Studie: Erfolgreiche Trader denken antizyklisch
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Erwähnte Instrumente
Welche Strategie verspricht mehr Erfolg? Auf bestehende Trends aufspringen oder darauf spekulieren, dass sich Trends umkehren? Während die meisten Verfechter der technischen Analyse wahrscheinlich Trendfolgeansätze für erfolgversprechender halten („The trend is your friend“), argumentieren viele fundamental orientierte Anleger eher antizyklisch. Sie warten auf einen günstigen Zeitpunkt zum Einstieg, zum Beispiel nach einem Kurseinbruch, und verkaufen, nachdem die Kurse stark gestiegen sind. Auch US-Starinvestor Warren Buffett denkt antizyklisch. „Sei ängstlich, wenn andere gierig sind, und sei gierig, wenn andere ängstlich sind“, riet Buffett vor einigen Jahren.
Eine Untersuchung von amerikanischen Wissenschaftlern scheint nun zu bestätigen, dass Buffett zumindest mit dem ersten Teil seines Zitats goldrichtig liegt. Forscher der US-Universitäten Caltech und Virginia Tech simulierten den Börsenhandel in einem künstlichen Experiment und werteten mithilfe von Gehirnscans aus, was erfolgreiche Marktteilnehmer von erfolglosen Tradern und Investoren unterscheidet.
Das Experiment bestand aus 16 Trading-Sessions mit insgesamt 320 Teilnehmern. Jeder Teilnehmer erhielt am Anfang 100 Einheiten einer künstlichen Währung und sechs Stück eines künstlichen Wertpapiers. Anschließend konnten die Teilnehmer zu 50 verschiedenen Zeitpunkten kaufen, verkaufen oder nichts tun. Zu jedem dieser Zeitpunkt schütteten die Wertpapiere zufallsbestimmt eine Dividende in Höhe von 0,4 oder 1,0 Währungseinheiten aus, während die Geldbeträge mit 5 % verzinst wurden. Der Marktpreis, zu dem die Wertpapiere gehandelt wurden, hing ausschließlich von Angebot und Nachfrage ab. Ziel der Teilnehmer war es, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Am Ende der Trading-Session wurden die Wertpapiere gegen 14 Währungseinheiten eingetauscht. Dadurch war der fundamentale Wert der künstlichen Wertpapiere zum Schlusszeitpunkt auf 14 Währungseinheiten festgezurrt.
Die Papiere wurden aber häufig dennoch zu einem Vielfachen dieses Preises gehandelt, es kam also zur Bildung von Preisblasen. Zum Höhepunkt einer Blase kosteten die Wertpapiere im Mittel 64,3 Währungseinheiten. In einem Extrem wurde sogar ein Kurs von 156,01 Währungseinheiten erreicht. Die Forscher folgern daraus, dass eine Blasenbildung mit übertriebenen Bewertungen natürlich ist und auch ohne Fehlinformationen der Marktteilnehmer entstehen kann.
Die Trader wurden von den Forschern anhand ihrer Gewinne in dem künstlichen Markt in drei Gruppen eingeteilt. Anschließend wurde analysiert, wie die einzelnen Trader vorgingen. Die Gruppe der Trader mit dem geringsten Erfolg in dem Experiment waren überwiegend Momentum-Trader. Sie kauften bei einem starken Anstieg und hofften anschließend auf weitere Kursgewinne. Die Momentum-Trader waren in dem Experiment für die Entstehung von Preisblasen verantwortlich, weil sie nach einem Anstieg besonders aggressiv kauften und so den Preis (wenn auch nur kurzfristig) weiter nach oben trieben. Dabei kauften die Momentum-Trader besonders stark, wenn sich ein Top ausbildete, weshalb diese Trader zum Teil erhebliche Kursverluste in dem Experiment verbuchen mussten. Die Gruppe der Trader mit mittlerem Erfolg zeichnete sich durch eine geringe Risikoneigung aus und investierte meist nur geringe Summen in den künstlichen Markt, weswegen sowohl Gewinne als auch Verluste gering ausfielen. Die erfolgreichste Gruppe in dem Experiment agierte antizyklisch, kaufte also bei niedrigen Kursen und stieg nach einem starken Kursanstieg wieder aus.
Bei Auswertung der Gehirnscans, die nur bei einigen ausgewählten Teilnehmern des Experiments durchgeführt wurden, kamen die Forscher zu dem Ergebnis, das zwei unterschiedliche Gehirnregionen an der Entscheidung beteiligt sind, ob ein Wertpapier gekauft oder verkauft wird. Recht häufig anzutreffen ist, dass die Trader auf einen starken Preisanstieg bei einem Wertpapier geradezu euphorisch reagieren. Wird ein solches Kursmuster beobachtet, aktiviert sich das Belohnungszentrum im Gehirn. Viele Trader neigen dann dazu, bei und nach einem starken Kursanstieg in das jeweilige Finanzinstrument einzusteigen und auf eine Fortsetzung der starken Anstiegs zu hoffen. Dies war bei den (im Experiment eher erfolglosen) Momentum-Tradern besonders stark ausgeprägt. Bei den erfolgreichsten Tradern war diese Gehirnregion zwar ebenfalls aktiv, sie reagierten auf Aktivität in dieser Region aber weniger stark.
