Soft Landing?
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Eine der meistdiskutierten Fragen an den Finanzmärkten ist derzeit, ob den Notenbanken, allen voran der Fed, in den nächsten sechs bis zwölf Monaten ein sogenanntes „Soft Landing“ gelingen wird. Darunter wäre zu verstehen, dass die Geldpolitik nur so weit gestrafft wird, um zwar die Konjunkturdynamik abzukühlen und damit einhergehend die Teuerung einzubremsen, ohne aber einen starken Einbruch der Wirtschaft im Sinne einer Rezession zu verursachen.
Anhand einer zunehmenden Anzahl von Frühindikatoren zeigt sich schon jetzt, dass es zu einer Abkühlung kommen wird, allerdings erscheint die Rezessionswahrscheinlichkeit insbesondere in den USA immer noch relativ gering. In der Euro-Zone, nicht zuletzt aufgrund der geografischen Nähe zum Krieg in der Ukraine, ist das Risiko einer Rezession wohl deutlich höher einzustufen.
Was für beide Regionen bis dato zutrifft, ist der robuste Arbeitsmarkt, der allerdings für die Notenbanken gewissermaßen Fluch und Segen zugleich darstellt. Denn einerseits ermöglicht eine sehr geringe Arbeitslosigkeit Spielräume für ein restriktiveres Vorgehen in Hinblick auf die Sorgen vor einer Lohn-Preis-Spirale, andererseits haben die Arbeitsmarktzahlen unter den Makrodaten einen vergleichsweise nachhinkenden Informationsgehalt.
Der über die Geldpolitik vorgesehene Liquiditätsentzug über eher zügige Leitzinsanhebungen, bei gleichzeitig deutlichem Abbau der Wertpapierbestände, ist für die Finanzmärkte schon jetzt ein beachtlicher Belastungsfaktor. Ob und inwieweit dadurch auch die Gesamtwirtschaft abgeschwächt und letztlich die Inflation eingedämmt wird, lässt sich heute noch nicht absehen. Das in der Historie immer wieder mal gelungene „Soft Landing“ wäre zwar wünschenswert, ist aber eine schwierige Gratwanderung.
Staatsanleihen: Potenzial bei kurz laufenden Staatsanleihen
Nach dem rasanten Anstieg der Staatsanleiherenditen ab März 2022 hat diese dynamische Entwicklung im Mai ihr (vorläufiges) Ende gefunden. Wir bewerten aktuell kurze Staatsanleihen als attraktiv. Innerhalb der europäischen Staatsanleihen-Welt sehen wir insbesondere italienische Staatsanleihen kritisch, die (trotz attraktiver Renditen) kurzfristig von den im Sommer beginnenden Zinsanhebungen in Europa und dem Ende der Anleihenkäufe negativ betroffen sein könnten.
Unternehmensanleihen: Vorsichtige Positionierung angebracht
Am Corporate Bond Markt präferieren wir derzeit Bankanleihen gegenüber Non-Financials Anleihen (Industrieanleihen), ebenso Investmentgrade-Anleihen gegenüber High-Yield-Anleihen in Euro. Die Risikoprämien letzterer signalisieren zwar deutlich angestiegene Ausfallsrisiken, diskontieren unserer Meinung nach jedoch noch nicht ausreichend eine zu erwartende Abkühlung der konjunkturellen Entwicklung. Nach wie vor geben wir deutschen Pfandbriefen gegenüber Euro-Staatsanleihen den Vorzug.
Emerging-Markets-Anleihen machen Krieg in der Ukraine und Geldpolitik zu schaffen
Die Risikoprämien von Emerging-Markets-Hartwährungsanleihen präsentieren sich nicht unattraktiv, doch v.a. die in Asien/China zunehmend schwachen Konjunkturindikatoren und die kaum zu prognostizierenden Auswirkungen der restriktiven Covid-Politik (Lockdowns) veranlassen uns, bei dieser Anleiheklasse vorerst nicht zuzugreifen.
Entwickelte Aktienmärkte: restriktiver werdendes Liquiditätsumfeld
Die internationalen Aktienmärkte haben sich trotz weiter steigender Renditen zuletzt etwas fester präsentiert. Wir sehen das restriktiver werdende Liquiditätsumfeld aber unverändert als einen der größten Belastungsfaktoren für die nächsten Monate. Im Gegensatz zu den Anleihemärkten sehen wir dieses Thema auf der Aktienseite noch nicht ausreichend in den Kursen reflektiert. Wir bleiben daher bei Aktien weiter vorsichtig.
Schwellenländer-Aktienmärkte: Covid-Lage in China belastet Unternehmen teilweise schwer
Emerging-Markets-Aktien treten seit Jahresbeginn mehr oder weniger auf der Stelle. Aktien bzw. Regionen, die einen Rohstoffbezug haben, können sich dabei recht gut behaupten. Aktien, die an der lokalen chinesischen Wirtschaft hängen, tun sich deutlich schwerer. Die aktuelle Covid-Lage in China, dessen Politik weiter auf vollkommene Abschottung bei Auftreten von Krankheitsfällen liegt, belastet diese Unternehmen schwer. Die Entwicklung von Emerging-Markets-Aktien verlief im abgelaufenen Monat im Einklang mit entwickelten Aktienmärkten.
Rohstoffmärkte: Angebotsbild bleibt bei vielen Rohstoffen angespannt
Die Rohstoffmärkte präsentieren sich weiterhin sehr fest. Das Angebotsbild ist bei vielen Rohstoffen unverändert angespannt (und dieses Bild war auch schon vor dem Ukraine-Krieg vorherrschend). Auf Sektorebene ist natürlich der Energiesektor am stärksten betroffen. Eine Sonderrolle spielt hierbei aktuell sicher die Entwicklung im Bereich Erdgas. Trotz der sehr hohen Preisniveaus sind die Unternehmen bei Investitionen (in zukünftiges Angebot) weiter sehr zurückhaltend. Wir halten in der Anlageklasse Rohstoffe aktuell keine taktische Position.
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