Warum ich keine DAX-Kursziele für 2017 lese
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Ich habe mir die Bankenprognosen für den DAX der letzten 10 Jahre angeschaut.
In nur einem von zehn Jahren lag der DAX tatsächlich exakt im Rahmen der Erwartungen. In den meisten Fällen war die reale Entwicklung des Deutschen Aktienindex außerhalb der von den Analysten im Durchschnitt geschätzten Jahresendstände. Einzelne Analysten vermochten es den DAX hin und wieder zu treffen, aber hier ließ sich keine konstante Qualität der Prognosen erkennen (Zufallstreffer).
Das wäre nicht tragisch, wenn wenigstens die allgemeine Börsentendenz gestimmt hätte. Doch der Durchschnitt aller Schätzungen war meist zu positiv oder negativ für das kommende Jahr. Die Prognosegüte stieg, wenn sich die Märkte in einem Trend über mehrere Jahre bewegten. Dann lagen die Schätzungen näher an den tatsächlichen Jahresendständen.
Wie die Grafik vermuten lässt, verwendeten die meisten Analysten lineare Modelle zur Marktprognose. Die Vergangenheit wurde fortgeschriebenen.
Damit verpasst man natürlich jede Trendwende.
Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass die meisten Profis sehr einfache Modelle zur Berechnung von Jahreskurszielen verwenden. Im Fokus der Analysearbeit steht die Addition der historischen DAX-Rendite auf den Jahresschlussstand minus eines Risikoabschlags, der auf Basis der aktuellen Marktlage kalkuliert wird.
Trotz teilweise hoher Marktschwankungen entstehen so recht gleichförmige Analyseergebnisse, die immer etwas über dem DAX-Stand des Vorjahres liegen. So lässt sich erklären, warum 2009 eine minimal höhere DAX-Prognose als der Jahresendstand 2008 herauskam (wo man eigentlich tiefere Prognosen bei linearer Fortschreibung erwarten würde).
Nicht selten ist daher beim Pressekommentar der Analyst als "verhaltener Optimist" anzutreffen, der den Kunden Mut zuspricht, aber vor den Risiken warnt. Achten Sie einmal darauf.
Der alljährliche Trubel um die DAX-Kursziele ist mehr ein Marketing- und Presserummel, als eine ernsthafte Anlageentscheidung.
Es ist in gewisser Weise Teil einer Verkaufsshow, den die Presse aus Dankbarkeit für eine neue Story aufgreift. Und jeder Vermögensverwalter sieht es gerne, wenn der Name des eigenen Chefvolkswirts mit einem Statement in der Zeitung steht. Der Marketing-Effekt der Jahresendprognosen ist größer als der Schaden einer möglichen Fehlprognose (man kann dann immer noch darauf verweisen, wie schlecht die anderen waren).
Ein weiterer Grund für die hartnäckige Existenz der Prognosen ist eine sich verstärkende Kultur der „defensiven Entscheidungen“.
Nicht nur an den Finanzmärkten, auch in der Wirtschaft werden Entscheidungen mehrfach abgesichert, gleichgültig wie sinnvoll die zu Rate gezogene Analyse ist. Expertenurteile und Gutachten unterstützen die eigene Kompetenz in Situationen der Unsicherheit, da Menschen (Kunden) bei Entscheidungen mit offenem Ausgang objektiven Argumenten größeres Vertrauen entgegenbringen.
Zudem ist ein Entscheidungsträger schnell aus einer potentiellen Schusslinie, wenn im Falle einer Fehlentscheidung auf den zuvor eingeholten Expertenrat verwiesen werden kann. Diese Mentalität bremst selbstredend jedes Wachstum und geht zu Lasten von Kunden und Anlegern.
War eine Bank 2008 voll in Aktien investiert, konnte sie noch auf das teuer eingekaufte Research der Investmentbanken verweisen, die doch ein Abklingen der Hypothekenkrise und DAX-Stände bis zu 10.000 Punkten prophezeit hatten. (1)
Keiner hätte den Dominoeffekt einer globalen Bankenkrise korrekt abschätzen können (und wenn wäre es Zufall gewesen). Das Problem ist nicht, dass Prognosen versagen (es gibt ja auch welche die hin und wieder treffen), sondern dass Modelle den Eindruck einer trügerischen Sicherheit erwecken.
Eine ehrliche Investmententscheidung wäre zu sagen: „Wir wissen nicht wo die Börse hingeht, aber wir glauben und hoffen, dass es weiter steigt, denn das hat es im Durchschnitt aller Jahre immer getan.“
Natürlich würde kein Kunde so einer subjektiven Anlageentscheidung sein Vermögen anvertrauen, wenn er bei anderen Banken aufwändiges Research, Statistiken und exakt berechnete Kursziele vorfinden kann.
Fazit
Es ist eine Illusion, dass sich der Verlauf der Finanzmärkte oder Risiken mit mathematischen Modellen berechnen lassen. Die niederschmetternden Ergebnisse der letzten Jahre lassen keinen Zweifel daran. Marketing, Presse und Expertenabsicherung werden jedoch dafür sorgen, dass wir auch in den nächsten Jahren DAX-Prognosen lesen dürfen.
Um nicht der trügerischen Sicherheit der Prognosen aufzusitzen, sollten Investmentstrategien zum Einsatz kommen, die mit dem Chaos der Finanzmärkte und ihrer ungenügenden Berechenbarkeit zurecht kommen. Für Banken und Vermögensverwalter hieße das außerdem, dem Bedürfnis ihrer Kunden nach Sicherheit mit praktischen Lösungen statt Luftschlössern (an die man selbst nicht glaubt) entgegen zu kommen.
Auf meinem Guidants-Desktop stelle ich regelmäßig Strategien vor, die dabei helfen, nicht mehr von den Märkten überrascht zu werden.
Viele Grüße
Jakob Penndorf
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(1) 2008 – das Jahr der Aktie? Die Zeit - Artikel vom 19.12.2007
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