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07:46 Uhr, 08.05.2021

Staatsschulden: Dank EZB zurück zu den 60% der Maastricht-Kriterien

Die Budgetdisziplin wurde in Europa ausgesetzt. Trotzdem könnten Euroländer das erste Mal seit langem die Maastricht-Kriterien wieder erfüllen.

Erinnert sich noch jemand an die Maastricht-Kriterien? Euroländer sollten theoretisch eine maximale Staatsverschuldung von 60 % und ein maximales jährliches Defizit von 3 % der Wirtschaftsleistung haben. Diese Kriterien werden von den wenigsten Ländern erfüllt.

Das Hauptproblem der meisten Länder stellt dabei nicht die jährliche Neuverschuldung dar. Vielmehr ist es die Gesamtverschuldung, die Probleme bereitet. Deutschland erfüllt das Kriterium zur Verschuldung zuletzt vor 20 Jahren. Italien erfüllte es in der jüngeren Geschichte gar nicht. Das gilt auch für Belgien.

Eine jährliche Neuverschuldung von maximal 3 % der Wirtschaftsleistung war vor 30 Jahren, als die Kriterien beschlossen wurden, vielleicht keine schlechte Idee. Es würde unter normalen Umständen garantieren, dass die Gesamtverschuldung relativ zur Wirtschaftsleistung nicht steigen würde. Anfang der 90er Jahre konnten Staaten mit einem Wirtschaftswachstum von mindestens 3 % pro Jahr rechnen.

Diese Zeiten sind längst vorüber. Nach der Finanzkrise waren viele Länder bereits in Feierlaune, wenn ein Wachstum von 1 % erreicht wurde. Bei so geringem Wachstum und Defiziten von 3 % bei gleichzeitig niedriger Inflation wird die Verschuldung immer weiter steigen.

Italien konnte sich seit 2012 an die 3 % Regel halten. Trotzdem stieg die Verschuldung von 126 % der Wirtschaftsleistung auf 135 % vor Beginn der Coronakrise. Durch die Coronakrise steigt die Verschuldung nun sprunghaft auf 155 % an. Für die Eurozone insgesamt dürfte die Verschuldung von 84 % auf knapp 100 % ansteigen.

Die Erfüllung der Maastricht-Kriterien ist inzwischen kein erreichbares Ziel mehr. Es ist auch keine langfristige Vision, sondern vielmehr eine Illusion. Zum Glück gibt es die EZB, die Staatsanleihen kauft. Regelmäßige Anleihekäufe begannen im Jahr 2015. Das war auch das Jahr, indem die Verschuldung der Eurozone ein vorläufiges Hoch erreichte.


Die Bruttoverschuldung (ohne Berücksichtigung von QE) fiel von 94 % auf 84 %. Die Nettoverschuldung unter Berücksichtigung der Anleihekäufe fiel von 94 % auf 66 %. Durch die Coronakrise steigt die Verschuldung kurzfristig. Schöpft die EZB das Pandemiekaufprogramm aus, erreicht die Nettoverschuldung bis März 2022 ungefähr das Maastricht-Kriterium von 60 %.

Ob das nur Zufall ist, sei dahingestellt. Für einzelne Länder weicht die Verschuldung wesentlich von der Grenze von 60 % ab. Deutschland liegt deutlich darunter, Italien signifikant darüber. Die Eurozone als Ganzes hingegen würde die Kriterien bald wieder erfüllen.

Das ist insofern interessant, als dass es immer wieder Stimmen gibt, die eine gemeinsame Haftung für Schulden bis 60 % plädieren. Schulden, die darüber hinausgehen, bleiben in der Verantwortung der jeweiligen Regierungen. Je weiter die Notenbank die Nettoverschuldung drückt, desto eher ist auch eine offizielle Vergemeinschaftung denkbar.

Die Krise hat bereits zu einer expliziten gemeinsamen Haftung für das EU-Hilfsprogramm geführt. Es ist vermutlich nur der erste Schritt von vielen, die zu einer vollständigen Vergemeinschaftung führen. Die EZB fördert die nächsten Schritte indirekt über QE.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • amateur
    amateur

    Die Vergemeinschaftung der Schulden war schon immer das Ziel der EU. In der BRD darf man das nicht sagen, handelt aber entsprechend. Erst wenn wir nicht mehr zahlen können, geht der Laden hops.

    17:35 Uhr, 10.05. 2021
  • Tom66
    Tom66

    Ja, ist das nicht eine tolle EU, wo wir die Schulden der anderen bezahlen müssen?

    Genauso toll, wie wenn man im Restaurant die Rechnung des Nachbartisches bzw wohl eher mehrerer NachbartischE übernehmen soll...

    13:26 Uhr, 10.05. 2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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