Kommentar
08:25 Uhr, 30.03.2015

Smart Money oder dummes Geld?

Keiner weiß mehr so recht wohin mit dem Geld. Staatsanleihen sind so unattraktiv wie nie. Anleger müssen sich andere Investments suchen. Das führt teils zu schlechten Entscheidungen.

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Letztlich weiß man immer erst hinterher, ob eine Entscheidung gut oder schlecht war. Bei manchen Entscheidungen kann man aber erahnen, ob sie gut ist oder nicht. Fehlentscheidungen werden immer getroffen. Das ist vollkommen unabhängig von der jeweiligen Marktphase. Derzeit sind Anleger allerdings mehr denn je verlockt, ihr gutes Geld schlechten Investments hinterherzuwerfen.

Momentan handelt es sich dabei vor allem um Ölinvestments. Vielen mag die derzeitige Situation wie eine große Gelegenheit vorkommen. Theoretisch ist sie das auch. Wenn jedoch zu viele gleichzeitig eine außerordentlich gute Gelegenheit zu erkennen glauben, dann ist das ganze wohl kaum die Jahrhundertidee.
Einige Investoren rechtfertigen ein Investment in die Ölbranche vor sich selbst mit antizyklischen Überlegungen. Auch Warren Buffett sagt: sei gierig, wenn alle anderen panisch sind, und sei vorsichtig, wenn alle anderen gierig sind. Da ist etwas dran. In dem Ausmaß, in dem der Ölbranche das Geld hinterhergeworfen wird kann man aber kaum von Panik sprechen. Wenn es eine Panik gibt, dann sicherlich die sein Geld noch irgendwo unterzubringen.

In der Ölbranche steht das Blut noch nicht knöcheltief in den Straßen. Davon ist überhaupt keine Spur. Das macht es auch schwierig schon jetzt an ein gutes Investment zu glauben. Ein richtig schönes antizyklisches Investmentumfeld für Öl wäre es, wenn Aktien weiter ins Bodenlose stürzten, Banken keine Kredite vergäben und Investoren keine Anleihen mehr zeichneten. Von all dem ist nichts zu sehen. Im Gegenteil.

Grafik 1 zeigt das jährliche Volumen von Aktienemissionen. Die Öl- und Gasbranche hat bis vor kurzem ein Schattendasein geführt. Von 1995 bis 2007 machten Öl- und Gasunternehmen nur 2,33% des Emissionsvolumens aus. 1995 waren das knapp 3 Mrd. von insgesamt knapp 100 Mrd. USD. Seit Beginn des Ölbooms 2010 ist der Anteil auf 6,45% gestiegen. Der Trend hat sich weiter beschleunigt. In den letzten drei Jahren waren es schon 8,33%. Jetzt, da der Ölpreis im Keller ist, gelingt es Unternehmen mehr denn je Aktien auszugeben. 2015 beträgt der Anteil bisher knapp 12%.

Von Zurückhaltung ist wirklich keine Spur. Investoren schmeißen Ölunternehmen das Eigenkapital nur so hinterher. In einem echten Stressszenario wäre das anders. In einem solchen Szenario würden Unternehmen dringend Kapital benötigen, es aber nicht erhalten. Nur wenige Investoren wären bereit Kapital bereitzustellen. Die Bedingungen (Verzinsung, Rendite) der Investments wären hervorragend. Das wäre ein klassisches Warren Buffett Investment. Man stelle sich vor, das Ölservice Unternehmen Schlumberger hätte gerade einen Verlust von 10 Mrd. geschrieben und bräuchte dringend Kapital, um nicht in die Insolvenz zu gehen. Schlumberger hat eine lange Historie, ist ein solides Unternehmen und hat ein gutes Management. Trotzdem wäre der Markt so ängstlich und verunsichert, dass keiner Geld geben würde. Buffett wäre zur Stelle und würde einen Check über 5 oder 8 Mrd. ausstellen. Das Kapital würde mit 10 bis 15% pro Jahr verzinst. Dazu kann es zu einem niedrigen Kurs in Aktien umgewandelt werden und ist mit den Assets des Unternehmens besichert. Das ist dann ein Deal, bei dem man fast nicht verlieren kann. Das ist profihaftes, antizyklisches Investment und nicht das, was derzeit geschieht.

Im Februar haben Ölunternehmen Milliarden an Eigenkapital eingesammelt – ohne größere Probleme. Dazu wurden noch neue Anleihen in Rekordhöhe begeben. Von Kapitalknappheit ist keine Spur. Antizyklische Investments leben allerdings von Kapitalknappheit.

Der Markt kann sich nicht bereinigen, solange Investoren ihr Geld in den Ölsektor stecken wie eh und je. Korrekterweise muss man sogar sagen, dass Investoren mehr Geld in den Sektor stecken als jemals zuvor. Das ist unsinnig. Die Investments mögen keinesfalls verloren gehen. Sie bringen aber keine besonders hohe Rendite. Southwestern Energy besorgte sich Anfang des Jahres 1,7 Mrd. frisches Kapital. Das hat die bestehenden Aktien um knapp 20% verwässert. Gleichzeitig wurde noch eine Milliarde Fremdkapital ausgegeben. Beide Maßnahmen zusammen reduzieren den Gewinn je Aktie um 25% bis 30%. Die Aktie von Southwestern steht 50% unter ihren Hochs. Es ist nun aber nicht gerade so, dass der Gewinn je Aktie im derzeitigen Umfeld konstant bleiben wird. Im Gegenteil. Man kann davon ausgehen, dass der niedrigere Ölpreis das Ergebnis je Aktie um 30 bis 40% senken wird. Dazu kommt noch die Verwässerung. Die Aktie hat insgesamt weniger nachgeben als die Effekte aus Ölpreis und Verwässerung den Gewinn schrumpfen lassen werden. Das ist kein Schnäppchen. Die Aktie wird heute quasi zu einem höheren Preis gehandelt als noch vor einem Jahr (unter der Annahme, dass der Ölpreis bei ca. 100 USD bleibt). Das ist ein Verhalten von Investoren, welches nichts mit antizyklischem Investieren zu tun hat. Um ein antizyklisches Schnäppchen machen zu können müsste Southwestern schon noch um 20% fallen.

Man kann auch zu den aktuellen Kursen in Ölaktien gehen. Langfristig macht man damit einen Gewinn, sofern das Unternehmen dann nicht doch noch in den Bankrott geht. Wer jetzt in Ölaktien geht macht vielleicht kein schlechtes Investment, aber auch kein Jahrhundertschnäppchen. Dafür stehen die Kurse noch zu hoch. Es kann gut sein, dass es gar nicht mehr zu der ersehnten Gelegenheit kommt. Auch diesbezüglich darf man sich nichts vormachen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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