Kommentar
14:00 Uhr, 15.07.2016

Steuert die US-Notenbank Fed jetzt um?

Die US-Notenbanker werden weich. Selbst die hartgesottenen Zinserhöhungsbefürworter rudern von ihren Forderungen zurück. Grund ist nicht nur der Brexit.

Mit einer gewissen Sorge blicken die US-Notenbanker auf die Preisentwicklung im Land. In den letzten Wochen hat sich nämlich eine neue Tendenz bei den Inflationserwartungen etabliert. Grafik 1 zeigt die Inflationserwartungen auf Sicht von 5 Jahren. Sie spiegelt wider, was für eine Inflationsrate über die kommenden 5 Jahre erwartet wird.

Die zweite Zeitreihe zeigt die 5-Year Forward Erwartung. Sie beschreibt, was Anleger für die Periode von 5 Jahren in 5 Jahren erwarten (von 2021 bis 2026). In den letzten Jahren war die Forward Rate deutlich höher als die Erwartung für die kommenden 5 Jahre. Inzwischen ist das nicht mehr der Fall.

Die Signifikanz dieser Entwicklung kann man nicht genug betonen, denn es zeigt einen fundamentalen Wandel an. Die niedrige Inflation, die wir derzeit beobachten können, wurde als vorübergehendes Phänomen betrachtet. Andernfalls wäre die längerfristige Erwartung nicht höher als die aktuelle gewesen.

Nun liegen beide Raten gleichauf. Anleger gehen also nicht mehr davon aus, dass es sich bei der niedrigen Inflation um ein vorübergehendes Phänomen handelt, obwohl die Notenbank es als solches immer wieder bezeichnet.

Es gibt in den aktuellen Daten eine weitere Besonderheit. Die Inflationserwartungen laufen grundsätzlich parallel zum Ölpreis. Wird Öl teurer, dann steigt auch die Inflation. Der parallele Verlauf macht also Sinn. Bemerkenswert ist nun, dass die Inflationserwartungen seit Wochen sinken, selbst in der Zeit, als der Ölpreis deutlich stieg. Entweder erwarten Anleger weiter fallende Rohstoffpreise oder sie gehen von einem geringen Einfluss der Rohstoffpreise auf die Inflation aus.
Selbst wenn die Rohstoffpreise noch etwas weiter ansteigen können, gehen Anleger nicht davon aus, dass dies die Inflation nach oben drücken wird. Die Inflationserwartungen sind damit auf niedrigem Niveau gefangen. Die Notenbank macht sich Sorgen darüber, dass dies zum Dauerzustand wird und in der Folge selbst bei niedriger Arbeitslosigkeit nicht für Lohnzuwächse sorgt.

Erwarten weder Verbraucher noch Unternehmen und Anleger eine steigende Inflationsrate, dann gibt es kaum einen Grund Löhne anzuheben. Unternehmen dürften auch davon ausgehen, dass sich höhere Preise nicht beim Konsumenten durchsetzen lassen. Am Ende kommt es zu einer sich selbsterfüllende Prophezeiung, bei der die Inflation auf sehr, sehr lange Zeit niedrig bleiben wird.

Die Notenbank tut gut daran diese Situation genau zu beobachten. Ein Grund zur Panik stellt es jedoch nicht dar. Die Inflationserwartungen sind stark von der tatsächlichen Inflation getrieben. Grafik 2 zeigt die Inflation sowie die Inflationserwartung auf Sicht eines Jahres. Beide Zeitreihen bewegen sich auffällig parallel.

Sofern die Inflationsrate in den kommenden Monaten nicht wieder deutlich fällt, muss sich die Notenbank kaum ernsthafte Sorgen machen. Die Inflationserwartungen passen sich dem Verlauf der tatsächlichen Teuerungsrate an. Das gilt für kurzfristig Erwartungen ebenso wie die langfristigen.

Um eine Verankerung niedriger Erwartungen muss sich die Fed (noch) nicht sorgen. Stagniert oder fällt die Teuerungsrate bis Jahresende allerdings, dann kann es zu einer solchen Verankerung kommen. Auch diese Verankerung darf man nicht überbewerten. Es wird zwar immer von einer großen Gefahr gesprochen, wenn es dazu kommt, doch praktisch sind die wenigsten Wirtschaftsakteure so rational, dass sie ihre Entscheidungen auf Inflationserwartungen stützen. Grund zur Panik gibt es nicht, ein bisschen Grund zur Sorge hingegen schon.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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