trader.de/wissen/index.php/Wirtschaftsdaten:BIP

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen