Kommentar
10:05 Uhr, 30.04.2018

Werden die Zinsen nie wieder steigen?

EZB-Präsident Mario Draghi steht vor einem großen Dilemma: Ausgerechnet jetzt, wo die lockere Geldpolitik eigentlich wieder zurückgefahren werden soll, droht der nächste Konjunkturabsturz. Werden Nullzinsen in Europa zum Dauerzustand?

Dass sich EZB-Präsident Mario Draghi nicht sehr wohl fühlt, konnte man ihm bei der Pressekonferenz zum EZB-Zinsentscheid in der vergangenen Woche stellenweise sehr deutlich ansehen. Betrachtet man das Dilemma, auf das sich die Währungshüter in der Eurozone zubewegen, ist die schlechte Stimmung durchaus verständlich.

Denn ausgerechnet jetzt, wo der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik auch in der Eurozone konkreter werden sollte, könnten eben die Voraussetzungen für eine Ende der Orgien des billigen Geldes wegbrechen.

Die Anleihekäufe der EZB sollen noch bis mindestens September gehen, und ab dem kommenden Jahr hätten dann eigentlich die Leitzinsen auch in der Eurozone wieder steigen können, so die Erwartung vieler Marktteilnehmer. Eigentlich höchste Zeit, dass die EZB eine Ausstiegsstrategie erarbeitet und den Markt darauf vorbereitet, wie die Geldpolitik in den kommenden Jahren aussehen soll. Doch die EZB rührt vorerst keinen Finger und hat bei der Ratssitzung in der vergangenen Woche nicht einmal über eine Änderung der Geldpolitik gesprochen, wie Draghi sagte.

Das Zögern der EZB ist verständlich. Denn während Draghi in der Vergangenheit am Liebsten auf die Erfolge der lockeren Geldpolitik verwies, holt ihn nun die Realität ein: Die Konjunktur in der Eurozone hat sich seit Jahresbeginn rapide eingetrübt. Draghi macht keinen Hehl daraus, dass man deswegen "besorgt" sei und die Entwicklung genau beobachte. Die Eintrübung betrifft praktisch alle Länder der Eurozone und alle wirtschaftlichen Sektoren, wie Draghi feststellte.

Auch der deutschen Konjunktur könnte ein Absturz bevorstehen, wenn man einen Blick auf das ifo-Geschäftsklima wirft. Im April gab der wichtigste Stimmungsindikator der deutschen Wirtschaft bereits den fünften Monat in Folge nach. Ein Blick auf den längerfristigen Verlauf zeigt sehr deutlich, dass der jahrelange Aufschwung wohl zu Ende sein dürfte.

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ifo Institut

Mithilfe eines mathematischen Modells lässt sich aus dem ifo-Geschäftsklima eine Wahrscheinlichkeit errechnen, dass die deutsche Wirtschaft im jeweiligen Monat gewachsen ist. Das Ergebnis: Zum ersten Mal seit zwei Jahren dürfte die deutsche Wirtschaft im März und April 2018 nicht mehr gewachsen sein.

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ifo Institut

Die EZB steht vor einem großen Dilemma. Ausgerechnet jetzt, wo der Markt eigentlich eine Ausstiegsstrategie aus der ultralockeren Geldpolitik erwartet, droht der Wirtschaft in Europa die Puste auszugehen.

Zwar ist die EZB gut beraten, ihre Geldpolitik nicht von einzelnen monatlichen Datenpunkten abhängig zu machen, sondern sich auf die mittel- bis langfristige Entwicklung zu konzentrieren. Trotzdem könnte es sein, dass die EZB den idealen Zeitpunkt für das Ende der ultralockeren Geldpolitik bereits verpasst hat und die nächste Krise vor der Haustüre steht. Würde ausgerechnet dann auch noch die ultralockere Geldpolitik zurückgefahren, könnte ein Crash epochaler Ausmaße drohen – zumal die zugrundeliegenden Schwächen Europas wie mangelnde Wettbewerbsfähigkeit und hohe Verschuldung in den vergangenen Jahren nicht oder nur sehr unzureichend bekämpft wurden. Man möchte derzeit nicht in der Haut von EZB-Präsident Mario Draghi stecken.

