Kommentar
08:40 Uhr, 22.08.2019

Warum Strafzinsen an Überschussreserven fast nichts ändern und Banken schaden

Die EZB erhebt derzeit 0,4% negative Einlagezinsen auf Guthaben, die Geschäftsbanken bei ihr unterhalten. Ab September könnten es noch mehr werden.

Überschussreserven entstehen dann, wenn Banken mehr Zentralbankgeld halten, als sie für ihre Mindestreseverpflichtungen benötigen. Aktuell beträgt der Mindestreservesatz 1 %
In (guten) alten Zeiten lagen die Überschussreserven immer sehr niedrig. Banken versuchten, die niedrig verzinsten Reserven an andere Banken auszuleihen und vermieden es, überschüssiges Zentralbankgeld zu halten.

Durch allerlei Änderungen der Zentralbankpolitik schwimmen heute die meisten Banken geradezu in Zentralbankgeld (sieht man von Banken aus den Krisenländern, besonders Griechenland und Italien, ab).

Mit dem negativen Einlagezinssatz will die EZB Banken zu mehr Kreditvergabe animieren.

Die Logik dahinter klingt zunächst einleuchtend:

Eine Bank A vergibt einen Kredit. Der Kreditnehmer überweist das Geld auf das Konto einer anderen Bank B. Bank A verliert dadurch Zentralbankgeld und verfügt damit über weniger strafzinsbelastetes Guthaben.

Aber Bank B “gewinnt” Zentralbankgeld. Sieht man von den 1 % zusätzlichem Mindestreservesoll ab, das bei Bank A durch die Kreditvergabe entstanden ist, dann verändert sich die Überschussreserve bei der Zentralbank auf Systemebene nicht.

Warum verschärft ein weiteres QE die Lage?

Möglicherweise kauft die EZB schon bald erneut Anleihen am Markt auf, unter anderem auch direkt von Geschäftsbanken. Diese erhalten dann wiederum Zentralbankguthaben. Die Überschussreserven erhöhen sich weiter. Auch wenn die Geschäftsbank C dann mit dem neuen Zentralbankgeld z.B. dem Marktteilnehmer D Aktien abkauft, dann wandert das Zentralbankgeld zur Bank von D.

Die “heiße Kartoffel” Zentralbankgeld, die in so einer Situation eigentlich niemand haben will, kann also nur weitergereicht werden. An der Gesamtsituation der hohen Überschussreserven wird sich nichts ändern. Um 1 Mrd. Euro Überschussreserve auf Systemebene, also über alle Banken hinweg, tatsächlich zu “vernichten”, müssten beim derzeitigen Mindestreservesatz von 1 % 100 Mrd. EUR neue Kredite generiert werden.

Durch QE wurden in der Eurozone bis Ende Dezember 2018 über 2,6 Bio. EUR neues Zentralbankgeld geschaffen. Ein großer Teil davon findet sich in der Zentralbankbilanz als Überschussreserve wieder, von den Banken derzeit zu verzinsen mit 0,4 %. Das entspricht einer Belastung von immerhin gut 7,5 Mrd. EUR / Jahr. In einer Zeit, in der die europäischen Banken ohnehin Schwierigkeiten haben, noch Geld zu verdienen, nicht akzeptabel.Dadurch wird nur die ohnehin eher schwache Eigenkapitalbasis weiter angegriffen. Genug Eigenkapital ist aber die Basis für die Kreditvergabe.

Negativzinsen sind ein großer Irrweg der aktuellen Zentralbankpolitik.

Werden die Strafzinsen noch weiter erhöht, werden die Banken irgendwann keine andere Wahl haben, als ihre Kunden großflächig damit zu belasten. Es fängt ja schon an. Immerhin ist eine Staffelung der Einlagezinsen im Gespräch.

Die nächste Eskalationsstufe der Geldpolitik wäre es, nicht nur die Einlagezinsen negativ zu gestalten, sondern auch die Refinanzierungszinsen, sprich den Leitzins. Am Ende landen wir bei der grotesken Situation, dass man auch als Privatkunde einen Kredit bekommt und jedes Jahr dafür auch noch Geld erhält. Soll das ernsthaft die Lösung unserer Probleme sein?

22 Kommentare

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  • Gänseblümchen
    Gänseblümchen

    Doch wie Keynes auch sagt: „Auf lange Sicht sind wir alle tot.

