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Kommentar
08:38 Uhr, 12.06.2023

S&P 500® - Ausbruchssignal mit Makeln

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Ausbruchssignal mit Makeln

Mit Blick auf die aktuellen Performancehitlisten können sich Anlegerinnen und Anleger über den bisherigen Aktienjahrgang 2023 keinesfalls beschweren. Während der DAX® knapp 15 % höher als zu Jahresbeginn notiert, liegen der S&P 500® und der Nasdaq-100® gut 11 % bzw. sogar über 30 % im Plus. Sollten Investoren diese Bilderbuchentwicklung einfach auf das Gesamtjahr hochrechnen oder droht im weiteren Jahresverlauf doch noch der ein oder andere Stolperstein. Für den S&P 500® begeben wir uns auf eine ausführliche, charttechnische Spurensuche. Beginnen möchten wir diese – analog zu unserer Vorgehensweise im Jahresausblick – mit der Analyse der Marktbreite. Viele Einzeltitel auswerten zu können, ist ein elementarer Vorteil der Technischen Analyse. Zuletzt wurde der Aufschwung aber von immer weniger Aktien getragen. Vor allem Technologietitel konnten weiter zulegen, während die Masse der S&P 500®-Mitglieder im bisherigen Jahresverlauf mehr oder minder unverändert notiert. Das geht sogar so weit, dass die gesamte, eingangs erwähnte Performance nahezu auf das Konto der sog. „glorreichen Sieben“ (Amazon, Alphabet, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia, Tesla) geht. Der hohe Grad an Selektivität stellt zweifelsohne ein Warnsignal dar.

S&P 500® (Daily)

Chart S&P 500®

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

5-Jahreschart S&P 500®

Chart S&P 500®

Quelle: Refinitiv, tradesignal²

Chipaktien mit Befreiungsschlag

Doch es geht auch anders. Es geht auch konstruktiv. Das zumindest ist die Botschaft des Philadelphia Semiconductor Index. Generell kommt der Analyse der Halbleitertitel eine besondere Bedeutung zu, denn dem Branchenbarometer wird regelmäßig ein konjunktureller Vorlaufcharakter beigemessen. Frei nach dem Motto: „Chips sind der Schmierstoff einer modernen Wirtschaft!“ Charttechnisch schlagen sich die jüngsten Kursavancen in einer inversen Schulter-Kopf-Schulter-Formation nieder. Rein rechnerisch eröffnet die untere Umkehr ein Anschlusspotenzial von über 1.000 Punkten – ausreichend, um perspektivisch das bisherige Allzeithoch vom Januar 2022 bei 4.068 Punkten ins Visier zu nehmen. Eine Einschätzung, welche durch die zuvor ausgeprägte, trendbestätigende Flagge untermauert wird. Es liegen also zwei unterschiedliche Kursmuster mit der gleichen konstruktiven Botschaft vor. In unserem technischen Jahresausblick legen wir darüber hinaus einen Schwerpunkt auf zyklische Einflussfaktoren – und hier vor allem auf den US-Präsidentschaftszyklus auf der einen sowie den Dekadenzyklus auf der anderen Seite. Besonders interessant finden wir dabei Phasen, die sich durch einen doppelt zyklischen Rücken- oder Gegenwind auszeichnen.

Philadelphia Semiconductor Index (Weekly)

