Warum Berlin nun ein Öl-Embargo gegen Russland mittragen kann
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Brüssel (Godmode-Trader.de) - Wende um 180 Grad: Bislang galt Deutschland als Bremser, was ein Embargo gegen fossile Energie aus Russland anbelangte. Doch die Kurskorrektur fand nun am Wochenende statt: Berlin würde ein mögliches europäisches Öl-Embargo gegen Russland mittragen, erfuhr die die Deutsche Presse-Agentur am Wochenende von EU-Diplomaten in Brüssel.
Auf der Sitzung der EU-Botschafter in Brüssel ging es um das geplante sechste Sanktionspaket gegen Russland. Der deutsche Diplomat Michael Clauß betonte dabei: Wenn es schon ein weiteres Sanktionspaket gebe, dann müsse es auch kraftvoll sein. Es müsse auf jeden Fall auch Sanktionen gegen Ölimporte enthalten. Deutschland sei nicht nur bereit, Ölsanktionen zu unterstützen; nein, Berlin fordere sie jetzt sogar.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte bekräftigt, dass Deutschland ein Öl-Embargo gegen Russland befürwortet. Man sei jetzt darauf „vorbereitet", auch mehrere Jahre ohne russisches Öl auszukommen, sagte die Grünen-Politikerin in der ARD. Vor einigen Wochen noch hätte man einen sofortigen Lieferstopp nicht durchstehen können, sagte Baerbock weiter.
Grund für die deutsche Kurswende beim Öl-Embargo sind die jüngsten Erfolge bei der nun geringeren deutschen Energieabhängigkeit von Russland. In den vergangenen Wochen hat es Fortschritte vor allem bei Öl und Kohle gegeben, wie aus dem "Zweiten Fortschrittsbericht Energiesicherheit" hervorgeht. Die Abhängigkeit von russischem Öl ist demnach von etwa 35 Prozent im vergangenen Jahr auf 12 Prozent gesunken. Diejenige von russischem Gas sank von zuvor 55 Prozent auf etwa 35 Prozent. Bei Kohle sei durch Vertragsumstellungen die Abhängigkeit seit Jahresbeginn von 50 Prozent auf rund 8 Prozent gesunken. „All diese Schritte, die wir gehen, verlangen eine enorme gemeinsame Kraftanstrengung aller Akteure, und sie bedeuten auch Kosten, die sowohl die Wirtschaft wie auch die Verbraucher spüren", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Ob alle EU-Staaten nun einem entsprechenden Öl-Embargo zustimmen werden, bleibt weiter unklar. „Diesmal wird es um Öl gehen, und damit sind die wirtschaftlichen Risiken für Europa höher“, sagte ein EU-Diplomat der „Welt“. Denn es gehe nicht nur um die Ölversorgung und Energiepreise; es bestehe die Gefahr, dass Putin daraufhin der EU das Gas abdrehe.
Zudem bleibt die Frage offen, wie effektiv ein Embargo sein wird. Russland könnte das Öl an andere Kunden verkaufen, und somit keine Einbußen verzeichnen. Laut der „Welt“ weisen Logistikexperten darauf hin, dass es Russlands Öltanker nicht leicht haben dürften, den Weltmarkt außerhalb Europas zu erreichen. „Die russischen Verladeterminals an der Ostsee können von den ganz großen Tankern nicht angefahren werden", sagte Thomas Puls, Experte für Verkehr und Infrastruktur beim Institut der deutschen Wirtschaft, der Zeitung. Ein Umladen von kleinen Tankern in größere, die dann die neuen Käufer in China oder Indien erreichen könnten, scheine kaum möglich, „da der nächste geeignete Hafen außerhalb der EU wohl Port Said (Ägypten) wäre“.
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