Kommentar
11:33 Uhr, 02.10.2025

US-Politikunsicherheit dämpft Kreditvergabe in der Eurozone

Eine neue Analyse zeigt, wie Unsicherheiten bezüglich der US-Wirtschaftspolitik die Unternehmensfinanzierung in Europa direkt beeinträchtigen. Dies führt nicht nur zu weniger Krediten und Investitionen, sondern schwächt auch die Wirksamkeit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank erheblich.

Eine erhöhte Unsicherheit über die amerikanische Wirtschaftspolitik hat spürbare negative Folgen für die Kreditvergabe an Unternehmen im Euroraum. Laut einer aktuellen Studie von Ökonomen der Europäischen Zentralbank (EZB) führt ein signifikanter Anstieg der in den USA wahrgenommenen Unsicherheit zu einem Rückgang des Kreditwachstums in der Eurozone, der nach etwa zwei Jahren einen Spitzenwert von rund 0,5 Prozentpunkten erreicht. Dieser Effekt wird in Phasen hoher Volatilität an den Finanzmärkten sogar noch verstärkt und kann den Rückgang um weitere 0,3 Prozentpunkte verschärfen.

Divergenz zwischen Politik und Märkten

Die Analyse stützt sich auf den Economic Policy Uncertainty Index (EPU), der die Häufigkeit politikbezogener Schlüsselbegriffe in führenden Zeitungen misst. In den vergangenen Jahren haben Ereignisse wie der Brexit, die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine diesen Index auf Rekordhöhen getrieben. Aktuell tragen geopolitische Risiken und Unklarheiten über die US-Handelspolitik zu einer anhaltend hohen Unsicherheit bei.

Bemerkenswert ist dabei eine zunehmende Entkopplung: Während die politische Unsicherheit hoch bleibt, verharrt die Volatilität an den Finanzmärkten auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Dies hat die Analysten zu der Frage veranlasst, inwieweit politische Unsicherheit allein, auch ohne begleitende Marktturbulenzen, die Realwirtschaft belasten kann. Die Antwort ist eindeutig: Die negativen Effekte sind signifikant.

Banken ziehen die Zügel an

Die Untersuchung zeigt, dass Banken als zentraler Übertragungskanal für diese Unsicherheit fungieren. Institute im Euroraum reagieren auf eine Zunahme der US-Unsicherheit mit einer Verschärfung ihrer Kreditkonditionen. Dieser Effekt ist besonders stark bei Banken ausgeprägt, die ein hohes Engagement im US-Dollar aufweisen. Sie reduzieren nicht nur das Volumen der neu vergebenen Kredite stärker als ihre Wettbewerber, sondern erhöhen auch die Zinssätze und verkürzen die Laufzeiten.

Die Bilanzqualität der Banken spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Kreditinstitute mit geringerer Liquidität oder einem höheren Anteil an notleidenden Krediten reagieren besonders empfindlich. Ein Unsicherheitsschock führt bei Banken mit niedrigen Liquiditätsreserven zu einem um etwa einen Prozentpunkt stärkeren Rückgang des Kreditwachstums im Vergleich zu Instituten mit soliderer Ausstattung. Diese Divergenz bleibt bis zu zwei Jahre nach dem ursprünglichen Schock bestehen und verdeutlicht, wie die individuelle Verfassung einer Bank ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Einflüssen bestimmt.

Geldpolitik verliert an Schlagkraft

Die Ergebnisse haben weitreichende Implikationen für die Geldpolitik. Eine hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit, die beispielsweise von plötzlichen Änderungen in der US-Handels- oder Fiskalpolitik ausgeht, schwächt die Transmissionskanäle der EZB. In einem solchen Umfeld verlieren geldpolitische Impulse an Wirkung.

Die Analyse legt nahe, dass die stimulierende Wirkung einer Zinssenkung um 100 Basispunkte auf die Unternehmensinvestitionen um rund 20 % geringer ausfällt, wenn die Unsicherheit hoch ist. Dies bedeutet, dass die Zentralbank in unsicheren Zeiten möglicherweise stärkere Maßnahmen ergreifen muss, um die gewünschten wirtschaftlichen Effekte zu erzielen.

Fazit

Die Studie unterstreicht die enge Verflechtung der amerikanischen und europäischen Volkswirtschaften. Politische Unsicherheiten aus den USA schwappen direkt auf den europäischen Unternehmenssektor über, indem sie die Kreditversorgung einschränken und Investitionsentscheidungen verzögern. Für Unternehmen im Euroraum bedeutet dies schwierigere Finanzierungsbedingungen. Die Europäische Zentralbank steht vor der Herausforderung, dass ihre Instrumente in einem von externen Faktoren geprägten Umfeld an Effektivität einbüßen. Was könnte das bedeuten? Es wäre gut denkbar, dass die EZB, sofern die Inflation dies zulässt, die Zinsen noch stärker senken wird als ohne die externen Faktoren.

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen