Fundamentale Nachricht
08:01 Uhr, 06.02.2020
Wie lange wird die Krise durch das Corona-Virus andauern?
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- „Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Auswirkungen des Corona-Virus auf das Wirtschaftswachstum und Finanztitel zu untersuchen. 1.) Eine Möglichkeit sind Ereignisstudien, beispielsweise ein Blick auf das SARS-Virus. 2.) Man kann untersuchen, ob und wie stark die Finanzen anderer Schwellenländer und des Westens durch China „angesteckt“ wurden im Hinblick auf Volatilitätslevel und die Korrelation von Tail-Risks. 3.) Man kann versuchen zu beurteilen, wie viel von der Beeinträchtigung des globalen Wachstums bereits eingepreist ist. 4.) Man kann die politischen Reaktionen in China und im Ausland bewerten. Wie bei der Finanzkrise stellt sich die Frage: Wie sind die Erwartungen? Was wurde wann eingepreist? 5.) Man kann versuchen zu berechnen, wann der Höhepunkt der Krise erreicht sein wird, also der Zeitpunkt, an dem sich die Spezialisten sicher sein können, dass die Krise eingedämmt ist. 6.) Man kann versuchen, die Auswirkungen des allgemeinen „Lärms“ rund um das Virus abzuschätzen. Tatsächlich gibt nur einige wenige Ärzte und Gesundheitsökonomen, die sich auf die Verbreitung von Viren spezialisiert haben, aber viele Kommentatoren.
- Ereignisstudien sehen zwar hübsch aus, helfen aber wenig. Ereignisstudien sind eine interessante Art, Daten zu betrachten – vorausgesetzt man verfügt über 22 Zeitreihen. Andernfalls sind sie wenig aussagefähig. Denn: Bei Virus-Epidemien handelt es sich um extreme exponentielle Ereignisse, nicht um normale. Wir haben einfach nicht genug Zeitreihen. Man kann sich auch mit der antiken Geschichte befassen, um ein besseres Verständnis zu erhalten. Allerdings haben sich die Strukturen der Volkswirtschaften so grundlegend verändert, dass ein Vergleich schwierig ist. Der Schwarze Tod zum Beispiel tötete 75 bis 200 Millionen Menschen. Dies lag aber nicht zuletzt daran, dass die Krankheit missverstanden wurde und die Behörden ihre Städte nur langsam abriegelten.
- Es gibt eine gewisse „Ansteckung“, aber sie hat sich noch nicht wesentlich auf Wachstumswerte ausgebreitet. Der Grad der Ansteckung, die von China auf die Aktien der Schwellenländer ausgeht, ist hoch. Das zeigt der Rückgang des MSCI EM Index um rund 8 %. Wachstumssensitive Währungen wie der Australische Dollar und der Südkoreanische Won stehen ebenfalls unter Druck, wenn auch noch nicht stark. Die gehandelte durchschnittliche Volatilität in Europa und in den Vereinigten Staaten ist nicht auf einem Stressniveau. Wenn wir uns auf jene Wachstumstitel konzentrieren, die in den letzten Monaten die Rallye angeführt haben, dann sind diese zwar etwas unter Druck geraten, allerdings nicht signifikant. Sie sind nicht gemeinsam stark gesunken und weisen auch keine hohe Korrelation auf. Dies bedeutet, dass der Markt entweder das Ausmaß des Schocks durch das Corona-Virus unterschätzt oder ihn als vorübergehend betrachtet. Der Markt hat gelernt, Schocks als Kaufgelegenheiten zu sehen. So weit sind wir aus unserer Sicht jedoch noch nicht.
- Wie viel des Wachstumsschocks ist bereits eingepreist? Etwa zwei Drittel der chinesischen Erwerbstätigen werden diese Woche nicht zur Arbeit gehen, wobei viele von ihnen wohl von zuhause aus arbeiten werden. Viele Fabriken und Geschäfte, wie z.B. Starbucks, sind geschlossen. Wir sind zuletzt davon ausgegangen, dass der Wachstumsschock China etwa 1 bis 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts kosten wird, bei einem wahrscheinlichen angenommenen Wachstum von 4,7 % (gemäß offiziellen Angaben von Dezember: 6 %). Während die US-Wirtschaft nicht stark vom Export nach China abhängt, erwirtschaften Wachstumsunternehmen einen bedeutenden Prozentsatz ihrer Einnahmen in den Schwellenländern, insbesondere in China. Darüber hinaus sind sie stark von chinesischen Importen abhängig, einschließlich der Produktion der Foxconn-Fabriken, die Apple beliefern. Ein Blick auf die Wachstumstitel lässt stark vermuten, dass die Krise noch nicht eingepreist ist. Generell kann es nicht sein, dass Growth-Titel insgesamt (gemessen am MSCI World Growth) nur leicht unter Druck stehen. Einzelne Unternehmen aus dem Growth-Segment hingegen, wie beispielsweise Google, können sich durchaus sehr gut entwickeln. Aus unserer Sicht spricht das für eine aktive Titelauswahl.
