Kommentar
06:21 Uhr, 29.05.2018

US-Zinswende: Sind die Zinsen schon um 4% gestiegen?

In den USA läuft die Zinswende. Bisher gab es 6 Zinsschritte nach oben, was 1,5 Prozentpunkten entspricht. Woher kommen da die 4%?

Unlängst geisterte ein ziemlich interessanter Chart durch die Finanzmedien (siehe Grafik). Es geht dabei darum, wie stark die US-Notenbank die Zinsen bisher angehoben hat. Der Leitzins, die Fed Funds Rate, wurde in 6 Schritten um 1,5 Prozentpunkte angehoben. Daran kann man nicht rütteln. Das sind die Fakten.

Es gibt jedoch auch eine andere Sichtweise. Bei dieser wird die sogenannte Wu-Xia Shadow Rate als Maßstab herangezogen. Da die Notenbank die Zinsen nur auf 0 % senken konnte und nicht das Experiment wagte, den Refinanzierungssatz ins Negative zu drücken, wissen wir nicht genau, wie tief die Zinsen eigentlich waren.

Die Fed Funds Rate war immer positiv, doch diese berücksichtigt nicht die drei QE-Programme. Diese hatten zweifellos einen nennenswerten Effekt. Die QE-Programme orientierten sich vor allem an längerfristigen Zinsen und drückten diese auf ein noch nie dagewesenes Tief. Das muss auch etwas wert sein.

Die Shadow Rate versucht dem Rechnung zu tragen. Unter Berücksichtigung von QE lagen die Zinsen in den USA einmal bei -2,89 %. Nimmt man diesen Wert als Ausgangspunkt, sind die Zinsen inzwischen schon um 4,6 % gestiegen. Das ist ziemlich stattlich. Im letzten Zyklus lag das Plus bei gerade einmal 4,4 %. Es ist unter dieser Betrachtungsweise die größte Zinswende seit 30 Jahren.

Die Betrachtung ist allerdings recht unsinnig. Es ist ein theoretischer Zinssatz, der durchaus seine Berechtigung hat, um der außergewöhnlichen Zinspolitik ein Gesicht zu geben. Dieser berechnete Wu-Xia Zinssatz hat allerdings wenig mit der Realität zu tun. Niemand hat jemals einen Zins von -2,89 % bezahlt.

Die Zinsen wurden sowohl am langen als auch am kurzen Ende gedrückt. Es lässt sich jedoch nicht sagen, dass QE die Zinsen wesentlich tiefer gedrückt hat als einfach nur ein Leitzins von 0 %. Unternehmen mit sehr niedriger Bonität (CCC-Rating) zahlten trotz QE in diesem Niedrigzinszyklus mehr als vor der Krise.

Anleihen von Unternehmen mit einem Rating, welches gerade noch im Investment Grade Bereich liegen, zahlen heute 1,5 Prozentpunkte mehr als etwa Anfang der 50er Jahre. Unternehmen mit bester Bonität zahlen einen Punkt mehr als vor 70 Jahren.

Auch Staatsanleihen mit einer Mindestlaufzeit von 10 Jahren rentierten kaum niedriger, als es historisch schon der Fall war. Der Staat konnte im Vergleich zu vor 70 Jahren gerade einmal einen halben Prozentpunkt sparen.

Ich habe also meine Zweifel, dass wir wirklich von einem so großen Zinsanstieg sprechen können, wie es teils getan wird. Durch QE waren die Zinsen höchstwahrscheinlich niedriger als ohne, doch hierfür mehr als einen Prozentpunkt zu geben, halte ich für abenteuerlich. Es lässt sich auf Basis historischer Daten einfach nicht begründen. Anstatt also 4,6 % zu entsprechen, sind es in dieser Zinswende bisher vielleicht 2,7 % gewesen.

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1 Kommentar

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  • braquzi
    braquzi

    „Zinsen um 4% gestiegen“ ist sachlich falsch. Was der Autor sicher meint, sind vier Prozentpunkte. Aber wir sind ja hier zum Glück nicht bei Geldthemen oder Mathematik...;-)

    06:30 Uhr, 29.05. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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