Fundamentale Nachricht
15:03 Uhr, 04.01.2017

Abgeltungssteuer auf dem Prüfstand: Die Abschaffung ist auch keine Lösung

Bis zu 45 Prozent Steuer auf Arbeit, aber nur 25 Prozent auf Kapitalerträge. Das Konzept der Pauschalsteuer auf Zinsen, Dividenden und andere Kapitaleinkünfte erscheint bizarr ungerecht. Doch der Teufel steckt im Detail.

Teile der Union, SPD, Grüne, Linkspartei und Gewerkschaften sprechen sich übereinstimmend dafür aus, die Pauschalsteuer von 25 Prozent auf Zinsen, Dividenden und andere Kapitaleinkünfte abzuschaffen. Es sei unzumutbar, dass Menschen von ihrer Arbeit am Ende des Monats bis zu 42 Prozent Steuern zahlen, während Erträge aus Kapitaleinkünften sich mit 25 Prozent davonschleichen können, heißt es etwa bei der Gewerkschaft. Die rot-rote Regierung des Landes Brandenburg hat bereits Anfang November einen Vorstoß gegen die Abgeltungssteuer für Kapitaleinkünfte in den Bundesrat eingebracht. Damit soll der Steuersatz mit der Höhe der Kapitaleinkünfte ähnlich der Einkommenssteuer steigen.

Zuletzt hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in einem Interview gegen die Abgeltungsteuer in ihrer jetzigen Form opponiert. „Ich finde es falsch, wenn Arbeitseinkommen höher besteuert werden als Einkommen aus Kapital und Vermögen“, so der SPD-Politiker. Dabei war es sein Parteifreund Peer Steinbrück, der im Jahr 2009 die Einführung dieser pauschalen Quellensteuer forcierte. Seither ziehen die Banken anonym 25 Prozent der Kapitalerträge ein und leiten das Geld an den Fiskus weiter. Frei nach Steinbrücks' Devise: 25 Prozent von x sind besser als 42 Prozent von nix. Die Formel ist als Kompromiss zu verstehen: Der vergleichsweise niedrige Steuersatz sollte Steuerflucht vermeiden und der Fiskus sich wenigstens einen Teil der Steuern auf Kapitalerträge sichern. Denn seinerzeit war die Verlagerung von Vermögen und Kapital noch relativ einfach möglich. Einen internationalen Austausch der Steuerbehörden und Banken gab es nur in Ansätzen.

Nun ist aber ein günstiger Zeitpunkt, das Regime der Abgeltungssteuer neu zu hinterfragen. 2017 soll der von gut 100 Ländern vereinbarte automatische Informationsaustausch in Kraft treten. Große Finanzzentren und bisherige Steueroasen sind mit an Bord. Die Hinterziehung von Kapitaleinkünften und Schwarzgeld ins Ausland wird erkennbar erschwert. Deutsche Finanzämter haben künftig informativen Zugriff auf Auslandskonten. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) fungiert dabei als Daten-Sammelstelle. Damit fällt im Grunde das Argument für die bei vielen unbeliebte Pauschalsteuer weg. Denn warum nicht die Erträge aus Kapital wie andere Einkünfte mit dem persönlichen, nicht selten höheren Steuersatz belasten, wenn eine Kapitalflucht gar nicht mehr so einfach möglich ist?

Doch auf den zweiten Blick ist das seit 2009 laufende System so ungerecht nicht. Und ob eine Streichung der Pauschale und eine Anpassung an die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers dem Staat Mehreinnahmen einbringen wird, bleibt ohnehin fraglich. Denn der Teufel steckt im Detail: Die Abgeltungsteuer beschert dem Fiskus aktuell zwischen 25 und 30 Milliarden Euro (inkl. Aufkommen aus nicht veranlagten Steuern). Das Gros, rund Dreiviertel dieser Summe, stammt aus Dividenden. Zinsen und Veräußerungsgewinne generieren den Rest.

Gewinne von Kapitalgesellschaften werden im Unternehmen mit bis zu 30 Prozent Körperschaft- und Gewerbesteuer belegt. Die ausgeschütteten Gewinne an die Gesellschafter unterliegen der 25-prozentigen Abgeltungssteuer. Vor 2009 galt das Halbeinkünfteverfahren, nach dem Dividenden nur zur Hälfte besteuert wurden, was zu ähnlichen Belastungen wie heute führte. Veräußerungen waren nach Ablauf einer Spekulationsfrist steuerfrei. Zu dem Halbeinkünfteverfahren müsste man bei der Rückführung der Ausschüttungen unter das Einkommenssteuer-Regime aller Voraussicht nach zurückkehren, sollte die Steuerquote nicht ausufern, was sich ein führender Investitionsstandort nicht leisten sollte.

Darüber hinaus gilt: Sollten Kapitalerträge unter die Einkommensteuer fallen, dürften Verluste aus Investments wieder mit anderen Einkünften verrechnet werden. Das Steueraufkommen aus Zinseinkünften könnte durch die Reintegration in die Einkommensteuer indes steigen. Der Preis wäre freilich ein höherer Verwaltungsaufwand.

2 Kommentare

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  • TradeJo
    TradeJo

    Müssen ausländische Investoren, die Dividenden auf deutsche Aktien erhalten, eigentlich auch eine Abgeltungssteuer für Kapitalerträge zahlen? Soweit ich weiß erhebt die USA ja auf Dividenden eine Quellensteuer.

    12:26 Uhr, 06.01.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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