    11:17 Uhr, 23.08.2019
  • wolp
    wolp

    Teilverstaatlichung der Banken, Schuldfristen auf ewig verlängern, Bilanzrichtlinien ändern etc. Um die Ecke denken. Wir haben ganz andere Sorgen, es gibt nur globale Lösungen und Geld kann immer durch alternative Tauschmittel ersetzt werden. Das Problem ist nicht neue Ideen zu haben sondern den alten zu entfliehen. Wer sich in der Wirtschaftstheorie auskennt weiß von wem das stammt. Merci

    21:41 Uhr, 22.08.2019
  • Bananenbär
    Bananenbär

    An 1. wird doch schon fleissig gearbeitet... Stchwort: Lagardsche Planwirtschaft... Tatsache ist aber dass 2. die einzig richtige Lösung wäre... 🙄

    Dummerdings würden Lagarde u. ihre Anti-Bargeld Schergen die Gelegenheit einer Währungsreform direkt beim Schopf packen ihre diesbezüglichen Pläne vollends in die Tat umzusetzen... Dann gäbe es nur noch eine von der EZB lancierte Kryptowährung, die jeder nutzen muss...

    15:57 Uhr, 22.08.2019
  • sweet sweet poison
    sweet sweet poison

    Die #Subprime Krise, als Ausgang dieser Finanzabsurdität, entstand dadurch, das diie Anfangs gute #Immobilien-geschäfte durch echte solvente Käufer, die dann zunehmend ausblieben und keine mehr nachkamen, sich an die weniger Solventen ranmachten um den Fluß an #Rendite nicht versiegen zu lassen. Die erfanden unmögliche Instrumente bis der Laden unter Zinserhöhung zusammenbrach! Dadurch ist viel Wert weg, überall. Nun stehen sie da, die Banken u die Werte und wir sehen, das sie auf Luftschlösser gebaut sind. Eigentlich sind die meisten insolvent! DArf aber nicht, sonst bräche das System zusammen. Das ist das Problem, das sie vertuschen versuchen und uns immer mehr Bären aufbinden.

    13:05 Uhr, 22.08.2019
    1 Antwort anzeigen
  • godfather
    godfather

    Der negative Einlagezinssatz ist nur ein Teil des Problems und eine Absenkung auf -0,5% wird an der Kreditvergabe der Banken wenig ändern, ebenso wenig die Staffelung, die wohl kommen wird.

    Das Hauptproblem der Banken ist ihre Ertragssituation aufgrund der niedrigen Kreditzinsen. Eine Folge davon ist, dass sich inzwischen massenhaft Kreditrisiken mit mangelhafter Bonität in den Bilanzen der Banken wiederfinden. Nicht umsonst hat die Coba unlängst die Rückstellungen für derartige Risiken erhöht.

    Die Situation der europäischen Banken ist ein Teufelskreis, aus dem es mit der Null-/Negativzinspolitik kein Entrinnen gibt. Wer weiß, vielleicht ist das von der EZB ja so gewollt und man sieht sich schon als mächtige Universalbank für alle.

    Auf jeden Fall wird so langsam für jeden sichtbar, in was für ein Dilemma uns die Notenbanken seit 2008 hinein manövriert haben.

    Sackgasse ohne Wendemöglichkeit...😜

    11:12 Uhr, 22.08.2019
    2 Antworten anzeigen
  • sweet sweet poison
    sweet sweet poison

    In Wirklichkeit ist es so, das die normalen Banken anstatt Zinsen für Sparen zu zahlen die Gebühren für Karten und Abbuchungen auf Girokonten erhöhen. Was wrid sein? Die Leute werden sich nen Wechsel überlegen, was im Endeffekt zu weiteren Problemen f diejeweilige Bank führt. Ob das Maßnahmen für Eigenkapital sind oder doch nur Gewinne herausgeholt werden, weiß kein Mensch.

    11:07 Uhr, 22.08.2019
  • sweet sweet poison
    sweet sweet poison

    Banken scheinen Probleme mit Eigenkapital zu haben. Haben die bisher mit wessen Geld gezockt? Mit eigenem wohl eher nicht, sonst wäre die Eigenkapitalsache nicht passiert, die jetzt das Schalmassel offenbart.

    10:54 Uhr, 22.08.2019
  • sweet sweet poison
    sweet sweet poison

    Man erkennt überhaut nicht, wer wem zu welchem Zweck schadet oder nützt. Die EZB verschlimmert die Eigenkapitalsache d Banken. Die Banken müssen andere Geschäfte als Kreditvergabe machen, um an eigene Einkünfte zu kommen, wenn sie keine Kredite vergeben wollen. Vll haben Banken aber auch keine Kreditnehmer.

    10:50 Uhr, 22.08.2019
  • solero
    solero

    Genau so ist es wie Sie in Ihrem Artikel schreiben. Das Problem war und ist, dass Firmen und ganz besonders Banken, die nicht gesund sind, ähnlich wie in Japan wieder und wieder gerettet wurden und werden. Dadurch werden Firmen/Banken, die nicht ordentlich arbeiten immer weiter gepflegt und gehegt und ziehen uns alle mit in den Abgrund. Schade!

    09:19 Uhr, 22.08.2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Chefredakteur

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Seit 2012 leitet Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader)
Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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