Kommentar
13:01 Uhr, 23.02.2018

Steigende Zinsen (alleine!) sind nicht das Problem

Zuletzt stiegen die Zinsen rund um den Globus deutlich an. Einigen war das Grund genug in Panik zu geraten. Das ist vollkommen unnötig.

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Der Zinsanstieg der letzten drei Monate hat bei so manchem Anleger tiefe Sorgenfalten verursacht. Der Anstieg wird auch als einer der Auslöser für die Korrektur gesehen. Ob es der Auslöser war, werden wir vermutlich nie genau erfahren. Das macht aber auch nichts. Steigende Zinsen sind nämlich aktuell überhaupt kein Problem.

Renditeanstieg sieht relativ betrachtet kräftig aus

Der Zinsanstieg wirkte heftig, zugegeben. Immerhin mussten Staaten für 10-jährige Anleihen innerhalb von wenigen Wochen zwischen 0,3 und 0,6 Prozentpunkten mehr zahlen. In Deutschland stiegen dieRenditen für 10-jährige anleihen um über 100 % an – von 0,3 % auf 0,7 %. Der Anstieg ist zwar beeindruckend, doch das absolute Zinsniveau ist mit 0,7 % immer noch historisch niedrig.

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Bevor Zinsen in Deutschland, den USA oder sonst irgendwo zum Problem werden, muss noch viel geschehen. Das Zinsniveau an sich ist nämlich kein Problem. Vergleicht man die Langfristzinsen (sowohl nominal als auch real), lässt sich so gut wie überhaupt kein Zusammenhang zwischen dem Zinsniveau und der Realwirtschaft feststellen (Grafik 1).

Die Zinsen stiegen in den USA von 1950 bis 1981 an. Das hat weder zu einer Häufung von Rezessionen geführt, noch hat es Rezessionen verlängert oder verschärft. Die Realzinsen waren von 1961 bis 1965 konstant hoch. Es war gleichzeitig eine Phase von besonders hohem Wirtschaftswachstum.

Zinsen isoliert betrachtet sagen wenig aus

Das Zinsniveau an sich hat überhaupt keine Aussagekraft. Für sich allein genommen hat es schlichtweg keinen Wert. Deswegen sind Zinsen natürlich nicht irrelevant. Es kommt darauf an, wie sie im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum stehen. Diesen Zusammenhang zeigt Grafik 2.

Steigen die Realzinsen über das Wirtschaftswachstum, werden sie zum Problem. Sind die Zinsen höher als das Wachstum, kann man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer nahenden Rezession ausgehen.

Erklären lässt sich das ziemlich einfach. Übersteigen die Realzinsen das Wachstum, steigt die Verschuldung effektiv an, selbst wenn keine neuen Schulden aufgenommen werden. Die Zinslast steigt in diesem Fall schneller als das, was eine Volkswirtschaft erwirtschaftet.

Faustformel: Zinsen müssen unterhalb der Wachstumsrate liegen

Man muss kein Ökonom sein, um zu erkennen, dass das nicht lange gutgehen kann. Steigen die Einnahmen weniger schnell als die Ausgaben für Schulden, muss das Kartenhaus früher oder später zusammenbrechen. Solange die Ausgaben langsamer steigen als die Einnahmen, ist alles in Ordnung.

Dieser Zusammenhang ist heute noch relevanter als früher, da die Schulden stark gestiegen sind. Beträgt der Schuldenberg z.B. das Doppelte der jährlichen Wirtschaftsleistung, müssen die Zinsen nicht nur einfach niedriger sein als das Wachstum, sondern dürften auf Dauer maximal bei der Hälfte des Wachstums liegen.

Im Detail ist die Sache durchaus kompliziert, weil es auf den Verschuldungsgrad ankommt und dieser variiert zwischen Staat, jedem einzelnen Haushalt und Unternehmen. Als Faustregel kann man sich aber merken, dass Zinsen solange kein Problem sind, solange sie unterhalb des Wachstums liegen. Das ist momentan eindeutig der Fall und es braucht einen sehr viel größeren Zinsanstieg, um daran etwas zu ändern.

Clemens Schmale

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32 Kommentare

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    ich finde es extrem lustig wie hier manche redakteure ohne richtig zu lesen oder zu rechnen behauptungen aufstellen die nur noch zum kopfschütteln taugen. ;))

    ich habe mir mal die us zahlen von 2016 und 2017 von de.destatista.com angesehen, die lauten wie folgt

    bip 2016 : 18.624,45 mrd$

    bip 2017 : 19.362,13 mrd$

    zuwachs in $ : 737,68 mrd$

    prozentualer zuwachs 3,96 %

    staatsverschuldung 2016 : 19.062,68 mrd$

    staatsverschuldung 2017: 19.947,68 mrd$

    zuwachs in $ : 885,00 mrd$

    prozentualer zuwachs 4,64 %

    was gibt es daran mißzuverstehen, der verschuldungszuwachs ist höher als der bip zuwachs punkt.

    da muß nicht rumgeturnt werden um mit anderen beispielen zu kontern, ein ja das ist richtig reicht vollkommen.

    21:11 Uhr, 23.02.2018
    2 Antworten anzeigen
  • Newton1642
    Newton1642

    Den Zusammenhang und die Erklärung von Herrn Schmale kann man so nicht darstellen, weil das makroökonomische bzw. realwirtschaftliche Umfeld insbesondere nach dem Krieg ein ganz anderes war.

    Damals war das reale Wachstum und die Inflation sehr hoch bei stark steigenden Einkommen der breiten Masse. Deshalb konnten auch die Zinsen so hoch sein.

    Umgekehrt gibt es seit den 1980igern einen klaren Zusammenhang, dass die Zinsen in einer Rezession immer stark gefallen sind und die Zinsen dann im Aufschwung niemals mehr das Niveau von zuvor erreicht haben. Vielmehr stiegen die Zinsen nur noch bis etwa 0,5 Prozent unter dem Niveau von vor der Rezession, um dann die nächste Rezession einzuleiten.

    Deshalb sind die Zinsen ein recht guter Indikator für eine Rezession. Bei ca. 3,5 Prozent ist zukünftig spätestens Schluss!

    19:13 Uhr, 23.02.2018
  • einfach
    einfach

    in den usa sind die zinsen bei den 10 jährigen anleihen schon höher als das wachstum.

    dasselbe gilt für die neuverschuldung, die schon seit mehreren jahren höher als der bip zuwachs ausfällt.

    bei der zinsbetrachtung sollte der jahresdurchschnitt und nicht der kurzfristige anstieg innerhalb eine jahres betrachtet werden.

    was auch ein wichtiger punkt ist, ist das rollen von den verschuldungen von auslaufenden 10 jährigen anleihen, die vor 10 jahren ein deutlich höheres zinsniveau hatten als heute und jetzt bei weiterführung das gesamt zinsniveau der gesamten 10 jährigen anleihen drücken, dieser effekt hält noch ca. 5 jahre an.

    13:38 Uhr, 23.02.2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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