Kommentar
09:21 Uhr, 09.05.2016

Warum die Fed den Leitzins deutlich anheben müsste

Am Donnerstag veranstaltete das Hoover-Institut eine Tagung über die Zukunft der Geldpolitik. Neben John Taylor bestand die hochkarätige Riege der Teilnehmer unter anderem aus James Bullard, Robert Kaplan, Dennis Lockhart und John Williams.

Der Tenor der sich durch die Diskussionen zog, lässt sich in etwas so zusammenfassen: Negativzinsen taugen nichts, QE und Forward Guidance sind weiterhin effektiver. Die demografische Entwicklung drückt den natürlichen Zins.

Der natürliche Zins ist die kurzfristige Rate, bei der ein perfektes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage besteht und die Preise stabil sind. Befindet sich der von der Fed bestimmte Leitzins unter diesem Satz, entsteht Inflation, sind die Zinsen zu hoch, treten deflationäre Effekte auf.

Diese sogenannte "natural rate" ist unsichtbar, spielt aber bei der Gestaltung der Zinspolitik neben Beschäftigung und Inflation die allererste Geige, denn sie bestimmt schlussendlich auf welchem Niveau sich der Leitzins einpendeln muss, wenn die Notenbankziele erreicht sind.

Der Ökonom John Taylor vermutet den natürlichen Zins bei 2 %, während andere Experten viel tiefere – möglicherweise sogar negative Werte vorschlagen. Hat Taylor recht, dann ist die gegenwärtige Zinspolitik fahrlässig locker und die Fed muss – ob die Märkte das akzeptieren wollen oder nicht – die Zinsen signifikant anheben.

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Grafik 1  zeigt anhand einer exemplarischen Taylor-Kurve, dass der Leitzins bei einer natürlichen Rate von 2 % derzeit bei fantastischen 4 % stehen müsste. Betreibt die Fed also wirklich, wie Stanley Druckenmiller letzte Woche behauptete, trotz Yellen's gegenteiliger Beteuerungen die am wenigsten datenabhängige Geldpolitik aller Zeiten? Oder verortet die Notenbank den natürlichen Zins möglicherweise deutlich unter dem historischen Durchschnitt?


Ende des letzten Jahres lies die Fed-Chefin durchblicken, dass ihre Modelle eine natürliche Rate von gerade einmal 0 % vorschlagen. Hakt man diesen Wert in die Taylor-Kurven-Formel spuckt diese einen optimalen Leitzins von derzeit etwa 1,9 % aus (siehe Grafik 2 ), und plötzlich wird auch klar, wie die Fed auf ihren projezierten Zinspfad kommt (grüne Linie), der auch im Vergleich zur modifizierten Taylor Curve immer noch erstaunlich konservativ wirkt.

Wenn die Federal Reserve also wirklich datenbasierte Geldpolitik betreibt, dann muss die Federal Funds Rate selbst bei Annahme eines ungewöhnlich niedrigen natürlichen Zins signifikant hochgeschraubt werden. Tut sie das aus Rücksicht vor den Märkten nicht, dann läuft sie sehenden Auges in eine monströse Fehlallokations-Falle, die eher früher as später zuschnappen wird.

Die Märkte müssen sich auf der anderen Seite die Frage stellen lassen, wie es sein kann, dass sie in diesem Jahr maximal einen Zinsschritt erwarten, und vor allem auf welcher Basis sie zu dieser Einschätzung kommen. Sollte es trotz des gegenwärtig soliden Umfeldes wirklich immer noch nicht möglich sein die Zinsen jetzt deutlich anzuziehen, dann wäre das ein Ausdruck von absoluter Hoffnungslosigkeit.

8 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Die FED sitzt imo zwischen allen Stühlen. Weicht sie von ihrem lange angesagten Zinserhöhungszyklus ab, werden die Märkte weiter aufgeblasen bis es letztlich zum unvermeidlichen platzen der Blasen kommt. Erhöht sie die Zinsen in einem nennenswerten Umfang, werden die Staatshaushalte der sowieso hochverschuldeten Staaten massiv belastet.