- Regierungen, insbesondere in China, reagieren auf den Schock mit geld- und finanzpolitischen Maßnahmen. So veranlasste die chinesische Regierung beispielsweise Geldspritzen und gezielte Zinssenkungen in Wuhan. Wie schon bei der Finanzkrise ist es jedoch ein Problem, dass die Politik, weil sie keine Risiken eingehen will, stark verzögert handelt. Zudem sind Aktivitäten durch die Ausgangssperre sehr eingeschränkt. Immerhin verringern die staatlichen Maßnahmen das Risiko einer Kreditkrise – ein Vorteil einer gelenkten Wirtschaft. Die Bilanzen der Banken insgesamt werden jedoch stärker durch Kredite belastet, die an der Grenze stehen, notleidend zu werden. Dadurch wird sich ein größerer Teil ihrer Kreditvergabe auf staatliche Betriebsgesellschaften verlagern, was die allgemeine Wirtschaftstätigkeit beeinträchtigen dürfte. Schwellenländer und andere Länder, die in China investiert sind, werden wahrscheinlich ihre Geldpolitik lockern, was die Manager von Schwellenländer-Portfolios freuen wird. Letztlich wird Chinas Fiskalpolitik einspringen müssen, und hier gibt es auch einen entsprechenden Spielraum. Viele Beobachter mögen mit Blick auf Europa einwenden, dass geldpolitische Maßnahmen unwirksam seien. Dieser Einwand hat sich jedoch immer wieder als falsch erwiesen. Unserer Einschätzung nach könnte sich der Schock durch das Corona-Virus in China noch weitere zwei bis vier Quartale lang ausbreiten. Gleiches gilt, wenn auch in deutlich abgeschwächter Form, für weitere Schwellenländer, Deutschland, Australien, Südkorea, Singapur und Neuseeland.
- Fragen zu den Daten über den Virus. Nachdem eine Lancet-Studie aufgrund fehlender Daten zu keinem abschließenden Urteil kam, liegt die Datenhoheit bei der Epidemiologie-Abteilung des Center for Disease Control in den USA. Dort scheint Unklarheit darüber zu bestehen, ob die Angaben Chinas zur Zahl der betroffenen Personen vollständig ist oder nicht, weshalb die auf der Basis dieser Daten erstellte Verlaufskurve der Krankheit nicht ganz zuverlässig ist. Dass Hongkong seine Grenzen geschlossen hat, scheint die Vermutung zu unterstützen, dass die Datenlage unvollständig ist. Zudem gibt es Belege, dass die Regierung in Wuhan sehr langsam auf die sich anbahnende Krise reagiert hat. So schlussfolgern einige Beobachter, dass die Dynamik der Epidemie wahrscheinlich größer ist, als es vorliegende Daten vermuten lassen.
- „Lärm“ kann Auswirkungen haben. Fakten spielen in die Art der Darstellung hinein, die manchmal durch Bilanzüberlegungen motiviert ist. Die Folge sind Markteinschätzungen, die entweder drohendes Unheil vorhersagen oder aber günstige Kaufgelegenheit ankünden. Bisher hatten die Schwarzseher eine schwere Zeit, da es äußerst schwierig ist, vorherzusagen, wann ein liquiditätsgetriebener Carry-Trade seinen Zenit erreicht hat. Während die Wirtschaftsdaten eintrudeln und auch die Gewinnmeldungen, gehen wir aber davon aus, dass ihre Zeit noch kommen wird. Wir vermuten, dass der anhaltende wirtschaftliche Schock dazu führt, dass sich die Aktienmärkte weitere zwei bis vier Wochen seitwärts bewegen bzw. unter Druck stehen werden. Wir raten weiterhin zu erheblicher Vorsicht an den Märkten. Der Kunst ist, zu wissen, wann sich das Blatt wenden wird.
Fazit:
Wir raten weiterhin zur Vorsicht und empfehlen ein diversifiziertes Portfolio. Dazu gehören aus unserer Sicht Pfandbriefe ebenso wie Aktien börsennotierter Immobilien- und Infrastrukturunternehmen.“
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