Studie: EZB-Geldpolitik schadet Vermögensaufbau von Ärmeren
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Im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen hat das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) die Auswirkungen der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) seit 2011 untersucht. Mit Null- und Negativzinsen und Wertpapierkäufen versuchte die EZB, die Folgen von Finanzkrise, Euro-Krise und Corona-Pandemie abzumildern.
Laut Studie hat die EZB-Geldpolitik bisher noch nicht zu einer "entscheidenden Veränderung der Vermögensverteilung in Deutschland" geführt. So habe es in allen Vermögensklassen Gewinner und Verlierer der lockeren Geldpolitik gegeben. Bei einer Fortsetzung der lockeren Geldpolitik könnte sich dies allerdings ändern.
Die EZB-Geldpolitik senkt laut Studie einerseits die Finanzierungskosten und treibt gleichzeitig Betriebsvermögen und Immobilienpreise in die Höhe. Von der Geldpolitik könnten damit vor allem Menschen profitieren, die Unternehmens- oder Immobilienvermögen besitzen. "Reichere Haushalte, die ihr Vermögen in riskanteren Vermögensanlagen halten, in Betriebsvermögen, vermieteten Immobilien, einzelnen Aktiengattungen oder Spezialfonds" könnten ihr Vermögen durch die lockere Geldpolitik "leichter mehren", schreibt das IW in seiner Pressemitteilung zur Studie.
"Von der expansiven Geldpolitik haben vor allem die Haushalte profitiert, die in der Vorkrisenzeit eine Immobilie erworben und finanziert haben und die bei sinkenden Zinsen ihre Kreditkosten senken konnten und gleichzeitig von steigenden Immobilienpreisen profitiert haben", heißt es in der Studie. "Während viele Haushalte im Vergleich zur Vorkrisenzeit nun günstigere Finanzierungskosten und höhere Immobilienpreissteigerungen verzeichnen können, sind diese Effekte für Haushalte, die keine Immobilie besitzen oder die aktuell in den Immobilienmarkt einsteigen, trotz günstiger Finanzierungsbedingungen weniger vorteilhaft."
Laut Studie könnten ärmere und jüngere Haushalte bei einer Fortsetzung der lockeren Geldpolitik wachsende Schwierigkeiten bekommen, überhaupt Vermögen zu bilden. Denn einerseits müssten immer höhere Immobilienpreise oder Mieten geschultert werden, andererseits seien ärmere Menschen stärker auf risikoarme Anlageformen angewiesen, die kaum noch eine Rendite abwerfen.
Allerdings sind die Auswirkungen der lockeren Geldpolitik der EZB nicht durchweg negativ für ärmere Haushalte. So seien etwa die günstigeren Finanzierungsbedingungen vor allem für ärmere Haushalte von Vorteil gewesen, da bei diesen Haushalten die Schulden eine wichtige Rolle in der Vermögensbilanz spielen. Wer wenig Kapital besaß, aber in Immobilien investierte, profitierte demnach besonders stark von der Niedrigzinsphase. Andererseits belasten Niedrigzinsen und steigende Vermögenspreise vor allem junge Haushalte, die jetzt Vermögen aufbauen wollen. Zu den Verlierern gehören laut Studie insbesondere Haushalte, die nicht in Immobilien investiert haben bzw. konnten und ihr Vermögen vor allem in festverzinslichen Produkten investieren.
Die Vermögenszuwächse bei Betriebsvermögen betrachtet die Studie vor allem als Bewertungsgewinne, die nicht zu Konsumzwecken zur Verfügung stünden und deshalb auch nicht zusätzlich besteuert werden sollten. Durch die Zinspolitik würden "die Besitzer von Betriebsvermögen, also die Familienunternehmer, künstlich reich gerechnet", meinte Professor Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, laut Pressemitteilung zu den Ergebnissen der Studie. "Die im Rahmen der Unternehmensbewertung zurückgerechneten künftigen Erträge ergeben theoretisch höhere Unternehmenswerte, ohne dass sich die Gewinnchancen verändert hätten. Eine Substanzsteuer, insbesondere eine Vermögensteuer auf die Unternehmenswerte ist schon deshalb falsch. Der bessere Weg ist die staatliche Förderung zur Bildung von Vermögen", meint Kirchdörfer.
Um auch ärmeren Bevölkerungsschichten den Vermögensaufbau zu ermöglichen, empfiehlt die Studie Verbesserungen bei der Arbeitnehmersparzulage, eine Senkung der Grunderwerbsteuer und eine Förderung der bisher in Deutschland eher schwach ausgeprägten Aktienkultur. "Hierbei sollte der Fokus vor allem auf dem Beitrag des Aktienmarkts für den langfristigen Vermögensaufbau und für die Altersvorsorge liegen", schreiben die Autoren der Studie. Auch ein staatlicher Pensionsfonds, der für alle künftigen Rentenempfänger in Aktien investiere, sei denkbar. Die FDP fordert in ihrem Wahlprogramm etwa eine solche "gesetzliche Aktienrente". Um das Problem der stark steigenden Immobilienpreise in den Griff zu bekommen, empfiehlt die Studie vor allem eine Ausweitung der Bautätigkeit und eine Reduzierung der Erwerbsnebenkosten wie der Grunderwerbssteuer.
Mit einem schnellen Ende der lockeren EZB-Geldpolitik rechnen die Autoren der Studie nicht. Allerdings mache die Transformation der Wirtschaft in Richtung Digitalisierung und Klimaneutralität höhere Investitionen notwendig und könnte damit auch zu einer steigenden Kreditnachfrage und steigenden Zinsen beitragen. "Eine höhere Nachfrage der Unternehmen nach Krediten zur Finanzierung dieser Investitionen würde zu höheren Zinsen führen, die sich dann auch in höheren Sparzinsen und höheren Zentralbankzinsen widerspiegeln werden", heißt es in der Studie. Auch der jüngste Inflationsanstieg dürfte über steigende Inflationserwartungen zu nominal steigenden Zinsen führen. Mit starken Zinsanstiegen in der nahen Zukunft sei allerdings nicht zu rechnen.
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