Chart Philadelphia Semiconductor Index

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

5-Jahreschart Philadelphia Semiconductor Index

Chart Philadelphia Semiconductor Index

Quelle: Refinitiv, tradesignal²

Saisonalität: Juli+September herausfordernd

Mit anderen Worten: Zeiträume, in denen die beiden angeführten Zyklen Hand in Hand gehen, haben unsere volle Aufmerksamkeit. In der nahen Zukunft gibt es hier vor allem zwei Auffälligkeiten: So kennzeichnet die saisonale Schnittmenge zwischen Dekaden- und US-Präsidentschaftszyklus den nahenden Juli sowie den September als Herausforderung. Schließlich fällt die durchschnittliche Wertentwicklung des Dow Jones® mit 0,45 % (US-Vorwahljahr) bzw. -1,27 % („3er-Jahr“) schwächer als im historischen Mittel aus. Als nochmals deutlich korrekturanfälliger Börsenmonat könnte sich danach der September erweisen, denn der ist mit -1,23 % (US-Vorwahljahr) bzw. -1,64 % („3er-Jahr“) sogar durch die Bank „rot“. Auch die Trefferquote, d. h. die Wahrscheinlichkeit für steigende Aktiennotierungen, lässt sowohl im Juli als auch im September zu wünschen übrig. Gegen Jahresende winkt dann möglicherweise eine positive Überraschung. Gemäß beider Zyklen fällt die Performance im Dezember weit überdurchschnittlich aus – und das bei einer jeweils besseren Trefferquote. Über den Tellerrand hinausgeblickt, könnte sich deshalb eine späte, erst auf den letzten Metern einsetzende, aber dynamische Jahresendrally als ein weiteres Charakteristikum des Jahres 2023 herauskristallisieren.

Dow Jones Industrial Average® (Daily)

Chart Dow Jones Industrial Average®

Quelle: macrobond, HSBC² / 5-Jahreschart im Anhang

5-Jahreschart Dow Jones Industrial Average®

Chart Dow Jones Industrial Average®

Quelle: Refinitiv, tradesignal²

Schlüsselgröße 4.200 Punkte – endlich genommen?

In der Summe ist die Ausgangslage der US-Standardwerte derzeit gemischt. Genau in diese durchwachsene Phase fällt nun aber der charttechnische Sprung des S&P 500® über die Signalmarke von 4.200 Punkten. Auf diesem Niveau fallen diverse horizontale Hürden mit zwei verschiedenen Fibonacci-Level (4.136/4.201 Punkte) zusammen. Mittlerweile hat das Aktienbarometer den höchsten Stand seit August 2022 erreicht und notiert damit klar oberhalb des diskutierten Triggers. Dank des Spurts über diese Schlüsselhürde – noch dazu per Aufwärtsgap (4.232 zu 4.241 Punkte) – liegt nun eine strategische Bodenbildung mit einem Anschlusspotenzial von 700 Punkten vor (siehe Chart). D. h. perspektivisch dürfte das Aktienbarometer Kurs auf das bisherige Allzeithoch (4.819 Punkte) nehmen. Ein weiteres Phänomen liefert möglicherweise eine wichtige Orientierungshilfe. So haben die amerikanischen Standardwerte die Schiebezone seit Mai vergangenen Jahres zuletzt zweimal verengt. In den letzten Wochen pendelte der S&P 500® nur noch zwischen 4.048 und besagten 4.200 Punkten. Die dadurch aufgestaute Bewegungsdynamik begünstigt einen nachhaltigen Bewegungsimpuls.

S&P 500® (Daily)

Chart S&P 500®

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

Zum Wochenende stark?

Dahinter steckt eine Basisannahme der Technischen Analyse, wonach auf Trends regelmäßig Konsolidierungen folgen. Gleichzeitig sind es gerade ausgeprägte Konsolidierungsphasen, welche dann wiederum den Grundstein für den nächsten Trendimpuls legen. In Sachen „valider Ausbruch auf der Oberseite“ spielt dem S&P 500® noch ein weiteres Verhaltensmuster in die Karten. Gerade donnerstags und freitags sind die „US-blue chips“ oftmals stark. In diesen 13 Wochen legte das Aktienbarometer 12 Mal zum Wochenende zu, nur einmal kam es zu Kursverlusten. Stärke zum Wochenabschluss ist ein konstruktives Zeichen, zumal der S&P 500® an diesem beiden Tagen seit Mitte März um mehr als 500 Punkte zulegen konnte. Das ist mehr als der gesamte Kurszuwachs der US-Standardwerte in diesem Zeitraum. Die gesamte Performance kam zuletzt also an diesen beiden Handelstagen zustande. Auch am vergangenen Donnerstag und Freitag kam das Muster zum Tragen. Insgesamt betrug das Kursplus hier 23 Punkte. Ein Aspekt, der bisher (noch) zu kurz kam, ist die Verknüpfung unterschiedlicher Zeitebenen. Unterschiedliche Zeithorizonte miteinander zu verbinden, zählt zu unseren analytischen Lieblingsansätzen und stellt einen ganz großen Vorteil der Technischen Analyse dar.

