Kommentar
17:14 Uhr, 03.05.2016

Wer behält recht - der Markt oder die Fed?

Fed und Markt operieren gegenwärtig in zwei verschiedenen Realitäten. Während die Fed im laufenden Jahr mit zwei Zinsanhebungen rechnet, wird am Markt maximal ein Hike (wenn überhaupt) gehandelt. Für Ende 2017 klaffen die Erwartungen noch dramatischer auseinander.

Die Fed hält einen Leitzins von 1,9 % für möglich, während die Futures-Märkte lediglich 0,75 % (?) prognostizieren.

Eine der beteiligten Parteien wird für ihre Vorhersage zahlen müssen, denn es steht viel Glaubwürdigkeit beziehungsweise Geld auf dem Spiel, und möglicherweise liegen sogar beide falsch..

2017: Amerika brummt, der Nahe Osten brennt, die Ölproduktion sinkt, die Inflation steigt und liegt Anfang des Jahres schon 50 Basispunkte über der Fed-Prognose von 1,8 %. Was wäre in diesem hypothetischen Fall die Reaktion der amerikanischen Notenbank?

Janet Yellen hat vor vier Jahren eine Rede gehalten, in welcher sie unter anderem betonte, dass sie die Taylor Rule für einen nützlichen Benchmark zur Standortbestimmung in der Geldpolitik hält.

Über die von John Taylor ermittelte Formel ist es möglich, die Zinspolitik von Notenbanken nachzuzeichnen und grob zu ermitteln, wo der optimale Leitzins stehen sollte. Die Taylor Rule hat viele Schwachstellen, wurde oft kritisiert, ist am Zero Lower Bound (wo wir aktuell sind) wenig aussagekräftig, liefert aber eine nützliche Daumenregel die besagt, dass für jeden Prozentpunkt, den die Inflation überschießt, der Leitzins um das 1,5-fache angehoben werden sollte.

Im Ausgangsszenario (Inflation 50 Basispunkte über dem Zielwert von 1,8 %) würde dies bedeuten, dass Yellen die Federal Funds Rate im nächsten Jahr um 0,75 % über den bevorzugten Satz von 1,9 % hinaus anheben müsste.

Ein Zins von 2,65 % wäre nur über 6-8 Zinschritte erreichbar und würde bedeuten, dass vor allem das kurze Ende der Zinskurve eine dramatische Schieflage kontern müsste.

Für die Finanzmärkte wäre in derartiger Ruck natürlich eine Riesenkatastrophe und die Zinskurve würde sich nicht zuletzt aufgrund der momentan prekären Angebotssituation am langen Ende möglicherweise sogar invertieren.

Würde die Fed also wirklich so eiskalt handeln?

Janet Yellen hat in der Vergangenheit öfter vor einer zu mechanischen Geldpolitik gewarnt und würde sich wahrscheinlich hüten. Trotzdem illustriert das Beispiel, warum es für die Fed so unheimlich wichtig ist, auf ihrem Pfad voranzuschreiten, um nicht irgendwann eingeboxt zu werden.

Von diesem Hintergrund aus betrachtet, kann man die gegenwärtige Rechnung der Märkte nur als fahrlässig bezeichnen, oder?

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Am Ende wird wie eigentlich immer, Mr. Market recht behalten. Die FED sitzt in der Falle, genauso wie die EZB und die BoJ. Die Wahrscheinlichkeit das Mrs. Yellen im lfd. Jahr noch einen Zinsschritt verkündet, dürfte eher als gering eingeschätzt werden. Zu schwach ist die Konjunktur in den USA und wer sägt sich schon freiwillig den Ast ab auf dem er sitzt? Hinzu kommen Probleme in Japan, China und nicht zuletzt in der EU.

    Die Finanzmärkte senden unzweideutig Signale aus, die den Damen und Herren Notenbankern die gute Laune vermiesen dürften. Auch das nicht zinstragende gelbe Metall, für die einen ein urzeitliches Relikt, für JP Morgan das einzige echte Geld hat zu seiner Funktion als Save Haven und Fieberthermometer für das Geldsystem zurückgefunden. Gold wird auch gerne mit dem Kanarienvogel in der Kohlengrube verglichen, inzwischen beginnt er unüberhörbar zu zwitschern. Sollte uns das zu denken geben?

    20:18 Uhr, 03.05.2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

Mehr Experten