Kommentar
11:11 Uhr, 02.06.2017

US-Inflation vs. Eurozoneninflation: Wer macht das Rennen?

Oft wird gesagt, dass die US-Wirtschaft sehr viel dynamischer sei als die europäische und daher auch die Inflation höher sei. Das ist zwar nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig.

Notenbanken hecheln noch immer ihren Inflationszielen hinterher. Die Zeiten waren schon schlechter, doch nachhaltig ist die Zielmarke von 2 % noch nicht erreicht. In der Eurozone pendelt die Inflation unterhalb dieser Marke, in den USA pendelt sie um diese Marke herum.

Das ist vielleicht etwas überraschend, denn die Inflationsrate in den USA touchierte unlängst die Marke von 3 %. Dagegen sah die europäische Teuerungsrate ziemlich niedlich aus (unterhalb von 2 %). Es verleitete auch zu der Vermutung, dass die US-Wirtschaft viel dynamischer und überhaupt generell besser läuft als hierzulande. Das ist falsch.

Die Inflationsrate, die die USA ausweisen, ist nicht die gleiche, die von unseren Statistikämtern berechnet wird. Man vergleicht Äpfel mit Birnen, wenn man die zwei unterschiedlichen Inflationsraten gegenüberstellt. Dafür gibt es zum Glück Abhilfe. In Europa wird für die USA ebenfalls ein harmonisierter Verbraucherpreisindex (HPI) berechnet.

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Vergleicht man die HPIs und die daraus resultierende Inflationsrate (siehe Grafik), dann zeigt sich, dass die Lage dies- und jenseits des Atlantiks ziemlich ähnlich ist. Die Phase der Deflation (aufgrund fallender Rohstoffpreise) in den Jahren 2014 und 2015 war in den USA sogar ausgeprägter als bei uns. Die Erholung verlief ziemlich parallel, wobei die Inflation in der Eurozone konsequent etwas niedriger war als in den USA.

Derzeit ergibt sich langsam aber sicher ein anderes Bild. Die Inflationsrate beginnt in den USA eine Underperformance. Das kann mehrere Dinge bedeuten. Einerseits ist es möglich, dass die USA einfach an Dynamik verlieren und wir sie hier gewinnen. Andererseits ist der Unterschied noch nicht so signifikant, dass man gleich von einer Entkopplung sprechen könnte.

Die US-Inflationsrate tendierte über weite Strecken des letzten Aufschwungs bis 2008 zu höheren Werten als in der Eurozone. Ebenso verhielt es sich während der Erholung direkt nach der Krise. Seit 2012 ist die Entwicklung recht ähnlich.

In der Eurozone kommen so viele unterschiedliche Länder zusammen, die sich nicht alle im gleichen Stadium des Auf- oder Abschwungs befinden, dass die Inflation etwas moderater ausfällt und insgesamt stabiler ist. Wenn sie dann aber oberhalb der US-Rate liegt, bedeutet das schon etwas. Ob es in den nächsten Monaten dazu kommt, bleibt abzuwarten. Es wäre jedenfalls ein starkes Signal.

Wenn man den beiden Notenbanken zuhört, dann fällt vor allem ein Punkt auf: die US-Notenbank spricht davon, dass sie ihr Inflationsziel praktisch erreicht hat. Die EZB betont immer wieder, dass man extrem vorsichtig bleiben müsse, um die Zielerreichung auch zu gewährleisten. Da die Inflation in der Eurozone und den USA auf vergleichbarer Basis absolut parallel verlaufen und ähnlich hoch sind, fragt man sich manchmal schon wie es zu so verschiedenen Interpretationen kommen kann.

Die EZB jammert noch immer über die Inflation, die Fed erklärt öffentlich, dass das Ziel mehr oder minder erreicht ist. Das ist ein eklatanter Unterschied. Die EZB rechtfertigt zudem ihre Ultraniedrigzinspolitik mit der Inflation. Das ist schon ein Hohn, wenn man sie mit den US-Daten vergleicht.

Zugegeben, die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist höher als in den USA. Aber: im Gegensatz zur Fed hat die EZB nur ein Mandat (Preisstabilität) und nicht zwei wie die US-Notenbank (Preisstabilität und Vollbeschäftigung). Ginge es nur nach der Preisstabilität müsste die EZB handeln. Sie tut es aber nicht. Das legt den Schluss nahe, dass sie wie die Fed Arbeitsmarktpolitik betreibt, obwohl sie das gar nicht sollte.

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2 Kommentare

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  • JürgenSK
    JürgenSK

    Die Inflation soll doch eigentlich schon zwischen 3 und 5 % liegen ...nicht nur dieses Jahr....also hier arbeitet die EZB mit ein paar Rechenkunststücken...die die Bundesagentur mit den Arbeitslosenzahlen...ist eigentlich zum totlachen...

    23:57 Uhr, 02.06.2017
  • plungeboy
    plungeboy

    Von den Zentralbanken wird noch immer der falsche Irrglaube verbreitet, man müsste nur für Inflation sorgen und dann folgt das Wachstum. Hier wird (bewusst oder weil man es tatsächl. nicht besser weiß) Ursache und Wirkung verwechselt (und die Medien beten diese Argumentation verstandlos nach, denn was die EZB sagt, das muss ja richtig sein). Mein Verdacht ist: bewußt - man will die Schulden weginflationieren und nimmt das Opfer bei der "Normalbevölkerung" in Kauf, die man nach wie vor mit Kaufkraftverlust beschenkt bzw. in die hochpreisigen Börsen treibt. Das System für die 1% läuft wie geschmiert!

    13:46 Uhr, 02.06.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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