S&P 500® (Weekly)

Chart S&P 500®

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

Bodenbildung plus Flagge

Diesem methodischen Vorgehen möchten wir mit der Betrachtung des Wochen- bzw. des Monatscharts Rechnung tragen. Starten wir im Wochenbereich: Auch in dieser Fristigkeit lässt sich die erfolgreiche untere Umkehr des letzten Jahres erkennen. Mehr noch, im strategischen Kontext kann die gesamte Korrektur des Jahres 2022 als Pullback an die 200-Wochen-Linie (akt. bei 3.805 Punkten) bzw. als klassische Korrekturflagge interpretiert werden (siehe Chart). Das beschriebene Konsolidierungsmuster liefert damit ein weiteres Argument, um perspektivisch von einem Wiedersehen mit dem bisherigen Rekordlevel bei 4.819 Punkten auszugehen. Auf dem Weg in diese Region stecken die Hochpunkte vom Frühjahr 2020 bei 4.600 Punkten ein wichtiges Etappenziel ab. „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“! So lautet eine bekannte Fußballweisheit. Trotz aller Makel hieß das frei übertragen: „Die Wahrheit liegt im Chart“. Anders ausgedrückt: Das Ausbruchssignal im eigentlichen Kursverlauf liefert derzeit das bedeutendste Signal. Da der Himmel aber nicht wolkenlos ist, legen wir im letzten Schritt ein besonderes Augenmerk auf ein technisch sinnvolles Stopp-Management.

S&P 500® (Monthly)

Chart S&P 500®

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

Risikomanagement anhand des Langfristcharts

Der Risikoseismograph schlechthin ist unseres Erachtens der Kursverlauf des S&P 500® auf Monatsbasis. Über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr hat das Aktienbarometer immer wieder die Kernhaltezone aus der 38-Monats-Linie (akt. bei exakt 4.000 Punkten) und dem Basisaufwärtstrend seit 2011 (akt. bei 3.961 Punkten) einem Stresstest unterzogen. Letztlich scheint dieser erfolgreich zu sein, denn dank der o. g. Bodenbildung lösen sich die amerikanischen Standardwerte wieder von dieser Bastion. Solange diese Kernunterstützungen verteidigt werden, kann das Jahr 2022 als schmerhafte Korrektur, aber eben nur eine Korrektur, interpretiert werden. Mit anderen Worten: Erst bei einem Bruch dieser Bastion nimmt das Chartbild ernsthaften Schaden, d. h. die Haltezone bei knapp 4.000 Punkten ist als strategische Absicherung prädestiniert. Eine wichtige Hilfestellung liefert auch der Monats-RSI: In Bullenmärkten fällt der Oszillator selten in seine untere Extremzone zurück, sondern dreht regelmäßig bereits bei einem Wert von 45. Seit 2009 hat der Oszillator beim S&P 500® insgesamt 6-Mal auf diesem Level gedreht. Entsprechend spricht der RSI eher für die Fortsetzung der Aufwärtsbewegung. Per Saldo könnte deshalb die laufende Rally, unterbrochen von einer korrektiven Phase im Sommer, noch ein Stück weitertragen.

S&P 500® (Monthly)

Chart S&P 500®

Quelle: Refinitiv, tradesignal² / 5-Jahreschart im Anhang

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Über den Experten

Jörg Scherer
Jörg Scherer
Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland

Jörg Scherer, Diplom-Kaufmann und Certified Financial Technician (CFTe), ist Gewinner des 2007er Awards der „Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands“ (VTAD) und der Verfasser des kostenfreien täglichen Newsletter HSBC Daily Trading, einem der meist gelesenen Trading-Newsletter Deutschlands. Ebenfalls analysiert Jörg Scherer auf mehreren Terminen im Jahr auf Seminaren in ganz Deutschland und in Webinaren für Privatanleger und institutionellen Investoren den nationalen und internationalen Aktienmarkt, die Rentenseite, Währungspaare und Rohstoffe.

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