Strategische und taktische Asset Allocation in der Praxis
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Hinter der rhetorischen Stilfigur „Asset Allocation“ verbirgt sich genau genommen die wichtigste Aufgabe eines Vermögensverwalters. Denn übersetzen kann man Asset Allocation mit Vermögensverteilung. Assets sind dabei die Anlagemöglichkeiten der Kapitalmärkte wie Aktien, Immobilien oder Gold. In „Allocation“ stecken auch die Wortstämme „location“ (Englisch: der Ort) oder „locare“ (Latein: setzen, stellen).
Ein Vermögensverwalter ist also wie ein Platzanweiser im Theater. Er verteilt die Gelder der Kunden auf die gewünschten, passenden Anlagen. Ohne allzu tief in die Portfoliotheorie einzusteigen, könnte man behaupten, dass, wenn wir uns Vermögensverwaltung als ein Drei-Gänge-Menü vorstellen, die Asset Allocation dann der Hauptgang wäre. Denn nur das korrekte Portionieren des Vermögens in die geeigneten Wertpapiere ist das, was den Hunger eines Anlegers nach Rendite stillen und gleichzeitig vor den Appetit verderbenden Gefahren der Börse schützen kann.
Doch wie sollte man nun das Vermögen in der Praxis zwischen den vielen Anlagemöglichkeiten aufteilen? Im Auswahlprozess, z.B. wie viele Aktien das Depot eines Anlegers verträgt, unterscheidet man im Portfoliomanagement zwischen einer strategischen und einer taktischen Asset Allocation. Diese beiden Konzepte sind nicht so antagonistisch wie z.B. aktives oder passives Investieren, weisen aber dennoch wesentliche Unterschiede auf.
Was bedeutet strategische Asset Allocation?
Schon der florentinische Philosoph Machiavelli („Der Fürst“) schrieb im Italien des 15. Jahrhunderts: „Einer der größten menschlichen Fehler ist es, bei schönem Wetter nicht an Stürme zu denken.“ Genau hier setzt die strategische Vermögensallokation an. Ein Anleger sollte sein Vermögen entsprechend der für ihn geeigneten Anlageklassen (im Sinne der individuellen Wertpapiererfahrung und der zu erreichenden Finanzziele) investieren.
Anders gesagt, wer noch keinen Schimmer von spekulativen Börsengeschäften hat, sollte den Sparstrumpf vielleicht noch nicht in riskante Anlagen wie Rohstoffe oder kurzfristige Zertifikate investieren. Hört sich evident an, ist leider so und in ähnlichen Varianten der Hauptgrund für die meisten Börsendebakel. Wer andererseits einen nennenswerten Vermögenszuwachs erwartet, kommt an einem gewissen Anteil von offensiven Anlagen wie Aktien in seinem Portfolio nicht vorbei. Ein strategisch ausgerichtetes Portfolio passt im Idealfall perfekt zu den Zielen und Bedürfnissen eines Anlegers.
Diese theoretische Annahme unterstellt in der hier oberflächlichen Betrachtungsweise, dass sich das Risikoempfinden von Anlegern und deren individuell-subjektive Wahrnehmung der Kapitalmärkte im Laufe der Zeit, insbesondere bei zunehmenden Volatilitäten, nicht ändern würden. Diese Betrachtung ist meines Erachtens nach unzureichend, ist aber gleichwohl Bestandteil der passiven Investmentschule, die davon ausgeht, dass ein einmal korrekt gewähltes Portfolio oder Finanzinstrument die halbe Miete auf dem Weg zum Börsenerfolg sei.
Und was ist nun die taktische Allocation?
