Fundamentale Nachricht
17:27 Uhr, 27.07.2023

"Weiche" Landung der US-Konjunktur am wahrscheinlichsten

Der BRICS-Gipfel in Südafrika Ende August wirft laut Raiffeisen-Emerging-Markets-Expertin Angelika Millendorfer seine Schatten voraus. Auf diesem sollen die wirtschaftliche Gegenbewegung gegen die von den USA und vom Westen dominierte Weltwirtschaftsordnung und der Aufbruch des „globalen Südens“ Gestalt annehmen.

Globaler Überblick: Das erste Halbjahr endete mit kräftigen Kursanstiegen auf den Aktienmärkten. Internationale Investor:innen ließen weiter Kapital in Aktien fließen, nach wie vor in erster Linie nach Asien. Emerging-Markets-Anleihen hingegen verzeichnen weiterhin leichte Netto-Abflüsse.

Für eine deutliche Mehrheit der institutionellen Marktakteure ist eine „weiche Landung“ der US-Konjunktur das wahrscheinlichste Szenario, verbunden mit der Erwartung wieder anziehender Unternehmensgewinne. Die produzierenden Bereiche der Weltwirtschaft schwächen sich unterdessen weiterhin ab, auch wenn hier demnächst eine Bodenbildung erfolgen könnte. Die großen westlichen Notenbanken sind zugleich noch immer mit geldpolitischen Straffungen beschäftigt, weil die in diesen Ländern dominierenden Dienstleistungssektoren weiterhin Lohn- und Preisdruck nach oben verspüren. Dieser Mix ist für zyklische Branchen und allgemein für Risiko-Assets nicht förderlich, trotz der aktuell sehr positiven Kursbewegungen.

Jenseits dessen wirft der BRICS-Gipfel in Südafrika Ende August seine Schatten voraus. Auf diesem sollen die wirtschaftliche Gegenbewegung gegen die von den USA und vom Westen dominierte Weltwirtschaftsordnung und der Aufbruch des „globalen Südens“ Gestalt annehmen. Mehr als 20 Staaten haben inzwischen den Beitritt zu den BRICS beantragt (u.a. Iran, Ägypten, Algerien, Argentinien und Saudi Arabien). Vertreter von mehr als 30 Ländern werden als Teilnehmer zum BRICS-Gipfel Ende August in Südafrika erwartet.


China
: Das Wachstum im zweiten Quartal enttäuschte und die Jugendarbeitslosigkeit erreicht einen neuen Höchststand. Peking will daher private Unternehmen stärken. Dazu verabschiedete das Zentralkomitee der KP einen 31-Punkte-Plan mit anvisierten Maßnahmen wie vereinheitlichte Regulierungen, Entbürokratisierung, weniger Willkür bei Behördenentscheidungen und sogar erweiterte Mitsprache in politischen Gremien.

Indien: Die Inflation geht weiter zurück und die Industrieproduktion überrascht nach oben. Legt man Kaufkraftparitäten zugrunde, so liegt das Land weltweit bereits auf Platz drei – freilich mit enormem Abstand zum führenden China und den USA. Die USA versuchen jetzt verstärkt das aufstrebende Indien an sich zu binden und als Verbündeten gegen Russland und China zu gewinnen. Auch in das Getriebe der BRICS-Staaten möchte man auf diese Weise Sand streuen. Dennoch wird man in Neu-Delhi auch künftig gute Beziehungen sowohl zu Russland als auch zum Westen pflegen und sich keiner Seite als Juniorpartner andienen.

Brasilien: Brasiliens Wirtschaftsleistung expandierte im ersten Quartal erheblich stärker als erwartet, vor allem dank der Landwirtschaft. Zugleich enttäuschte allerdings die Industrieproduktion. Der Arbeitsmarkt entwickelte sich recht positiv, ebenso die Stimmungsindikatoren in der Volkswirtschaft. Die Inflation geht unterdessen weiter zurück, sie liegt aber noch immer über dem Zielwert der Notenbank.

Russland: Die Notenbank hob Mitte Juli die Zinsen überraschend kräftig an. Die Inflationsrisiken hätten sich markant erhöht, hieß es zur Begründung. Die Nachfrage im Inland liege über den verfügbaren Produktionskapazitäten, vor allem aufgrund eines unzureichenden Angebots an Arbeitskräften.

Türkei: Der wiedergewählte türkische Präsident hat ein Wirtschaftsteam nominiert, das die Märkte mögen dürften. Sowohl die neue Notenbankchefin als auch der neue Finanzminister bedeuten nichts weniger als eine Abkehr vom bisherigen Kurs Erdogans. Einschränkend ist anzumerken, dass der türkische Präsident letztlich weiterhin das letzte Wort bei allen etwaigen Entscheidungen hat. Die neue Notenbankchefin hob sofort die Zinsen kräftig an, in markantem Kontrast zu ihrem Vorgänger.

CE3 (Polen, Tschechien, Ungarn): Trotz eines kräftigen Anstiegs gegenüber dem ersten Quartal stagnierte die polnische Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr. Die Inflation ist unterdessen rückläufig und die Spekulationen verdichten sich über schnellere Zinssenkungen der Notenbank als bislang erwartet. Unterdessen scheint der Ausgang der im Herbst anstehenden Parlamentswahl völlig offen.

In Tschechien ist die Notenbank im Dilemma und ließ die Zinsen trotz Spekulationen über eine Anhebung unverändert. So befindet sich die Wirtschaft in einem Abschwung und die Inflationsrate geht zügig zurück. Zugleich ist der Arbeitsmarkt aber weiterhin gut ausgelastet und der Aufwärtsdruck bei den Löhnen hält an.

Die Notenbank in Ungarn wiederum hat die Leizinsen neuerlich gesenkt, um einen vollen Prozentpunkt. Erwartet wird, dass die Teuerung zum Jahresende unter 10 % fällt, was angesichts von Lohnsteigerungen von derzeit 13 bis 15 % durchaus ein sehr optimistisches Szenario darstellt.

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