Kommentar
13:40 Uhr, 22.11.2010

USA: Entspannungskurs am Hypothekenmarkt nimmt etwas Fahrt auf

  • Die Daten zu den Ausfallraten von Hypotheken zeigen, dass sich die Situation am Hypothekenmarkt etwas stärker als bislang entspannt. Der Anteil der Hypotheken mit Zahlungsrückständen ist im dritten Quartal 2010 von 9,85 % auf 9,13 % gefallen. Der Anteil der Hypotheken mit schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen (d.h. länger als 90 Tage) nahm ebenfalls von 4,57 % auf 4,39 % ab. In beiden Fällen waren die Rückgänge dreimal so hoch wie im zweiten Quartal. Die Detailinformationen zu den Zahlungsverzögerungen bis 30, 60 und 90 Tage sind ebenfalls erfreulich.
  • Die Krise am Hypothekenmarkt verringert sich. Sie stellt aber weiterhin eine Belastung dar. Die Hypothekenkrise ist nur ein Teil der umfassenden Kreditkrise. Erst wenn es umfassende Verbesserungen in allen Kreditbereichen gibt, kann die Volkswirtschaft auf einen kräftigen Aufschwungspfad einschwenken.

1. Bereits gestern Nachmittag wurden von der Mortgage Bankers Association (MBA) Daten zu den Zahlungsrückständen und Zwangsvollstreckungen bei Hypothekenkrediten („Mortgage Delinquencies“) veröffentlicht. Sie zeigen, dass der Hypothekenmarkt seinen Entspannungskurs fortgesetzt hat. So hat sich der Anteil der Hypotheken mit Zahlungsrückständen im dritten Quartal von 9,85 % auf 9,13 % verringert. Der Anteil der tatsächlichen Zwangsvollstreckungen sank im dritten Quartal von 4,57 % auf 4,39 %. In beiden Fällen haben sich die im Vorquartal begonnenen Abwärtsentwicklungen beschleunigt. Allerdings sind die Anteile weiterhin sehr hoch – es liegt also weiterhin eine Hypothekenkrise vor.

Vor kurzem sorgten Nachrichten über einen Hypothekenskandal für Aufregung. Im Zuge dessen setzten mehrere Banken ihre Maßnahmen zur Zwangsvollstreckungen landesweit aus. Nach Angaben von der Mortgage Bankers Association sind die Zahlen für das dritte Quartal hierdurch nicht beeinflusst worden. Mögliche Verzerrungen werden für das laufende bzw. das erste Quartal 2011 aber nicht ausgeschlossen.

2. Der Blick in die Detailstatistiken zeigt, dass in fast allen Segmenten die Anteile der Hypotheken gesunken sind, bei denen eine schwerwiegende Zahlungsverzögerung vorliegt (d.h. länger als 90 Tage). Im Subprime-Bereich sanken die Anteile am deutlichsten sowohl für feste Verzinsung auf 20,34 % (von 20,61 %) als auch für variable Verzinsung auf 40,17 % (von 40,53 %). Zum zweiten Mal in Folge sind auch im Prime-Segment die entsprechenden Anteile für Hypotheken mit fester Verzinsung auf 4,67 % (von 4,91 %) gesunken. Stagniert hat dagegen der Anteil für Hypotheken mit variabler Verzinsung auf 17,77 %.

3. Zwingend erforderlich für eine weitere Verbesserung im Bereich der schwerwiegenden Zahlungsverzögerungen ist es, dass die Anteile mit Zahlungsverzug von 30, 60 und 90 Tagen sinken. Diese stellen einen Nährboden für weitere schwerwiegende Zahlungsverzögerungen dar (eine schwerwiegende Zahlungsverzögerung liegt dann vor, wenn die Verzögerung länger als 90 Tage beträgt oder der Prozess der Zwangsvollstreckung in Gang gesetzt worden ist). Die erfreulichen Entwicklungen vom Vorquartal haben sich im dritten Quartal nicht nur fortgesetzt, sondern sich fast ausnahmslos verstärkt. In nahezu allen Bereichen (30, 60, 90 Tage) sind die Anteile der Zahlungsverzögerungen im Vergleich zum Vorquartal gesunken. Eine Ausnahme bilden Zahlungsverzögerungen mit 90 Tagen im Bereich der variablen Verzinsung von Subprime- Hypotheken, deren Anteil nicht nur angestiegen ist, sondern ein neues Rekordhoch erreicht hat. Insgesamt überwiegen aber die Verbesserungen, zumal die Vorquartalswerte durch staatliche Unterstützungsmaßnahmen im Immobiliensektor vermutlich aufpoliert gewesen waren. Es ist also durchaus möglich, dass die Verbesserung am Hypothekenmarkt schneller erfolgt, als es die gestrigen Zahlen andeuten.

4. Die Krise am Hypothekenmarkt verringert sich. Sie stellt aber weiterhin eine Belastung dar. Die Auswirkungen der Hypothekenkrise auf die Konsumtätigkeit der privaten Haushalte ist nur indirekter Natur: Die Hypothekenkrise stellt aus makroökonomischer Sicht in erster Linie ein Problem der Banken dar, die hierdurch in ihrer Kreditvergabemöglichkeit insbesondere an kleine Unternehmen eingeschränkt sind. Diese kleinen Unternehmen sind wiederum entscheidend für die Beschäftigungsentwicklung und damit für die Einkommensdynamik der privaten Haushalte. Erst an dieser Stelle kommt die Hypothekenkrise auch bei der Konsumdynamik an. Von einer direkten Belastung, beispielsweise weil die privaten Haushalte überschuldet sind, kann kaum gesprochen werden, denn in diesem Fall hätte die Sparquote kontinuierlich ansteigen müssen. Dies ist seit Beginn des Aufschwungs aber nicht geschehen. Der sich nun abzeichnende Abwärtstrend bei den Ausfallraten und den Zahlungsverzögerungen ist sicherlich erfreulich. Er stellt aber nur einen wenn auch prominenten Teil der Krise dar. Diese Krise ist keine alleinige Hypothekenkrise, sondern umfasst alle Kreditbereiche. Erst wenn es umfassende Verbesserungen in allen Kreditbereichen gibt, kann die Volkswirtschaft auf einen kräftigeren Aufschwungspfad einschwenken. Unserer Einschätzung nach wird dies erst im Laufe des kommenden Jahres möglich sein.

Rudolf Besch - Analyst bei der Deka Bank

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