Analyse
14:57 Uhr, 14.08.2025

Von Blockbustern zu Schnäppchen: Warum Pharma jetzt im Ausverkauf ist

Die Bewertungslücke zwischen Healthcare und dem Gesamtmarkt ist historisch, Preis‑Buch‑ und KGV‑Vergleiche sprechen eine deutliche Sprache. Gleichzeitig türmen sich Risiken: "Patent‑Kliffs" für milliardenschwere Blockbuster, politische Eingriffe in Preisgestaltung, Steuer‑ und Handelsstreitigkeiten, etc.

Die Investmentbank JP Morgan hat eine ausführliche Analyse veröffentlicht:

1. Ausgangslage

  • 1989–2019: US‑Healthcare erzielte bei deutlich geringerer Volatilität ähnliche Renditen wie Tech.
  • Seit 2020: Tech boomt, Healthcare stagniert → niedrigste relative Bewertungen seit 30+ Jahren.
  • Große Diskrepanz im Sektor:

    • Eli Lilly ≈ 35 % des Pharma‑Index, KGV 24x (vorher 31x).
    • Merck, Pfizer, Bristol Myers nur 8–9x Forward P/E.
    • 80 % der seit 2018 gelisteten Biotech‑IPOs gescheitert.
    • Kürzungen bei NIH, NSF, CDC → Gefahr für Life Sciences.

2. Bewertungs- & Ertragslage

  • Healthcare tradet mit Discount zum S&P 500. Bei Preis/Buch–ROE‑Vergleich klar als "günstig"
  • Viele Subsektoren an historischen KGV‑Tiefs.
  • Renditeeinbruch nach 2020 besonders stark im Mid- und Small‑Cap-Bereich.
  • Biotech‑Ertragswachstum seit 2017 negativ.
  • Ausnahme: Medical Devices, Outperformer bei hoher & stetiger F&E‑Quote (+ gezielte Zukäufe kleiner Firmen).

3. Politischer Druck auf Arzneipreise

  • US‑Medikamentenpreise 2,5–3,0x der OECD‑Vergleichsländer (nach Rabatten ≈ 1,75x).
  • Bis 2025: Reformen mit nur 0–3 % Preissenkung.
  • Neu: Most Favored Nation (MFN)-Ansatz, sprich Preisangleich an Ausland (Medicare, Medicaid, VA) → -5–10 % Preise, -9 % Pharma‑Gewinne bis 2031.
  • Gegenwind: juristische Anfechtung erwartet, begrenzter Geltungsbereich.
  • Mindestens 6 parteiübergreifende Gesetze gegen hohe Preise im Senat.

4. Patent Cliff & Patentdickichte

  • Große Umsatzblöcke laufen aus:

    • Merck: Keytruda 2028.
    • Pfizer: Eliquis, Vyndaqel, Ibrance 2027/28.
    • AbbVie: Skyrizi, Rinvoq, Humira (letzteres 2023 ausgelaufen).
  • Patentstrukturen ("thickets") verlängern Schutzzeiten → 75 % der Patente nach FDA‑Zulassung eingereicht.
  • Biden-Order 2021 + Gesetzesvorstöße 2025 zur Begrenzung von Mehrfachpatenten.
  • Paradox: Generika ≈ 90 % Verordnungen, aber nur 17,5 % der Ausgaben → Rest bei teuren Marken.

5. M&A‑Kapazität

  • Große Pharma‑War Chests: teils > 50 Mrd. USD für Übernahmen.
  • Zielobjekte rar: wenige Firmen mit etablierten Blockbuster‑Umsätzen (3–5 Mrd.).

6. Handels- & Steuerkonflikte

  • Section 232-Zölle auf Pharmaprodukte möglich (Sicherheitsbegründung).
  • Grund: US‑Pharma verlagert Produktion ins Ausland → Handelsdefizit stieg von 30 Mrd. (2002–2015) auf 190 Mrd. USD (2024).
  • Starker Einsatz von Steueroasen (Irland, Singapur, Bermuda etc.) → heimische Steuerzahlungen minimal.

7. China-Risiko in Lieferketten

  • Chinas Anteil an US‑Pharmaimporten niedrig (4 % in Wert), hoch bei Billigprodukten (Bandagen > 30 %, Antibiotika 31 %).
  • APIs: China + Indien zusammengenommen < 10 % in Wert, aber Indien importiert 70 % seiner API aus China.
  • Diskussion über Qualitätsmängel & Tests (FDA testet nur 0,001 % der Chargen).

8. Wettbewerb & Datenqualität China

  • China holt bei klinischen Studien und Pipeline auf (3,5 % globales Pharma/Biotech-Mcap).
  • Problem: hohe Fälschungsquote in Fachartikeln (ca. 50 % aller weltweiten Retractions aus China; 40 % der Biomed‑Paper angeblich wissenschaftliches Fehlverhalten).
  • Westliche Journals oft ohne wirksame Prüfmechanismen vor Publikation.

9. FDA, Politik & Impfdebatte

  • Unter Trump langsamerer Zulassungstakt, Personalverluste an FDA‑Spitze, politisch motivierte Eingriffe bei Entscheidungen (z. B. KalVista, Sarepta, Novavax).
  • RFK Jr. entlässt komplette Impfstoff‑Beratungskommission der CDC, streicht 22 mRNA‑Forschungsverträge.
  • Expertenwarnung: schwere Rückschritte in Public Health; Befürworter sehen mRNA‑Risiken.

10. MMR-Impfung & Masernausbruch

  • Höchste US‑Masernzahlen seit 33 Jahren (90 % ungeimpft/Status unklar).
  • 1963–1967 verabreichte inaktivierte MMR‑Version bietet oft keinen Langzeitschutz (nur 25 % hatten nach 1 Jahr noch Antikörper).
  • Empfehlung zur Neuimpfung mit Lebend‑MMR, sofern kein Immundefizit.

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