Kommentar
10:41 Uhr, 12.10.2018

Wird dem Ölpreis jetzt eingeheizt?

Der Winter naht und mit ihm steigt der Verbrauch von Öl, etwa in Form von Heizöl. Können Anleger davon profitieren?

Minus 37,8 Grad – so bitterkalt war es am 12. März 1929 im oberbayerischen Wolnzach. Noch heute ist das die tiefste jemals in Deutschland gemessene Temperatur. In der jüngeren Vergangenheit fielen die Winter zwar vergleichsweise milde aus, dennoch steigt der Bedarf an Wärmeenergie. Dafür ist Rohöl häufig der Ausgangsstoff, etwa für Heizöl oder die Fernwärmegewinnung. In Deutschland zum Beispiel gibt es nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes MWV rund 5,6 Millionen Ölheizungen, die rund 20 Millionen Menschen mit Wärme versorgen. 15,8 Millionen Tonnen leichtes Heizöl wurden hierzulande im vergangenen Jahr abgesetzt. Hinzu kommen 3,1 Millionen Tonnen schweres Heizöl, das vor allem von der gewerblichen Industrie für die Strom- und Wärmegewinnung genutzt wird. Damit liegt der Anteil des Verbrauchs von (leichtem und schwerem) Heizöl am gesamten deutschen Absatz von Mineralölprodukten (dazu gehören auch Benzin und Diesel) bei fast 17 Prozent. Ähnliches gilt für Regionen, die gleichartige klimatische Bedingungen aufweisen, wie etwa Mitteleuropa oder weite Teile der USA. Dort lag der Verbrauch an Heizöl in der Wintersaison 2017/18 (Oktober bis März) bei durchschnittlich 517,3 Gallonen pro US-Haushalt mit Ölheizung – das entspricht knapp 2.000 Liter.

Anlegen im Takt der Jahreszeiten?

Wenn die Jahreszeiten die Nachfrage nach Öl beeinflussen, so eine interessante Überlegung, dann müssten sich daraus eigentlich auch Anlagechancen ergeben. Theoretisch könnte eine solche Strategie so aussehen: Ende September/Anfang Oktober wird mit Long-Hebelprodukten auf Öl-Futures wie Brent oder WTI auf einen wetterbedingten Anstieg der Ölnachfrage gesetzt. Wenn dann der Frühling naht und die Nachfrage nach Wärmeenergie nachlässt, wird auf nachgebende Ölpreise gesetzt. Allerdings hat diese Taktik einen entscheidenden Haken. Denn für gewöhnlich decken sich die Haushalte nicht erst mit Beginn oder während der kalten Monate mit Heizöl ein. Stattdessen werden die Tanks häufig flexibel gefüllt, je nachdem ob die Marktpreise gerade günstig erscheinen. Im vergangenen Jahr stach in Deutschland zum Beispiel der Monat Mai mit einem Absatz von 1,52 Millionen Tonnen leichtem Heizöl hervor – das war Jahreshöchstwert. Im Dezember wurden dagegen nur 1,18 Millionen Tonnen nachgefragt.

Wenig erfolgsversprechend

Was aber, wenn der Winter unerwartet kalt und lange ausfällt, so wie 2012/13 als viele Haushalte Heizöl nachkaufen mussten? Selbst damals war kein signifikanter Preisschub bei Öl zu beobachten. Dass eine Winterstrategie beim schwarzen Gold wenig erfolgsversprechend ist, zeigen auch historische Untersuchungen. Demnach tendierte der Ölpreis in den vergangenen 15 Jahren in den Monaten Oktober bis Dezember im Schnitt sogar nach unten. Seinen Jahrespeak erreichte er dagegen in den Monaten August und September. Der jüngste Anstieg des Ölpreises hat dann auch weniger jahreszeitliche, als vielmehr geopolitische Gründe. Denn infolge der US-Sanktionen gegen den Iran, fällt es dem persischen Land zunehmend schwer, Abnehmer für sein Öl zu finden. Die sich daraus ergebende Angebotsverknappung könnte sich im November noch verstärken, wenn die Sanktionen voll greifen. Allerdings könnte die Opec einem zu starken Anstieg des Ölpreises durch eine Erhöhung der Fördermengen entgegensteuern. Ernste Engpässe und ein nachhaltiger Preisschub bei Öl sind daher nicht so sicher wie man vermuten könnte.


Autor: Dirk Heß, Co-Head EMEA Public Listed Products Sales & Distribution bei Citigroup Global Markets Europe AG

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