Die taktische Asset Allocation ist vor allem im Elysium der aktiven Kapitalmarktteilnehmer zu finden, die davon ausgehen, dass sich die Zukunft glasklar hervorsehen lässt und ein Portfolio entlang von Prognosen und Trends immer (oder zu mindestens meistens) in die besten Anlagen umschichten lässt. Ein taktisch agierender Vermögensverwalter wird beispielsweise versuchen, am Ende einer Börsenrally seine Aktien zu verkaufen und in sichere Wertpapiere oder Bankeinlagen umzuschichten. Im Idealfall kauft er dann später zu niedrigeren Kursen die Aktien zurück. Das Vermögen wird so je nach Wetterlage an den Börsen zwischen den Anlageklassen hin- und hergeschoben. Passive (strategische) Vermögensverwalter weisen zurecht darauf hin, dass sich diese Operationen am offenen Kundendepot selten nach Kosten und vor allem im Benchmark-Vergleich mit einer Mehrrendite tatsächlich auszahlen.
Und trotzdem sind beide Lager nicht ganz so inkompatibel, wie man das vielleicht nun glauben mag. Denn auch ein strategisch agierender Investor muss zuweilen taktisch allokieren, z.B. wenn durch eine Marktkorrektur eine bestimmte Anlageklasse an Wert verloren hat.
Nehmen wir ein lediglich aus Aktien und Anleihen bestehendes Musterportfolio. In diesem Gedankenspiel würde ein 50-Prozent-Aktien- und 50-Prozent-Anleiheninvestor mit seinem Portfolio eine schwere Rentenmarkt-Baisse durchlaufen, während sich die Aktien in diesem Umfeld stabil halten würden. Hypothetisieren wir, dass sich der Anleihenmarkt dabei um 30 Prozent verringern würde. Für unseren 50/50-Anleger hätte das folgende Auswirkungen: Das Portfolio wäre durch die Kursverluste nur noch zu 41 Prozent in Anleihen, aber zu 59 Prozent in Aktien investiert. Möglicherweise wäre das Aktienrisiko plötzlich zu hoch oder würde vorher vereinbarte (strategische) Anlagegrenzen verletzen. Auch ein strategischer (oder passiver) Investor muss nun taktisch agieren und den Überschuss der Aktien in die preisgünstigen Anleihen investieren, um die Ausgangsallokation von 50 Prozent Aktien und 50 Prozent Anleihen wiederherzustellen. Dieses Vorgehen nennt man Rebalancing.
Andererseits agiert auch ein taktischer Vermögensverwalter immer mit einer strategischen Weitsicht. Die Verschiebungen der Vermögensklassen in einem taktisch allokierten Portfolio finden daher überwiegend in prozentualen Bändern statt. Ist zum Beispiel ein aktiver (taktischer) Fondsmanager der Meinung, dass Aktien gerade besonders teuer sind, wird er die Aktienquote im Portfolio seiner Kunden zwar deutlich senken, in der Praxis bedeutet das vielleicht aber nur eine Drosselung von 70 auf 50 Prozent. Der Grund ist, dass selbst ein taktisch agierender Investor immer bestimmte strategische Allokationsrichtlinien beachten muss, um eine langfristige Renditeerwartung zu erfüllen. Oder anders gesagt: Anleger, die einen Aktienfonds kaufen, erwarten am Ende des Tages auch dass Aktien drin sind.
Was nun: strategisch oder taktisch investieren?
Ich verzichte an dieser Stelle auf ein Resümee im Sinne der Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile beider Konzepte. Denn ich persönlich glaube, dass sich strategisches und taktisches Investieren ergänzen müssen, um Anleger behutsam und gleichermaßen erfolgreich durch die Märkte zu leiten. Beide Perspektiven wären allein genommen zu schwarz oder weiß gedacht. Ein strategischer Investor ist möglicherweise im nächsten Börsensturm ohne taktische Allokation von der Perspektivlosigkeit des Marktes erschlagen. Hingegen ist ein rein taktisch agierender Anleger immer ein Getriebener der Märkte, der versucht, von einem Trend zum nächsten zu springen.
Und zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache: Wer einen strategischen Investmentansatz (unter Einsatz von Aktien-ETFs in der Region Deutschland) mit einer starken taktischen Komponente (Aktienquote 12 – 100 Prozent) in der Praxis kennenlernen möchte, der ist herzlich eingeladen, dem kostenlosen Guidants-Desktop Index-Manager zu folgen.
Bei Fragen dazu bin ich gerne behilflich!
Viele Grüße
Jakob Penndorf
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.