Kommentar
12:00 Uhr, 04.04.2022

Börsenjahr 2022: Gute Nerven sind gefragt

Anziehende Inflationsraten, Stagflationsgefahren und Kriegsdonner – die Finanzmärkte stehen gehörig unter Druck. Was von DAX, Gold und Öl in diesem Jahr noch zu erwarten ist.

Anziehende Inflationsraten, Stagflationsgefahren und Kriegsdonner – die Finanzmärkte stehen gehörig unter Druck. Was von DAX, Gold und Öl in diesem Jahr noch zu erwarten ist.

“Hope for the best and prepare for the worst”, lautet ein bekannter Spruch, der immer dann gerne zitiert wird, wenn große Ungewissheit darüber herrscht, was die Zukunft wohl bringen wird. Auf das Beste hoffen und auf das Schlimmste vorbereitet sein – das gilt in unsicheren und turbulenten Zeiten wie diesen mehr denn je. Die Weltgemeinschaft sieht sich mit einem neuen Ost-West-Konflikt konfrontiert. Die Inflationsraten haben ein beängstigendes Niveau erreicht. Und auch die Corona-Krise ist noch nicht vom Tisch. Zudem kämpfen Unternehmen weiterhin mit Liefer- und Versorgungsengpässen. Schon warnen Volkswirte vor einer neuen Ära der Stagflation – also vor einer Kombination von schwächelnder Wirtschaft und steigender Preise.

Aktien: Erhöhte Schwankungsgefahr

Was ist in einem von so vielen Ungewissheiten gespickten Umfeld von den Aktienmärkten zu erwarten? Anleger sollten darauf vorbereitet sein, dass die Nervosität und Volatilität an den Märkten weiter hoch bleiben wird. Ein Grund dafür ist der Krieg in der Ukraine. Zu Beginn des Konflikts schoss das Volatilitätsbarometer für den DAX, der VDAX-New, rapide in die Höhe und markierte den höchsten Stand seit dem ersten Corona-Lockdown vor rund zwei Jahren. Was uns die jüngere Vergangenheit allerdings gelehrt hat: Kaum setzen die Kurse einmal stärker zurück, finden sich häufig sehr schnell wieder neue Käufer, die schwächere Marktphasen zum Einstieg nutzen. Als Buy-the-Dip wird dieses Verhalten bezeichnet. Auch nach dem ersten Schock über den russischen Einmarsch kämpfte sich der DAX sehr schnell wieder in seine alten Handelsspannen von 14.000 bis 15.000 Punkten zurück.

Gleichwohl: Zu großer Optimismus ist fehl am Platz. Die Erholung beim DAX war und ist vor allem von der Hoffnung auf einen baldigen Frieden in der Ukraine getragen. Diese Erwartung könnte allerdings trügen. Schon jetzt dürften sich die Umsatzprognosen vieler DAX-Unternehmen als zu optimistisch erweisen. In den Kursen scheint eine mögliche Abflachung oder gar ein Rückgang der Gewinne noch nicht vollständig eingepreist zu sein. Zu berücksichtigen dabei ist, dass sich sowohl die Inflation als auch die Lieferengpässe als dauerhafter erweisen könnten, als es den Unternehmen lieb sein kann. Alles in allem dürften dem DAX weiterhin volatile Zeiten bevorstehen. Aber Krisen bieten bekanntlich auch Chancen. So könnten Aktien aus den Bereichen der Erneuerbaren Energien und der grünen Technologien vom Umdenken bei der Energieversorgung profitieren. Auf der anderen Seite dürften Unternehmen, die stark auf Öl und Gas angewiesen sind, Probleme bekommen. Dazu zählen insbesondere Titel aus den Sektoren Transport, Luftfahrt, fossile Energieerzeugung, Metall und Chemie.

Zinsen im Auftrieb

Gegenwind für Aktien könnte auch von der Zinsseite kommen. Während die EZB noch zaudert, hat die US-Notenbank bereits im März die Zinswende eingeläutet. Sechs weitere Zinssteigerungen dürften in diesem Jahr noch folgen. Damit besteht die Gefahr einer sich stark verflachenden US-Zinsstrukturkurve, was in der Vergangenheit häufig ein Alarmsignal für Aktien war.

An den Anleihenmärkten sind die Zinsen zuletzt schon kräftig gestiegen. So erhöhten sich die Renditen von 10-jährigen US-Bonds von Anfang bis Ende März um 55 Basispunkte auf 2,37 Prozent. Und auch bei Bundesanleihen scheinen die Zeiten negativer Zinsen der Vergangenheit anzugehören. Im März legten die Renditen hier für Zehnjährige um 52 Basispunkte auf 0,64 Prozent zu. So hohe Erträge auf diese Papiere erhielten die Investoren seit mehr als vier Jahren nicht mehr.

Ausblick für Gold und Rohstoffe

Der Krieg in der Ukraine und die Gefahr eines davon ausgehenden Flächenbrands haben den Goldpreis im März zwischenzeitlich bis auf die 2.000-Dollar-Marke befördert. Damit ist Gold seiner Funktion als Krisenwährung einmal mehr gerecht geworden. Deutlich wird das auch an den hohen Mittelzuflüssen in physisch hinterlegte Gold-ETFs, zu denen der Ukraine-Konflikt geführt hat. Mittlerweile ist der Goldpreis jedoch wieder etwas zurückgekommen, was insbesondere auf die steigenden Zinsen zurückzuführen sein dürfte. In der gegenwärtigen Gemengelage sind bei Gold weder ein Absturz noch neue Rekordpreise zu erwarten. Stattdessen dürfte sich das Edelmetall auf absehbare Zeit in einer Handelsspanne zwischen 1.900 und 2.000 US-Dollar pro Feinunze bewegen.

Bei Öl dürfte auf absehbare Zeit keine Entwarnung in Sicht sein. Zum einen, weil die EU ein Ölembargo gegen Russland beschließen könnte. Diese Option wird umso wahrscheinlicher, je länger der Krieg in der Ukraine anhält. Zum anderen, weil die OPEC+ trotz der Mangelversorgung bis auf Weiteres an ihren Fördermengen festzuhalten scheint. Preise um die 100 US-Dollar pro Barrel dürften daher zumindest in den nächsten Wochen bei Öl der Normalfall bleiben.

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Über den Experten

Dirk Heß
Dirk Heß
Co-Head EMEA Public Listed Products Sales & Distribution bei Citigroup Global Markets Europe

Dirk Heß, Finanzexperte der Citigroup, schreibt zu aktuellen Markt- und Derivate-Themen. Als Co-Head EMEA Warrant Sales & Distribution bei der Citi besitzt er langjährige Expertise in allen Fragen rund um Börse und Investments. In seinem regelmäßigen Kommentar gibt Dirk Heß fundiertes Fachwissen weiter. Die Citigroup ist seit dem Jahr 1989 als Emittent von strukturierten Produkten permanent am deutschen Markt vertreten und feiert 2014 ihr 25-jähriges Jubiläum.

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