    Die nicht wirklich gut laufende US-Wirtschaft wäre keinesfalls amused über weitere Zinsherhöhungen, das hätte auch unerwünschte Folgen für die Frackingindustrie der es ja im Augenblick alles andere als gut geht. Angespannt ist z.B. auch die Situation bei den Studentenkrediten und bei den Autokrediten. Ähnlich wie vor 8 Jahre bei der Immo-Krise wurden massenhaft Kredite an Autokäufer vergeben, die nach normalen Maßstäben eben nicht kreditwürdig gewesen wären.

    Was könnte die FED dennoch zu einer signifikanten Zinserhöhung verleiten??? Nach meiner Meinung der Status des USD als Weltreservewährung. Mit dem USD untrennbar verknüpft ist die Weltmachtstellung der USA. Fällt der Dollar, fällt Amerika. Das ist aus meiner Sicht das zentrale Argument, wieso die FED eventuell weitere Zinsschritte riskiert. Denn z.B. die Chinesen und auch andere Dollar-Halter werden wohl nicht tatenlos zusehen, wenn der Wert der US-Währung stark verwässert wird

    21:03 Uhr, 09.05. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Simon Hauser
    Simon Hauser Redakteur

    Es ist sicherlich richtig, dass die Fed die internationale Entwicklung im Blickfeld hat, aber auf der anderen Seite steht sie vor der ganz einfachen Wahl: Entweder der Zinspfad verläuft linear (kontinuierliche Anhebungen, siehe Fed Projektionen) oder exponentiell (lange Verzögerung wie vom Markt vorgeschlagen, und dann explosive Steigung). Ich kann mit nicht vorstellen, dass die Fed nur aus Rücksicht vor China und den EMEs die zweite Option, die in einer Katastrophe enden muss, wählt.

    13:25 Uhr, 09.05. 2016
  • Austrochris
    Austrochris

    Der US Dollar ist nach wie vor eine Weltwährung . Und hier liegt der " Hasenfuss " begraben .

    Wären die Zinsen höher oder viel höher , gäbe es weltweit einen US Dollar Währungsschock !

    Viele Bricstaaten stünden kurz vor der Pleite oder wären bereits pleite . Da ja viele Staaten in

    US Dollar verschuldet sind . Und ein starker Dollar ist ja da bekannterweise wie Gift !

    Die Fed hätte die Zinsen schon mehrmals anheben können , wäre der Dollar keine

    Weltwährung . So aber muss die Fed immer mit einem Auge auch auf die Welt schauen um eine

    Zinserhöhung rechtzufertigen . Und bekanntlich wäre ein Crash in Asien und China auf Grund

    eines zu starken Dollars nicht ohne Folgen für die Amis . So weit muss man schon blicken.

    Weiters sind die US Wirtschaftsdaten eher schlecht bis ganz schlecht und der sogar bärenstark

    ( manipulierte ) Arbeitsmarkt beginnt zu schwächeln .

    Ich sehe im Juni keine Znserhöhung , da ja kurz darauf die Abstimmung bei den Briten ist und

    im Wahlkampf im Herbst auch nicht .

    Frühestens im Dezember und man kann gespannt sein wie sich die US Wirtschaft bis dahin entwickelt . Ich persönlich glaube nicht gut und ob dann noch eine Zinserhöhung kommt wage ich zu bezweifeln . Wären dann dem neuen QE näher als einer Znserhöhung !

    10:26 Uhr, 09.05. 2016
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Simon Hauser
Simon Hauser
Redakteur

Simon Hauser hält für Guidants News die Stellung in North Carolina und sendet aus sicherer Entfernung zur Wall Street Echtzeitnachrichten in die Welt. Leider spielen die Kennzahlen der Wirtschaftsteilnehmer oft nur eine untergeordnete Rolle und werden dominiert von einem hysterischen Medienzirkus, punktundkommalosem Zentralbank-Blubber, und mysteriösen Algo-Kreaturen. Simon Hauser hat über die Jahre als aktiver Börsenteilnehmer ein krudes Interesse für diese Dinge, welche in einer perfekten Welt eigentlich keine Rolle spielen sollten entwickelt, und versucht (mit wechselndem Erfolg) zu ergründen was die Kurse wirklich treibt.

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