Wie man ein Land ausbluten lässt
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Zwangsabgaben und Enteignung rücken auch in Deutschland immer näher. Rund ein halbes Jahr nachdem Boston Consulting nachgerechnet hat, wie viel für die überschuldeten Staaten bei ihren Bürgern denn noch zu holen wäre, legt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nach. In einer vielbeachteten Studie schlagen die Berliner eine Transferunion der etwas anderen Art vor: aus dem privaten Portemonnaie in den klammen Staatssäckel.
Auf den ersten Blick greift das DIW dabei zu einem Klassiker der finanziellen Repression: Zwangsanleihen. Bürger mit einem Vermögen von mehr als 250.000 Euro sollten dem Staat doch bitteschön zehn Prozent ihres Vermögens leihen. Das würde nur acht Prozent der Bevölkerung treffen, aber insgesamt 92 Prozent des deutschen Vermögens. Und es würde 230 Mrd. Euro bringen, das sind neun Prozent des BIP. Das klingt doch alles wie aus dem sozialistischen Schlaraffenland. Die da oben sollen mal richtig zahlen, leisten können sie es sich ja.
Die Vorschläge des DIW schlagen in die gleiche Kerbe wie viele Politiker, die das Kernproblem der Eurokrise nicht verstanden haben und stattdessen auf angeblich wild gewordene Finanzmärkte und gierige Banker einprügeln (die gibt es auch, keine Frage – aber sie sind nicht die Wurzel des Übels).
Transferleistungen alleine, egal ob von oben nach unten oder von Nord nach Süd, werden die Krise nicht lösen. Genauso wenig wie eine übermäßige Verschuldung durch neue Kredite sinnvoll bekämpft werden kann. Letzteres zumindest wissen auch die Autoren des DIW. Deswegen wird ihr Vorschlag umso perfider, je genauer man ihn liest. So heißt es beispielsweise zu den Krediten an den bereits hoch verschuldeten Staat: „Je nach Konsolidierungsfortschritt können die Zwangsanleihen später getilgt oder in Vermögensabgaben oder in andere Reichensteuern überführt werden.“
Das bedeutet: Wenn es dem Staat passt, behält er das Geld seiner Bürger einfach. Schwups, wird aus dem Kredit eine Abgabe. Griechenland hat das zwar auch gemacht, aber wenigstens nur mit Anlegern, die verrückt genug waren, dem Land freiwillig Geld zu leihen.
Richtig böse wird es, wenn sich genauer anschaut, wie das DIW die vermögenden Bürger definiert, die der Zwangsanleihe oder auch Reichensteuer unterliegen sollen. Substanz wird besteuert, nicht Ertrag. Betrachtet wird nämlich das Nettovermögen, also Immobilien, Finanzvermögen sowie Betriebsvermögen abzüglich Verbindlichkeiten. In einer Stadt wie Frankfurt würde also bereits eine abgezahlte Zwei-Zimmer-Wohnung in guter Lage ausreichen, um sich für die Zwangsanleihe zu qualifizieren. Und wer das Geld nicht auf der Bank liegen hat, der kann ja seine Wohnung verkaufen, um das Geld postwendend an den Staat zu überweisen. Da freuen sich die Immobilienmakler. Oder der „Vermögende“ kann seine Wohnung beleihen – die Zinsen sind ja gerade so günstig.
Klar, das sind alles nur Zahlenbeispiele vom DIW. Nirgendwo steht, dass genau diese Vermögensgrenze genommen werden muss. Man könnte auch einen Freibetrag von 500.000 Euro einführen. Oder eine Million – dann wäre in der Uckermark sogar der Großgrundbesitzer befreit. Aber die Gedanken des Wirtschaftsinstituts weisen ganz klar in eine Richtung: Schröpft die Leistungsträger! Und wer weiß: Vielleicht erhöht man ja bei einem höheren Freibetrag auch die Abgabe im Gegenzug auf 20 Prozent? Francois Hollande und die 75-Prozent-Steuer für Einkommensmillionäre lassen grüßen.
Dass die zehn Prozent der einkommensstärksten Deutschen heute schon mehr als die Hälfte der Einkommensteuer bezahlen – geschenkt. Dass der Mittelstand mit Abstand die meisten Jobs in Deutschland schafft – interessiert nicht. Dass Abgaben an den Staat dort landen, wo sie am unwirtschaftlichsten eingesetzt werden und dort fehlen, wo sie produktiv eingesetzt werden könnten – egal.
Vorschläge wie jener des DIW sind die beste Voraussetzung dafür, dass ein Land wirtschaftlich, unternehmerisch und intellektuell ausblutet. Mehr noch: In einer kriselnden Währungsunion mit alternder Bevölkerung würden auch in Deutschland die Erträge aus Zwangsanleihen verdampfen wie ein Tropfen Wasser auf einem heißen Stein.
Dennoch ist zu befürchten, dass die Analyse des DIW schon sehr bald auf offene Ohren bei zumindest einigen der Berliner Parteien stößt – wenn sie nicht sogar von der Politik als Rechtfertigungsgrundlage in Auftrag gegeben wurde. Wer jetzt voraus denkt, dem hilft wahrscheinlich wirklich nur noch wirtschaftliche Selbstverteidigung. Eine im gesunden Sinne egoistische Anpassungsstrategie: Rechtzeitige Internationalisierung der Finanzanlage und die ganz persönliche Prüfung des Themas Auswanderung sind das Gebot der Stunde.
Über den Autor:
Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist aktiver Investor. Für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC berichtete er von der Frankfurter Börse. In seinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ analysiert er die Schuldenkrise und liefert konkrete Ratschläge, wie man sich vor den entstehenden Risiken schützen kann. Sie erreichen Ihn unter www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de
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