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10 Kommentare

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  • rosarot
    rosarot

    so sieht das aus wenn draghi mit dem Euro shoppen geht ;)

    um die Buchgewinne großer Banken zu retten, weil sonst Pleite und Fiatsystem Tod

    .

    19:17 Uhr, 30.04. 2018
  • rosarot
    rosarot

    Gold wird keine Chance haben gegen einen steigenden Dollar, denn Gold wird immer und nur in Dollar gehandelt..

    und dieser steigt denn Draghi versenkt den Euro.

    Der Yen ist klar was sie machen, China ebenfalls... bleibt ein steigender Dollar und alles anderen Fiats fallen

    .

    18:30 Uhr, 30.04. 2018
  • rosarot
    rosarot

    Euro LONG strong down.. Crash voraus

    .

    DOW strong down im Tagesverlauf
    BTC zieht an!? Sogar das liebe Gold, nur wenn Draghi die Assets der großen Banken retten möchte damit den Buchwert (weil sonst Pleite) muss er den Euro charmlos versenken! Und das wird er tun.

    .

    Euro long 6 Monate

    18:28 Uhr, 30.04. 2018
  • hochdietassen
    hochdietassen

    Na - und wie sieht die "Lösung" denn nun aus ? Richtig: Nullzins forever...

    12:53 Uhr, 30.04. 2018
  • einfach
    einfach

    warum sollte der draghi traurig sein das die ezb noch nicht in den zins erhöhungs modus schalten kann?

    hat sich irgend etwas an der euro verschuldungs situation geändert, sind etwa ohne dass es irgend jemand gemerkt hat die staatsschulden der euro zone gesunken?

    nein!

    also gibt es solange die staasschulden in europa nicht sinken überhaupt keinen anlass die null zins phase zu beenden.

    an alle die sich nicht darüber freuen können dass die zinsen so niedrig sind weil sie dadurch keine nennenswerten zinseinnahmen mehr haben, investiert euer kapital in gewinnbringende geschäfte, es gibt genug investitionsmöglichkeiten.

    10:52 Uhr, 30.04. 2018
  • rosarot
    10:41 Uhr, 30.04. 2018
  • rosarot
    rosarot

    auch mal hier in den kommentare lesen post das hier nicht noch einmal

    10:41 Uhr, 30.04. 2018
  • rosarot
    rosarot

    wenn das Schuldsystem die Zinsen anzieht kollabiert das Konsumsystem... google USA reihen weise Kredite platzen

    10:38 Uhr, 30.04. 2018
  • netzadler
    netzadler

    wer das nicht voraussehen konnte, ist einfach nur blöd.

    in demokratischen Gesellschaften ohne ausreichend diktatorische Tendenzen oder Zensur ist der mensch nur bis zu einer gewissen grenze manipulierbar. manche glauben jeden Schwachsinn, den man ihnen erzählt, andere sind dagegen überhaupt nicht manipulierbar und entziehen sich dem ganzen. ein systemischer Ansatz von Herrn draghi funktioniert bei so viel Heterogenität nicht, das weiss er hoffentlich selbst, kann es nur nicht offen sagen.

    es gibt keine schmerzfreie lösung des schuldenproblems.

    wenn man an den Kapitalismus wirklich glaubt, muss man dem markt auch die Chance zur selbstreparatur zustehen. schafft er es nicht, hat Marx recht.

    das, was Politik und Zentralbanken abziehen, ist dumm oder frech oder beides. verkaufen den bürgern ewig wachsenden materiellen Wohlstand, ohne zu fragen, wer den überhaupt haben will. möglicherweise erhalten werte wie Gemeinschaft und vertrauen mehr Zustimmung.

    10:30 Uhr, 30.04. 2018
  • forstpw
    forstpw

    Da die ECB ohnehin nicht weiß was sie tut, macht der eventuelle Abschwung auch nichts. So wie am Anfang der Finanzkrise noch die Zinsen erhöht wurden (um dann schnell gesenkt zu werden), wird es jetzt auch im wirtschaftlichen Abschwung Erhöhungen geben! Gut gemacht ECB!!!

    10:19 Uhr, 30.04. 2018

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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