Vom Sparbuch zum Depot: EU-Kommission plant Offensive für die Aktienkultur
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Speziell in Deutschland herrscht eine ausgeprägte Sparneigung, doch das Geld landet zumeist auf Tagesgeldkonten oder gar Sparbüchern. Diese risikoaverse Strategie führt dank Inflation zu einem realen Wertverlust des Vermögens. Die europäischen Kapitalmärkte sind auch deswegen im internationalen Vergleich, insbesondere zu den USA, eher unterentwickelt. Die EU-Kommission will nun die Bürger Europas von reinen Sparern zu Investoren entwickeln.
Brüsseler Offensive für den Kapitalmarkt
Herzstück der am Dienstag vorgestellten Initiative ist die Blaupause für ein europaweit einheitliches Kontenmodell. Dieses soll Banken, Brokern und Investmentfirmen als Vorlage dienen, um Bürgern einen unkomplizierten und steuerlich begünstigten Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen. Die Pläne sehen vor, dass diese Konten ohne Mindestbeträge auskommen und sowohl zwischen Anbietern als auch über Landesgrenzen hinweg einfach übertragbar sein sollen.
Ziel ist es, Investitionen in Aktien, Anleihen und EU-regulierte Investmentfonds zu fördern. "Mit den Standard-Depots könnten die Bürger höhere Renditen auf ihre Ersparnisse erzielen und gleichzeitig die Finanzierung von EU-Unternehmen, das Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützen", erklärte EU-Finanzmarktkommissarin Maria Luís Albuquerque. Hochriskante Derivate oder Krypto-Anlagen sollen hingegen explizit ausgeschlossen bleiben, um den Fokus auf einen langfristigen Vermögensaufbau zu legen.
Empfehlung statt Gesetz
Dieses Vorhaben ist Teil eines größeren Projekts, das in Brüssel als "Spar- und Investitionsunion" firmiert. Durch die Harmonisierung von Finanzmarktregulierungen, eine zentralisiertere Aufsicht und einheitlichere Insolvenzrechte soll privates Kapital mobilisiert werden. Die Kommission rechnet vor, dass im Idealfall bis zu 1,2 Billionen Euro zusätzlich in europäische Vermögenswerte fließen könnten.
Statt eines langwierigen Gesetzgebungsverfahrens hat sich die Kommission bewusst für das weichere Instrument einer "Empfehlung" an die Mitgliedstaaten entschieden. Man wolle schnell handeln, damit die Bürger die Investitionsmöglichkeiten zügig nutzen können, hieß es aus Kommissionskreisen. Dies macht den Vorschlag zwar unverbindlich, doch erfolgreiche Vorbilder existieren bereits. Insbesondere skandinavische Länder wie Finnland und Schweden, aber auch Italien, haben mit vergleichbaren, steuerlich geförderten Modellen bereits hohe Beteiligungsquoten am Kapitalmarkt erreicht. Insgesamt gibt es in zehn EU-Staaten bereits ähnliche Systeme.
Finanzbildung als zweites Standbein
Um die Akzeptanz für eine aktivere Anlagekultur zu steigern, setzt die Kommission parallel auf eine Stärkung der Finanzkompetenz. Studien der Behörde zeigen, dass weniger als 20 % der EU-Bürger über ein hohes Maß an Finanzwissen verfügen. Davon seien insbesondere Frauen, junge Menschen sowie Bürger mit niedrigerem Einkommen betroffen. Eine neue Finanzbildungsstrategie, begleitet von Kampagnen und sogenannten "Botschaftern für Finanzkompetenz", soll diese Defizite beheben. "Gerade in Deutschland gibt es bei dem Thema leider noch große Defizite", kommentierte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. Dies sei eine zentrale Herausforderung für die Bildungspolitik.
Fazit
Der Vorschlag aus Brüssel dürfte bei Anlegern auf Zustimmung treffen - speziell was den Punkt der steuerlichen Förderung angeht.
In Deutschland war man schon fast so weit. Meine positivste Erinnerung an die Ampel-Koalition ist der Vorschlag zum Altersvorsorgedepot. Das ging schon ziemlich in die Richtung, die die EU-Kommission jetzt vorschlägt. Kurz vor Verabschiedung des Gesetzes ging die Ampel in die Brüche. Im Grunde könnte man den fertigen Gesetzentwurf nehmen und ggf. leicht anpassen.
Aber wenn man sich die Diskussion um die Frühstart-Rente anschaut, die eigentlich am 1. Januar 2026 starten sollte, sieht man das Problem: Es gibt auch in der neuen Regierung keine klare Linie. Union und SPD sind sich nicht einig.
Eigentlich sollten Kinder ab dem 6. Lebensjahr bis zur Volljährigkeit 10 EUR im Monat bekommen, das Geld sollten die Eltern verwalten. Die Neobroker jubelten schon, und einer nach dem anderen hat Juniordepots gestartet.
Nun wird aber im Finanzministerium darüber nachgedacht, das Geld in den deutschen Staatsfonds "Kenfo" zu stecken, der eigentlich für die Finanzierung der Atommüll-Endlagerung gedacht ist und von einer öffentlich-rechtlichen Stiftung verwaltet wird. Damit wäre allerdings ein wichtiger Zweck der Frühstart-Rente dahin - denn weder Eltern noch Kinder kämen so mit der Depotverwaltung in Berührung.
Noch schlimmer: Wegen Haushaltsnöten sollen laut Medienberichten nur Kinder profitieren, die ab 2026 und danach 6 werden. Alle Kinder, die schon jetzt 6 oder älter sind, bekämen demnach gar nichts. Kann man machen, sollte man aber nicht.
Vielleicht gibt der Vorschlag der EU-Kommission der Regierung einen Denkimpuls, und das Konzept wird nochmal überarbeitet. Hoffen darf man - auch in Deutschland.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.