Eine zweite Gehirnregion war nur bei den erfolgreichsten Tradern in dem Experiment aktiv. Diese Gehirnregion machte die Trader ausgerechnet bei einem starken Kursanstieg nervös und warnte sie so vor einem Einstieg. Dabei war die Aktivität in dieser Gehirnregion am stärksten, kurz bevor die erfolgreichen Teilnehmer von kaufen auf verkaufen umschalteten und bevor eine Blase platzte. Diese Gruppe von Tradern tendierte also dazu, nach einem starken Kursanstieg zu verkaufen und Gewinne mitzunehmen. Die zweite Gehirnregion helfe den erfolgreichsten Marktteilnehmern in dem Experiment, Preisblasen zu erkennen und rechtzeitig zu verkaufen, folgern die Wissenschaftler. Durch die Verkäufe dieser Gruppe von Tradern kam es dann in der Folge auch jeweils zum Kollaps der Blase, wobei die Momentum-Trader große Kursverluste verbuchen mussten.
Fazit: In dem Experiment schnitten Trader mit einer antizyklischen Strategie am erfolgreichsten ab. Entscheidend war dabei, dass sie nach einem starken Kursanstieg verkauften und Gewinne mitnahmen. Bei diesen Tradern war eine bestimmte Gehirnregion nach einem starken Preisanstieg besonders aktiv und hinderte die Trader an weiteren Käufen. Die weniger erfolgreichen Marktteilnehmer spekulierten hingegen auf eine Fortsetzung des Preisanstiegs und schnitten meist schlecht ab, weil sie ausgerechnet zum Hochpunkt der Märkte am aggressivsten kauften.
Kritisch angemerkt werden muss allerdings, dass in dem Experiment ein künstlicher Markt simuliert wurde. Es handelte sich also um eine Vereinfachung, in der nur ausgewählte Aspekte realer Märkte simuliert wurden. So gab es in dem Experiment keine unterschiedlichen Wertpapiere, die gekauft werden konnten. Außerdem wurde der fundamentale Wert der Papiere ebenso wie das Zinsniveau auf bestimmte Werte festgelegt, was ebenfalls eine fragwürdige Annahme darstellt. In dem Experiment handelten keine professionellen Trader, sondern „normale Menschen“ ohne Markterfahrung - insbesondere Studenten der beiden Universitäten, an denen die Studie durchgeführt wurde. Inwiefern sich die Ergebnisse also auf reale Märkte übertragen lassen, muss zumindest kritisch hinterfragt werden.
Die Studie mit dem Titel "Irrational exuberance and neural warning signals during endogenous experimental market bubbles" der Wissenschaftler Alec Smith, Terry Lohrenz, Justin King, P.Read Montague und Colin F. Camerer ist in der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen.
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@ balkansahel - oder auch andere, die mir weiterhelfen können:
In welcher Ausgabe von Börse Online erschien dieser Test verschiedener Strategien?
Bzw. wie funktioniert besagte 200T-Linie-Strategie genau? Dh. wann wird gekauft, wann wird verkauft?
1000 Dank vorab für die Information und allzeit gute Trades!
Antizyklisches Handeln liegt natürlich immer im Ermessen des jeweiligen Händlers. In der Studie wird auch, wenngleich indirekt, von Intuition gesprochen.
"Eine zweite Gehirnregion war nur bei den erfolgreichsten Tradern in dem Experiment aktiv. Diese Gehirnregion machte die Trader ausgerechnet bei einem starken Kursanstieg nervös und warnte sie so vor einem Einstieg."
Intuition ist Wiedererkennen. Wiedererkennen von Mustern etwa. Und dafür benötigt man Erfahrung. Aus meiner Erfahrung wäre es antizyklisch, US-Treasuries jetzt zu shorten, nachdem die Renditen von über 15% auf unter 1,4% gesunken sind. Gold zu kaufen, das in 14 Jahren um 426% stieg, ist für mich nicht antizyklisch.
Lieber Herr Baron, die Minderheit sind die Spekulanten, die der Mehrheit der unerfahrenen Spekulanten deren Mehrheit ihres Geldes gerne abnehmen, weil sie deren mehrheitlich gruppendynamisches Verhalten aus eigenen Erfahrungen nur allzu gut kennen. Mich eingeschlossen. Der große Unterschied liegt lediglich darin, dass sie bereit sind, aus ihren Verlusten die Erkenntnis zu ziehen, dass es nur an ihrem Verhalten selbst liegt. Und dieses hart Erlernte wieder und wieder diszipliniert anwenden, so dass am Ende nach vielen Jahren eine Gewohnheit daraus wird, das manche als Finanztalent bezeichnen.
Das ist übrigens mein finanzieller Werdegang. :-))))
Ich finde den Artikel Interessant aber etwas verwirrend, mal ist die Rede von Trader mal von Investor und das ist für mich zumindest ein Unterschied. Beim kurzfristigen Trading nutze ich auch lieber Prozyklische Ansätze während ich beim langfristigen Investment nie auf die Idee kommen würde auf einen unter Volldampf fahrenden Zug aufzuspringen
Hallo Oliver,
sehr interessanter Artikel. Das Ergebnis der Studie kommt nicht ganz überraschend.
Interessant wäre auch die Frage, wieviele Trader überhaupt in der Lage waren, antizyklisch vorzugehen. Ich vermute, es handelte sich um eine kleine Minderheit. Wie im richtigen Leben also...