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13:35 Uhr, 15.01.2015

SNB löst Tsunami aus - Ist dies eine Reaktion auf die EZB?

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat heute überraschend den EUR/CHF-Mindestkurs aufgegeben und gleichzeitig die Zinsen gesenkt. Diese Entscheidung könnte im Zusammenhang mit dem erwarteten Kauf von Staatsanleihen durch die EZB stehen.

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  • EUR/CHF
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Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat heute ganz überraschend den EUR/CHF-Mindestkurs von 1,20 aufgehoben. Der Franken sei nicht mehr so stark überbewertet wie bei der Einführung des Mindestkurses, so die Begründung der Notenbank. Anbei ein Auszug aus dem Originaltext der SNB:

"Der Mindestkurs wurde in einer Zeit der massiven Überbewertung des Frankens und größter Verunsicherung an den Finanzmärkten eingeführt. Diese außerordentliche und temporäre Maßnahme hat die Schweizer Wirtschaft vor schwerem Schaden bewahrt. Der Franken bleibt zwar hoch bewertet, aber die Überbewertung hat sich seit Einführung des Mindestkurses insgesamt reduziert. Die Wirtschaft konnte diese Phase nutzen, um sich auf die neue Situation einzustellen.

Die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume haben sich in letzter Zeit markant verstärkt und dürften sich noch weiter akzentuieren. Der Euro hat sich gegenüber dem US-Dollar deutlich abgewertet, wodurch sich auch der Franken zum US-Dollar abgeschwächt hat. Vor diesem Hintergrund ist die Nationalbank zum Schluss gekommen, dass die Durchsetzung und die Aufrechterhaltung des Euro-Franken-Mindestkurses nicht mehr gerechtfertigt sind."

Begründung nur vorgeschoben

Die angeführten Argumente dürften nur vorgeschoben sein. Vermutlich ist der Druck auf die SNB zu groß geworden. Zuletzt musste die Schweizerische Zentralbank Milliardensummen für ihre Interventionen am Devisenmarkt aufwenden. Die Devisenreserven sind dadurch auf 461 Milliarden Franken gestiegen.

Aufgrund des Zeitpunkts dieser Entscheidung kann man auch darüber mutmaßen, dass die Aufgabe der Franken-Obergrenze etwas mit der bevorstehenden Sitzung des EZB-Rats am 22. Januar zu tun hat, zumal der EuGH-Generalanwalt gestern betont hat, dass ein entsprechendes Programm rechtmäßig sei. Es wird allgemein erwartet, dass die EZB ein breit angelegtes Programm zum Kauf von Staatsanleihen beschließen wird. Dies dürfte den Euro weiter unter Druck setzen. Im Gegenzug wäre es für die SNB immer schwieriger geworden, den Mindestkurs von 1,20 aufrecht zu halten.

Aktuelle Statements zur heutigen Entscheidung der SNB:

Händler gehen davon aus, dass die SNB heute massiv am Devisenmarkt interveniert. Die Erholung seit dem Tagestief bei rund 0,87 deute darauf hin.

Robert Halver, Baader Bank: Mit der Senkung der Einlagenzinsen auf -0,75% ist die Schweizerische Nationalbank (SNB) in einen Abwertungswettlauf eingetreten, der bereits zwischen Japan und der Eurozone bestehe. Durch die Aufgabe des Mindestkurses habe der Franken kurzfristig zwar aufgewertet. Langfristig werde der Franken durch die negativen Zinsen aber geschwächt.

Jefferies-Stratege: Die SNB geht vermutlich davon aus, dass die EZB in der kommenden Woche ihre Geldpolitik weiter lockern wird. Angesichts der anstehenden Wahlen in Griechenland wäre es für die Schweizer ziemlich schwierig, den Mindestkurs aufrecht zu halten.

Händler: Die Spekulanten haben gegen die Schweizerische Nationalbank (SNB) gewonnen.

Helaba-Analyst Ulrich Wortberg erwartet keinen neuen EUR/CHF-Mindestkurs, da Marktteilnehmer kein Vertrauen mehr haben, dass dieser langfristig gehalten wird.

Helaba-Analyst Ulrich Wortberg: Die SNB dürfte an Glaubwürdigkeit verlieren, da sie in den vergangenen Monaten stets die vehemente Verteidigung der Untergrenze betonte.

Helaba-Analyst Ulrich Wortberg: Man hat zuletzt in der SNB-Bilanz gesehen, dass die Notenbank immer mehr an Anleihen aus der Eurozone kaufen musste.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) will um 13.15 Uhr bei einer Pressekonferenz eine Erklärung abgeben.

DZ-Bank-Analyst Sören Hettler: Der Druck auf die SNB ist in letzter Zeit zu groß geworden. Sie hat wohl befürchtet, noch mehr Staatsanleihen kaufen zu müssen.

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank: Die SNB hatte mit den Interventionen am Devisenmarkt ein Legitimationsproblem, da die Bevölkerung in der Schweiz gegenüber dem Aufbau hoher Euro-Fremdwährungsbestände Skepsis zeige.

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank: Die Interventionen der vergangenen Wochen waren für die SNB wohl zu viel. Bei der Einführung des EUR/CHF-Mindestkurses habe man an punktuelle Interventionen gedacht, nicht aber an permanente.

Nach Ansicht von Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, hat die SNB mit ihrer Entscheidung, den EUR/CHF-Mindestkurs aufzugeben, einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt.

UBS-Chefvolkswirt Daniel Kalt: Europa hat die Hausaufgaben aus der Schuldenkrise nicht gemacht. Insofern hätte die SNB die Mindestkurspolitik viel länger durchziehen und ihre Bilanz viel weiter aufblähen müssen, als sie ursprünglich gedacht habe. Darum hat sich die SNB gesagt: lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Arbeitnehmerverband Angestellte Schweiz: Die Aufhebung des Mindestkurses gefährdet Arbeitsplätze und Löhne. Gerade die exportorientierte Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie könnte es schwer treffen.

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2 Kommentare

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  • Wolfi81
    Wolfi81

    ​Die SNB hat jetzt ein möglicherweise großes Problem: die hohen Bestände an Fremdwährungsanleihen sind in CHF gerechnet jetzt deutlich im Minus. Ergo werden im Falle von anhaltend hohen Frankenkursen große Verluste bei der SNB anfallen.

    15:11 Uhr, 15.01.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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