Analyse
10:13 Uhr, 22.09.2015

VW: Einstiegsgelegenheit des Lebens?

Die Volkswagen AG - Aktie stürzte gestern knapp 20% ab. Im Tagesverlauf lag das Minus sogar kurzzeitig bei 25%.

Erwähnte Instrumente

  • Volkswagen AG Vz.
    ISIN: DE0007664039Kopiert
    Kursstand: 126,10 € (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
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  • Volkswagen AG Vz. - WKN: 766403 - ISIN: DE0007664039 - Kurs: 126,10 € (XETRA)

Wenn eine Aktie innerhalb eines Tages so deutlich an Wert verliert, dann drängt es sich eine Schnäppchenjagd auf. Anlegern fällt es für gewöhnlich schwer signifikante Ereignisse innerhalb kurzer Zeit realistisch zu bewerten. So war das sicherlich auch heute.

Die Meldung vom Abgas-Skandal kam am vergangenen Wochenende. VW hatte in den USA durch eine Software bessere Schadstoffwerte ausweisen können als gerechtfertigt gewesen wäre. Der Konzern gab die Täuschung der Behörden zu. Nach einem Schuldeingeständnis muss nicht mehr gesucht werden. Das gab VW von sich aus.

Möglicherweise hilft das schnelle Eingeständnis VW dabei die Maximalstrafe zu umgehen. Es geistern mögliche Strafzahlungen von bis zu 18 Mrd. durch die Medien. Das ist eine enorme Größenordnung. Sie entspricht knapp 10% des Umsatzes und würde VW massiv belasten. VW ist zwar groß und profitabel, doch so 18 Mrd. ist auch für VW sehr viel Geld. Kein Wunder also, dass Anleger heute zu Handelsbeginn auf die Verkaufstasten einhämmerten.

Der Skandal kommt zu einer Zeit, die für VW ohnehin nicht einfach ist. Bereits im Mai hatte ich über Probleme bei VW berichtet und vor einer Underperformance gewarnt. Damals stand die Aktie noch bei 220 Euro.

VW muss nun an mehreren Fronten kämpfen. Seit dem zweiten Quartal 2015 kämpft VW mit einem stagnierenden und inzwischen sogar leicht sinkenden Autoabsatz in China. Für VW ist China der mit Abstand größte Markt. Schätzungsweise werden dort 40% des operativen Ergebnisses erzielt. Ein Rückgang des Absatzes in China, z.B. um 10%, würden VW bereits stark belasten.

Neben dem neuen Sorgenkind China war der US Markt bereits seit Jahren ein Sorgenkind des Konzerns. Der Absatz der Kernmarkte VW sinkt dort seit längerem. Ohne den zweitgrößten Absatzmarkt der Welt für sich zu gewinnen fällt weiteres Wachstum schwer. Nach dem aktuellen Skandal darf man keine schnelle Trendwende beim Absatz auf dem US Markt erwarten.

In diesem und im kommenden Jahr wird VW wahrscheinlich stagnieren oder schrumpfen. Gleichzeitig hat die Aktie nun seit dem Hoch im März 2015 fast 50% verloren. Da ist also schon viel eingepreist. Die Frage ist nun: ist bereits alles eingepreist?

Eine Antwort darauf kann Grafik 1 geben. Abgebildet ist der Umsatz seit dem Jahr 2000. Für 2015 gibt es zwei Angaben. Die erste zeigt den Umsatz, der ohne den Skandal zu erwarten gewesen wäre, die zweite die Schätzung nach dem Skandal. Im Vergleich zu den Zahlen 2014 dürfte der Umsatz nun in diesem Jahr statt eines Wachstums von 3% einen Rückgang von einem Prozent ausweisen. Der Skandal schadet VW nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Man darf jedoch auch nicht vergessen, dass die ersten 3 Quartale des Jahres vorbei sind. Eine gute Performance in diesen Quartalen wird im vierten Quartal wettgemacht. Unterm Strich dürften die negativen Konsequenzen für dieses Geschäftsjahr tragbar sein.

Die Grafik zeigt neben dem Umsatz auch die Historie der Nettovermögenswerte (Vermögenswerte abzüglich von Verbindlichkeiten) und der Marktkapitalisierung. Selbst wenn man die Maximalstrafe von 18 Mrd. abschreibt handelt die VW Aktie bereits 22% unter ihrem Nettovermögenswert. Das gibt Anlegern eine gewisse Sicherheit. Ein Abschlag von 22% ist allerdings noch lange nicht das Schnäppchen des Lebens. In früheren Krisen (2004-2005, 2008-2009, 2012) wurde die Aktie mit einem Abschlag von 30 bis 61% zu ihren Nettovermögenswerten gehandelt. 22% Abschlag wie derzeit sind gut, lassen aber noch Luft nach unten.

Obwohl einige Kennzahlen auch nach dem Skandal noch gut aussehen, werden andere Kennzahlen die Anleger schocken. Grafik 2 zeigt potentielle Auswirkungen, wenn die Maximalstrafe gezahlt werden muss. VW könnte seit langem wieder einen Verlust einfahren. Der Fehlbetrag dürfte bei 4 Mrd. Euro liegen. Die Barreserven könnten von knapp 20 Mrd. auf eine Milliarde schrumpfen und die Dividende gekürzt werden.

Der Staat muss in diesem Fall auf über 3 Mrd. an Steuereinnahmen verzichten. Apropos Staat: die Politik mischt sich in den Fall bereits ein. Das kann dazu führen, dass das Thema sehr lange am Leben gehalten wird. Für VW ist das eine Horrorvorstellung, doch es ist eine durchaus realistische Möglichkeit. Ist die Politik erst einmal involviert, dann könnte es noch zu einem Untersuchungsausschuss kommen. Das würde den "natürlichen" Verlauf der Dinge stark beeinflussen.

Frühere Skandale bei anderen Autoherstellern (Toyotas fehlerhaftes Gaspedal, General Motors Zündschalter) waren innerhalb eines Jahres vom Markt und vom Unternehmen verdaut. Aktionäre und Kunden vergessen innerhalb von 12 bis 18 Monaten, was gewesen ist. Die zügellose Einmischung der Politik kann das verlängern.

Die Aktie sollte kurzfristig eine technische Gegenbewegung starten können. Mittelfristig besteht weiteres Abwärtspotential.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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