Kommentar
08:11 Uhr, 28.03.2013

Die offenen Fragen der Zypern-„Rettung“

Unglaubliche 80 Prozent ihrer Spargelder über einem Betrag von 100.000 Euro sollen Anleger in Zypern verlieren, wenn sie ihr Sparguthaben bei der falschen Bank hatten, der Laiki-Bank. Bei anderen Banken sollen größere Anleger um 40 Prozent erleichtert werden. Dafür werden Guthaben bis 100.000 Euro geschont. Klingt also nach einer sozialen Lösung. Es treffe ja nur "die Reichen", "die Millionäre" oder "die Oligarchen" tönt es selbstzufrieden aus Teilen der Politik. Doch gerade diese Gruppen, auf die die Lösung eigentlich zielt, haben sich offenbar zumindest teilweise via London oder anderer Auslandsstandorte zyprischer Banken in letzter Minute der Rasur entziehen können.

Wer also zahlt wirklich? Glaubt man Kennern des zyprischen Finanzwesens könnte es zu erheblichen Kollateralschäden dieses ach so sozialen Vorgehens kommen. So ist es in Zypern üblich, Immobilienfinanzierungen nach Genehmigung und vor Auszahlung auf einem Sparkonto zu parken. Wer also das Pech hatte, in den vergangenen Tagen oder Wochen eine Immobilie zu kaufen und die passende Hypothek abzuschließen, könnte nun um einen erheblichen Teil des Geldes ärmer sein - Geld, das ihm gar nicht gehört. Auch Unternehmen pflegen ihre Liquidität auf Sparkonten zu parken. Was passiert wenn dort auf einmal die Hälfte oder gar drei Viertel fehlen? Von Mitteln, die eigentlich für die Bezahlung von Mitarbeiterlöhnen gedacht war. Riskiert man Pleiten und Arbeitsplatzverluste? Oder wird es eine Härtefallregelung geben?

Viele Fragen sind noch offen in Zusammenhang mit der "Rettung" von Zypern, die immer mehr Beobachter nur zynisch in Anführungszeichen setzen. Unter anderem: Kommen die angepeilten 7 Milliarden Euro, die die zyprische Sparerenteignung bringen sollte, überhaupt zusammen, wenn viele ausländischen Anleger ihr Vermögen via London rechtzeitig abgezogen haben? Und falls ja: Reichen die 17 Milliarden Euro (einschließlich der ESM-Gelder), um die zyprische Verschuldung wie geplant zu reduzieren.

Alle Erfahrungen mit der Eurokrise lassen nur einen Schluss zu: Sie werden natürlich nicht reichen. Denn die Sparenteignung hat eine stark rezessive Wirkung - erst recht, wenn Unternehmensguthaben ebenso enteignet werden und damit eine Pleiten- und Entlassungswelle ausgelöst wird. Das senkt die Steuereinnahmen des Staates und erhöht die Kosten für Sozialleistungen.

Die willkürliche Enteignung auf Zypern lässt wenig Gutes für die Sparer in Europa erwarten. Eurogruppenchef Dijsselbloem hat viel Kritik für seine Aussage einstecken müssen, dass das Vorgehen auf Zypern eine „Blaupause für andere Länder“ sein könnte. Dabei war das vermutlich nur ein seltener Moment der Aufrichtigkeit. Ansonsten hat die Kaste der Spitzenpolitiker schon längst das verinnerlicht, was Dijsselbloems Vorgänger Jean-Claude Juncker einmal gesagt hat: "Wenn es ernst wird, muss man lügen." In Sachen Eurokrise ist es schon lange verdammt ernst. Und ein Ende ist nicht abzusehen.

Über den Autor:

Roland Klausarbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main. Für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC berichtete er von der Frankfurter Börse. In seinem Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“ analysiert er die Schuldenkrise und liefert konkrete Ratschläge, wie man sich vor den entstehenden Risiken schützen kann. Sie erreichen Ihn unter www.wirtschaftliche-selbstverteidigung.de

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