Üppige Bewertungen von US-Aktien lassen günstigere Alternativen strahlen
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Mit Blick auf US-Aktien stellt Temple derzeit „üppige“ Bewertungen fest: Der nach Marktkapitalisierung gewichtete S&P 500 notiere bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 29,5. „Eine Prämie auf US-Titel ist mit Blick auf den Return on Equity durchaus angemessen. Dennoch sind die Bewertungsaufschläge in ihrer derzeitigen Höhe meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt. Hier werden sich viele Anleger fragen: Wenn ich perspektivisch zwischen vier und fünf Prozent Rendite für eine zehnjährige Treasury-Anleihe oder sechs Prozent für eine Baa-Unternehmensanleihe erwarten kann, möchte ich dann heute ein durchschnittliches KGV von 21 für US-Aktien bezahlen? Wohl eher nicht!“, so Temple.
Das hohe KGV bei den US-Aktien werde zurzeit stark von den Tech-Titeln im S&P 500 verzerrt, deren KGV Temple für besonders hoch hält. Insbesondere die so genannten „Magnificent 7“ seien seit geraumer Zeit in aller Munde. Doch ein Blick auf die aktuelle Kursentwicklung zeige laut Temple, „dass ein Rebranding hin zu den ‚Fabulous Five‘ erforderlich wäre“.
Die Rallye der fünf Top-Titel könne laut Temple nur dann weiter funktionieren, wenn deren Produkte für ihre Geschäftskunden nachweisbar Mehrwert schafften, der sich in Umsatzwachstum und Kursgewinnen niederschlage. „Eine solche Entwicklung würde auch die Werte der Fab Five stützen. Bleibt jedoch der Return on Investment aus, dann wird deren Momentum einen erheblichen Dämpfer abbekommen“, sagt Temple. Insgesamt sollten sich Anleger deshalb aus Sicht des Experten vom kapitalisierungsgewichteten Index wegbewegen, hin zu Small- und Mid-Caps.
Aufwärtstrend in Japan
Im Vergleich zu teuren US-Titeln sind nach Ansicht von Temple derzeit die Aktienmärkte abseits der USA interessant – besonders solche in Schwellenländern und Japan. „Meine Erwartung ist, dass wir in Japan noch weitere zwei bis drei Jahre einen Aufwärtstrend sehen werden. Dort dürfte eine Teuerungsrate von ein bis zwei Prozent nachhaltig sein, was Folgen für Konsum- und Anlageverhalten hat“, erklärt Temple. Bislang habe Deflation in Japan dafür gesorgt, dass Ausgaben aufgeschoben worden seien. Zudem hätten japanische Haushalte bislang 55 Prozent ihres Finanzvermögens in Bar oder als Bankeinlagen gehalten, nur 9,9 Prozent in Form von Aktien und noch weniger in Anleihen. Beides sei angesichts der Inflation unwirtschaftlich. In der Folge hätten sich die Zuflüsse in das von der japanischen Regierung geförderte Altersvorsorgeprogramm NISA verdreifacht. Fünfzig Prozent dieser Mittel flössen wiederum in japanische Aktien. „Wahrscheinlich werden die japanischen Verbraucher zukünftig viel Kapital in japanische Aktien und andere Vermögenswerte umschichten. Das könnte den Aktienmarkt über mehrere Jahre hinweg wirklich beflügeln“, so der Experte.
Zudem forciere die Tokioter Börse (TSE) seit rund anderthalb Jahren Corporate-Governance-Reformen, die die japanische Regierung bereits vor Jahrzehnten angestoßen habe. Dies führe in vielen Fällen zu Rückkäufen und Dividenden in Rekordhöhe. Vor allem aber fließe Kapital an die Aktionäre, die es wiederum reinvestierten. Das sei gut für das Wachstum. Die TSE habe außerdem angekündigt, dass alle börsennotierten Unternehmen ab März 2025 ihre Jahresabschlüsse sowohl auf Japanisch als auch Englisch veröffentlich müssten. Dies sei laut Temple „ein wichtiger Schritt für Japan, um globales Kapital anzuziehen.“
Gegenwind für China
Eine weitere signifikante Veränderung der globalen Kapitalströme erwartet Temple in den kommenden Jahren in China. Dort komme es zu einem scharfen Rückgang ausländischer Direktinvestitionen: Im dritten Quartal des vergangenen Jahres habe China erstmals seit Beginn der Erhebung im Jahr 1998 negative Direktinvestitionen verzeichnen müssen. Firmen hätten also mehr Kapital aus China abgezogen, als sie in das Land hineininvestiert hätten, nachdem in den vergangenen 15 Jahren zuvor nahezu alle Schwellenländer-Direktinvestitionen nach China geflossen seien.
Für die nächsten zehn bis 15 Jahre erwartet Chef-Marktstratege Temple eine 180°-Wende: „Aufgrund geopolitischer Spannungen und steigender Produktionskosten werden wir einen beträchtlichen Kapitalfluss in andere Regionen sehen. Nahezu alle Direktinvestitionen in die Emerging Markets werden in diesem Zeitraum in andere Schwellenländer wie Mexico, Indonesien, Thailand und Indien fließen.“
Hinzu komme, dass diese Emerging Markets ohnehin schon signifikant schneller als die Eurozone, die Vereinigten Staaten oder Japan wüchsen. „Wenn EZB und Fed mit ihren Zinssenkungen beginnen, dann werden die Zentralbanken in den Schwellenländern hier noch stärker nachlegen, da sie die Wechselkurse ihrer Währungen nicht mehr so vehement verteidigen müssen“, erläutert Temple. „Das wird das Wachstum in diesen Märkten zusätzlich ankurbeln.“ Der Finanzexperte erwartet insgesamt eine gute Entwicklung von Anleihen, Aktien und Währungen der Schwellenländer.
Links liegen lassen sollten Anleger China laut Temple allerdings nicht: „In einem ausgewogenen EM-Aktienportfolio würde ich mir entsprechende Titel in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht entgehen lassen. Der chinesische Aktienmarkt ist nach wie vor der am günstigsten bewertete unter den großen Aktienmärkten der Welt.“ Das Regime bemühe sich derzeit zudem mithilfe von dutzenden Stimulusmaßnahmen darum, die Wirtschaft anzukurbeln und damit indirekt auch die Nachfrage auf dem krisengeplagten Wohnungsmarkt zu stärken. „Die Impulse dieser Stimuli sind meiner Einschätzung nach noch nicht eingepreist. Die Psychologie ist derzeit sehr negativ, Chancen gibt es aber nach wie vor“, so der Ökonom.
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