Fundamentale Nachricht
12:56 Uhr, 05.02.2018

Starker Euro wird Anpassung der EZB-Geldpolitik verzögern

Karsten Junius, Chefökonom bei der schweizerischen Bank J. Safra Sarasin, rechnet erst im zweiten Quartal 2019 mit einer Zinserhöhung der EZB.

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Zürich (GodmodeTrader.de) - Das Sitzungsprotokoll des letzten EZB-Treffens hat gezeigt, dass die EZB plant, die Erwartungssteuerung ihrer Geldpolitik zu verändern. Wir argumentieren, dass ein solcher Schritt angemessen ist, aber eher im März oder April erfolgen wird, da sonst ein unerwünschter Aufwärtsdruck auf den Euro erfolge könnte, wie Karsten Junius, Chefökonom bei der schweizerischen Bank J. Safra Sarasin, in einer aktuellen Finanzmarktkolumne schreibt.

Es werde wieder analysiert, argumentiert und spekuliert. Kein Wunder, nachdem das Sitzungsprotokoll des letzten EZB-Treffens die Absicht zum Ausdruck gebracht habe, dass die Geldpolitik Anfang dieses Jahres auf dem Prüfstand stehe. Vor allem die sogenannte „forward guidance“ also die Erwartungssteuerung solle verändert werden. Dabei solle ein stärkeres Gewicht auf die zukünftige Zinsentwicklung gelegt werden. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die Anleihekäufe ein Auslaufmodell seien. Kein Wunder, schließlich gebe es kaum mehr Anleihen, die die EZB gemäß ihren eignen Regeln noch kaufen könne, heißt es weiter.

„Die bis September beschlossenen Käufe dürften daher entweder dann auslaufen oder im Dezember, falls die EZB zur Vermeidung von Marktverwerfungen mit sukzessiv fallenden Kaufvolumina noch ein paar Monate länger aktiv bleiben möchte. Dies würde die Erwartung einer Zinswende noch etwas hinauszögern. Eine ihrer Festlegungen steht nämlich nicht auf dem Prüfstand: Es soll keine Zinserhöhungen geben solange Anleihekäufe durchgeführt werden. Bislang hat die EZB sogar darauf hingewiesen, dass Zinserhöhungen erst mit einem deutlichen zeitlichen Abstand zum Ende der Anleihekäufe erfolgen werden. Welche Zeitspanne damit gemeint ist, ließ sie bewusst offen. Dies zu klären, dürfte ein Ansatz bei der Rekalibrierung ihrer Erwartungssteuerung sein. Wir rechnen erst im zweiten Quartal 2019 mit einer Zinserhöhung“, so Junius.

Bezüglich der zeitlichen Terminwahl der zu erwartenden Änderungen der Geldpolitik liefere das Sitzungsprotokoll der EZB einen weiteren wichtigen Hinweis: Sie solle so graduell erfolgen, dass es zu keinen abrupten Entwicklungen der Finanzierungsbedingungen gebe – d.h. Marktzinsen und Wechselkurs sollten nicht zu stark und schnell ansteigen. Ein graduelles Vorgehen dürfte Veränderungen der Geldpolitik beim Treffen an diesem Donnerstag ausschließen. Es käme zu schnell und abgesehen von dem letzten Sitzungsprotokoll ohne große Vorwarnung und Diskussion. Diese sei nun für die Pressekonferenz zu erwarten, bei der Draghi um weitere Hinweise bezüglich möglicher Änderungen der Geldpolitik kaum herumkomme, heißt es weiter.

„Je nach Entwicklung der ökonomischen Indikatoren, der Marktzinsen und des Wechselkurses dürfte die tatsächliche Anpassung der Erwartungssteuerung dann bei der folgenden Sitzung am 8. März oder sogar erst im April erfolgen. Wohlgemerkt – es geht noch nicht einmal um konkrete Zinserhöhungen, lediglich um die Steuerung, was an den Finanzmärken für die nächsten Jahre eingepreist wird. Bei einem so vorsichtigen Vorgehen der EZB sollte die Volatilität an den Anleihemärkten auch dieses Jahr gering bleiben. Höhere Renditen sollten daher mit einer steileren Zinskurve einhergehen. Es lohnt sich daher ein Blick auf die Inflationsperspektiven“, so Junius.

Zunächst lasse sich feststellen, dass Deflation schon lange keine Gefahr mehr darstelle. Ein wichtiges Argument für die Anleihekäufe falle also weg. Mit einer Inflationsrate von zuletzt 1,4 Prozent bzw. einer Kernrate von 0,9 Prozent bleibe der Preisdruck aber ebenfalls noch gering. Durch den letzten Ölpreisanstieg von rund sieben Prozent seit dem Dezembertreffen der EZB kommt etwas zusätzlicher Druck hinzu. Gleichzeitig habe der Euro handelsgewichtet aber auch um ein Prozent zugelegt, im Zwölfmonatsvergleich sogar um sechs Prozent. Dies werde mittelfristig den Anstieg der Kerninflationsrate etwas abschwächen. Gering bleibe auch der von der Lohnseite herrührende Preisdruck. Zwar sei seit 2016 ein gewisser Aufwärtstrend erkennbar, er bleibe aber bislang sehr schwach, heißt es weiter.

„Dies könnte sich zukünftig langsam ändern. Immerhin ist die Arbeitslosenquote in Euroland seit ihrem Höhepunkt 2013 von 12,1 Prozent auf 8,7 Prozent gefallen – allein in den letzten zwölf Monaten um über einen Prozentpunkt. Sie bleibt aber weiterhin höher als das Vorkrisenniveau von 7,3 Prozent. Vor allem die Jugendarbeitslosenquote von 18,2 Prozent ist immer noch zu hoch. Auch mahnen die Erfahrungen anderer Länder zur Vorsicht. Der Lohndruck blieb bislang auch in Ländern wie den USA, UK und Japan gering, in denen aktuell Vollbeschäftigung herrscht“, so Junius.

Die EZB dürfte weiterhin verhaltenen Optimismus und eine begrenzte Handlungs-bereitschaft zeigen. Der stärkere Euro und die moderate Lohnentwicklung dürften sie bremsen, während die guten Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten in der Währungsunion sowie das robuste internationale Wirtschaftsumfeld eine baldige Straffung der Geldpolitik nahelegen. Angesichts der heterogenen Perspektiven der einzelnen EZB-Ratsmitglieder dürfte die Beobachtung der europäischen Geldpolitik wieder etwas spannender werden. Schnelle Änderungen seien allerdings auch nicht zu erwarten, heißt es abschließend.

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1 Kommentar

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  • bembes
    bembes

    So lange Draghi etwas zu sagen hat, werden die Zinsen der EZB nicht erhöht !!

    14:52 Uhr, 06.02.2018

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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