Kommentar
13:48 Uhr, 07.06.2017

Was macht Draghi morgen?

Der Druck auf die EZB aus so manchem Euroland wächst, endlich das Ende von QE einzuläuten. Reagiert Draghi darauf bereits diese Woche?

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Die Wirtschaftsdaten waren zuletzt sehr ermunternd. Die Arbeitslosigkeit ist in der Eurozone so niedrig wie seit 2009 nicht mehr. Das Wachstum ist robust und hat jenes der USA überholt. Zudem hat sich auch die Inflation von ihren Tiefs gelöst. Die Deflation scheint überwunden zu sein.

Nicht zuletzt aus diesen Gründen wächst der Druck aus Deutschland und den Niederlanden wieder einmal auf die EZB ihre Geldpolitik zu ändern. Draghi hält sich allerdings bedeckt. Er belässt es bei der üblichen Analyse: es ist zu früh, um Entwarnung zu geben.

Vor wenigen Monaten hätte man ihn dafür müde belächelt. Die Inflationsrate schien durch die Decke zu gehen. Jetzt sinkt die Inflation wieder und erreichte im Mai 1,4 %. Damit hat sich die Teuerungsrate wieder deutlich von der Zielmarke von 2 % entfernt.

Grafik 1 zeigt die Teuerungsrate und die Arbeitslosenquote. Die höhere Inflationsrate scheint nur ein Strohfeuer gewesen zu sein – Ölpreis sei Dank. Die Arbeitslosenquote ist zwar so niedrig wie seit vielen Jahren nicht mehr, doch immer noch so hoch wie in den Rezessionszeiten 2003. Bis es wieder in Richtung von 7 % geht, dauert es bei derzeitigem Tempo noch zwei bis drei Jahre. Keine Eile also.

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Die EZB darf laut Mandat zwar keine Arbeitsmarktpolitik betreiben und sich nur auf die Preisstabilität konzentrieren, doch der Rückgang der Inflation im Mai stärkt ihr nun wieder den Rücken. Ebenso kann man argumentieren: wenn der Arbeitsmarkt nicht läuft, ist auch die Preisstabilität nicht garantiert.

Die EZB hat angeblich einen allfälligen QE Ausstieg noch gar nicht diskutiert. Daher wäre es wohl verfrüht beim nächsten Zinsentscheid in wenigen Tagen schon ein Ende von QE anzukündigen. Will die EZB jedoch bis Anfang 2018 aussteigen, muss sie so langsam Fakten schaffen.

Theoretisch muss sie sich nicht beeilen. Die US-Notenbank wird ihr Tempo wohl drosseln, weil sich der Arbeitsmarkt abkühlt. Würde die EZB unter diesen Umständen straffen, würgte das die Wirtschaft in vielen Ländern ab. Der Euro hat bereits eine kleine Rally hinter sich. Kurse von 1,20 oder gar 1,30 zum Dollar kann die EZB nicht gebrauchen.

Ebenso sitzt die EZB erst auf ca. 14 % der Staatsschulden der Eurozone (Grafik 2). Sie hat noch viel Spielraum. Wenn sie will, kann sie QE auch noch jahrelang weiterlaufen lassen – theoretisch.

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Grafik 3 zeigt die Verschuldung der einzelnen Euroländer und die von der EZB gehaltenen Staatsschulden. Schon jetzt besitzt sie mehr Schulden als ein Land (Estland) an Verschuldung ausweist. Wie das geht, darf man sich schon fragen.

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Ginge QE noch bis Ende des Jahrzehnts, müsste die EZB von einigen Ländern mehr Schulden halten als diese überhaupt haben. Ebenso braucht der Markt einen gewissen Anteil frei handelbarer Schuldscheine, um überhaupt funktionieren zu können.

Die wirtschaftliche Erholung kam Anfang 2017 in Fahrt. Ob das nachhaltig ist, muss man abwarten. Genau das tut die EZB auch, abwarten. Unbegrenzt Zeit hat sie allerdings nicht mehr, um QE zu drosseln. Man kann davon ausgehen, dass der Aufschwung nicht mehr sehr viel besser wird. Stimmungsindikatoren trüben sich schon wieder in einigen Ländern ein. Hochkonjunktur ist jetzt. Verpasst die EZB nun den Absprung, wird sie ihn vermutlich gar nicht mehr schaffen. Trotzdem – so wie wir Draghi kennen – wird er stoische Ruhe bewahren und alles so belassen wie es ist.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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