Kommentar
11:03 Uhr, 25.11.2021

Was bringt die Aktienrente?

Die Ampelkoalition will die gesetzliche Rentenversicherung um eine kapitalgedeckte Komponente ergänzen. Das ist längst überfällig, wie eine einfache Modellrechnung zeigt.

Die sogenannte Aktienrente war ein Wahlkampfthema der FDP. Sie sieht vor, dass ein kleiner Teil der monatlichen Rentenbeiträge der Arbeitnehmer langfristig an den Kapitalmärkten investiert wird.

Bisher funktioniert das deutschen Rentensystem vereinfacht gesprochen so: Was die heutigen Arbeitnehmer einzahlen, wird an die aktuellen Rentenbezieher ausgezahlt. Wegen des demografischen Wandels ist ein solches umlagefinanziertes System nicht wirklich zukunftsfest. Steigt etwa die Zahl der Rentenbezieher an, während immer weniger Menschen in das Rentensystem einzahlen, so muss der einzelne Beitragszahler einen immer höheren Betrag schultern, nur um das Rentenniveau stabil zu halten.

Das Gegenmodell zur umlagefinanzierten Rente ist eine kapitalgedeckte Rente. Hier werden die eingezahlten Beiträge nicht an die aktuellen Rentenempfänger ausbezahlt, sondern sie werden langfristig an den Kapitalmärkten (also zum Beispiel in Aktien und Anleihen) angelegt und gelangen erst dann zur Auszahlung, wenn der jeweilige Beitragszahler selbst zum Rentenempfänger wird.

Bereits seit Jahrzehnten wird immer wieder diskutiert, ob das gesetzliche Rentensystem nicht um eine solche kapitalgedeckte Komponente ergänzt werden sollte. Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP will jetzt Schritte in diese Richtung unternehmen:

  • Zunächst soll im Jahr 2022 die gesetzliche Rentenversicherung einen Beitrag von 10 Milliarden Euro erhalten, den sie an den Kapitalmärkten anlegt.
  • Außerdem soll die Rentenversicherung das Recht erhalten, ihre Reserven an den Kapitalmärkten anzulegen.

Später könnte dann noch das hinzukommen, was die FDP eigentlich geplant hatte:

  • Ein kleiner Teil der monatlichen Rentenbeiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber fließt nicht mehr in die umlagefinanzierte Rente, sondern in den kapitalgedeckten Teil. Im FDP-Konzept sollen zwei Prozent des Bruttolohns in die Aktienrente fließen.

Der kapitalgeckte Teil der Rente "soll als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet werden und global anlegen", heißt es im Koalitionsvertrag. "Der kapitalgedeckte Teil der gesetzlichen Rente muss für das Kollektiv der Beitragszahler dauerhaft eigentumsgeschützt sein."

Vorbild für die FDP-Pläne war das schwedische Modell der Altersvorsorge. Dort zahlen Arbeitnehmer 16 Prozent ihres Bruttogehalts in die klassische umlagefinanzierte Rentenversicherung ein, während weitere 2,5 Prozent automatisch und verpflichtend am Kapitalmarkt angelegt werden. In Schweden existiert dabei ein Wahlmodell: Standardmäßig fließt das Geld in einen staatlich verwalteten Fonds, so ähnlich wie das jetzt auch in Deutschland geplant ist. Es gibt in Schweden aber auch die Möglichkeit, das Geld in einen von mehreren hundert privaten Fonds zu investieren.

Der staatliche schwedische Fonds hat seit seinem Bestehen eine Rendite von 11 Prozent pro Jahr erzielt. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass dauerhaft eine solche Rendite erzielt werden kann. Realistischer erscheint die Rendite des norwegischen Staatsfonds, der seit dem Jahr 1998 eine (geometrische) Rendite von 6,6 Prozent pro Jahr erzielt hat, was ungefähr der langfristigen Performance der Aktienmärkte entspricht.

Wie wirkungsvoll eine kapitalgedeckte Altersvorsorge sein kann, zeigt das folgende Rechenbeispiel: Der durchschnittliche Monatsverdienst (brutto) von Vollzeitarbeitnehmern in Deutschland im Jahr 2020 lag bei 3.975 Euro. Nimmt man an, dass künftig zwei Prozent des Bruttoverdienstes in den kapitalgedeckten Teil der Rente fließen, so entspricht dies 79,50 Euro pro Monat bzw. 954 Euro pro Jahr.

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Bei einem Einzahlungszeitraum von 40 Jahren würde dies Einzahlungen in den kapitalgedeckten Teil der Rente von insgesamt 38.160 Euro entsprechen. Unterstellt man eine jährlich konstante Rendite von 6,6 Prozent der eingezahlten Beträge, wächst der Kapitalstock bis zum Ende der Einzahlphase auf mehr als 170.000 Euro an, wobei sich mit der Zeit auch der Zinseszinseffekt stark bemerkbar macht. (Das Modell ist stark vereinfacht. So wurden weder Inflation noch steigende Gehälter berücksichtigt, außerdem wurde ein über den Erwerbszeitraum konstantes Gehalt unterstellt, was ebenfalls unrealistisch ist.) In der Realität beträgt die Rendite nicht konstant 6,6 Prozent, sondern hängt von der Entwicklung der Kapitalmärkte ab. Je länger allerdings der betrachtete Zeitraum ist, desto weniger spielen die kurzfristigen Kursschwankungen eine Rolle. Bei einem Zeitraum von 40 Jahren könnte eine konstante Rendite von 6,6 Prozent eine gute Näherung für die tatsächlich zu erwartende Rendite sein.

Noch völlig unklar ist, wie sich aus dem angesparten Kapitalstock später tatsächlich ein Rentenanspruch ergibt. Nimmt man an, dass in der Auszahlphase vornehmlich Anleihen gehalten werden und deshalb die jährliche Rendite in der Auszahlphase auf zwei Prozent pro Jahr sinkt, entspricht der in 40 Jahren angesparte Kapitalstock ungefähr einer monatlichen Rente von 868 Euro, wenn man annimmt, dass die Rente konstant ist und so bemessen ist, dass der Kapitalstock in 20 Jahren komplett aufgebraucht wird.

Fazit: Durch die Erweiterung der gesetzlichen Rentenversicherung um einen kapitalgedeckten Teil unternimmt die Ampelkoalition einen lange überfälligen Schritt. Die Aktienrente sorgt dafür, dass alle Arbeitnehmer vom langfristigen Wertzuwachs an den Aktienmärkten profitieren und zu "Miteigentümern" des Produktivkapitals werden. Da in den vergangenen Jahrzehnten die Unternehmensgewinne deutlich stärker gestiegen sind als die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer, sorgt die Aktienrente für mehr Gerechtigkeit, weil dadurch Arbeitnehmer indirekt ebenfalls von steigenden Unternehmenswerten profitieren. Allerdings sind viele Details noch unklar. Auch davon wird abhängen, welchen Mehrwert die Aktienrente den Arbeitnehmern tatsächlich bietet.


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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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