Kommentar
12:17 Uhr, 11.12.2020

Warum es ein Irrtum ist, dass die Zinsen nicht steigen können

Aktien können ewig steigen, da die Zinsen nie wieder hoch sein werden. Zinsen wiederum können nicht ansteigen, weil die Verschuldung zu hoch ist. Ein Irrtum.

Zinsen können immer steigen, genauso wie Aktien jederzeit fallen können. Trotz einer fast beispiellosen Geldschwemme gab es seit Beginn der Aktienmarktrally Ende März mehrere Korrekturen von 10 % und mehr. Diese kurzfristige Volatilität ist natürlich nicht mit einem langfristigen Trend zu verwechseln. Um genau den geht es bei den Zinsen. Viele Anleger gehen davon aus, dass die Zinsen kein permanent höheres Niveau erreichen können. Der Grund dafür ist einfach. Die Verschuldung ist einfach zu hoch. Vor allem Staaten können sich höhere Zinsen schlichtweg nicht leisten. Es herrscht daher eine hohe, gefühlte Sicherheit, dass Zinsen für immer niedrig bleiben. Das wiederum ist für Aktien gut. Je tiefer die Zinsen, desto höher die Bewertung von Unternehmen. Der Unternehmenswert ist der abgezinste zukünftige Cashflow. Je niedriger der Zins ist, mit dem man diskontiert, desto mehr bleibt übrig und die Bewertung der Unternehmen kann steigen. Das führt dazu, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Marktes derzeit zwar sehr hoch ist, aber angesichts der Zinsen ist das mehr oder weniger in Ordnung. Umgekehrt heißt das: steigen die Zinsen wieder, muss die Bewertung des Marktes fallen. Hier sind sich viele sicher, dass es nie so weit kommen wird. Das ist ein Irrtum.

Die Verschuldung ist heute hoch, sie ist aber nicht historisch hoch. Vor allem Großbritannien beweist, dass auch eine Verschuldung von 250 % der Wirtschaftsleistung wieder abgebaut werden kann. Es gelang dem Land gleich zweimal in den letzten 200 Jahren. Relevant ist aber nicht die Verschuldung an sich, sondern die Tragbarkeit.


Die Tragbarkeit hängt davon ab, wie viel Staaten für die Schulden zahlen müssen. Die US-Regierung musste in den 80er Jahren deutlich mehr zahlen als heute. Es waren 5 % der Wirtschaftsleistung (Grafik 2). Heute sind es 2,3 %, obwohl die Schulden deutlich höher sind.

Nun kaufen Notenbanken fleißig Anleihen. Die Zinsen, die die Notenbank dabei einsammelt, gehen größtenteils wieder an den Staat. Der effektive Zinssatz für die USA liegt noch einmal 0,5 Prozentpunkte tiefer. Die Regierung zahlt fast historisch wenig.

Geht man davon aus, dass die Zinsen in den 80er Jahren tragbar waren, dürften die Zinsen grundsätzlich steigen. Die Zinslast der Staaten dürfte sich sogar verdoppeln. In den 80ern lag der Zins für 10-jährige Anleihen im zweistelligen Bereich. Das ist tatsächlich nicht tragbar. Was aber durchaus tragbar ist, sind 3,5-4 %. Das ist gegenüber dem heutigen Zins ein stattlicher Anstieg.


Das gilt selbst für Länder wie Italien. Die Ausgaben für die Schulden waren zuletzt vor 50 Jahren so niedrig wie heute (Grafik 3). Zinsen können steigen. Es ist korrekt, dass es einen Deckel gibt. Dieser liegt jedoch nicht auf dem aktuellen Niveau, sondern deutlich höher.

Clemens Schmale


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3 Kommentare

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  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Ihre Argumente sind nicht von der Hand zu weisen.
    Interessant und hilfreich.

    14:35 Uhr, 11.12.2020
  • julisx1
    julisx1

    Steigende Zinsen ---> Insolvenzverwalter lieben diesen Trick!

    13:55 Uhr, 11.12.2020
  • all.blacks
    all.blacks

    Wieder mal interessante Gedanken. Ihre Artikel sind wirklich lesenswert.

    13:42 Uhr, 11.12.2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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