Fundamentale Nachricht
12:47 Uhr, 22.10.2019

Sind japanische Banken eine Gefahr für das globale Finanzsystem?

Japanische Regionalbanken sind mit großen Problemen behaftet und müssen sich Jupiter-Fondsmanager Dan Carter zufolge verändern.

London (GodmodeTrader.de) - Als Manager für japanische Aktien sind uns Skepsis und sogar direkte Ablehnung in Bezug auf Japan nicht fremd. Die Grundhaltung ist oft pessimistisch. Im August erreichte dieser Pessimismus jedoch einen neuen Höhe- (oder Tiefpunkt), als wir gefragt wurden, ob der Sektor der Regionalbanken in Japan kurz davor steht, eine globale Finanzkrise auszulösen, wie Dan Carter, Fondsmanager des Jupiter Japan Select SICAV bei Jupiter Asset Management, in einem Marktkommentar schreibt.

Solche Befürchtungen seien sicherlich maßlos übertrieben, oder? Vielleicht. Aber zugegebenermaßen verlangten die genannten Probleme und die Schwere der Behauptung eine Antwort. Selbst wenn es sich beim Bankensektor nur um einen Teilbereich der Japan-Strategie von Jupiter (Stand August) handle, heißt es weiter.

„Die Kernargumentation kann in drei Teile aufgegliedert werden. Erstens haben Negativzinsen die Regionalbanken an den Rand der Unrentabilität getrieben. Zweitens haben die Regionalbanken als Reaktion darauf extrem risikoreiche Aktiva erworben. Der letzte und schwerwiegendste Aspekt ist, dass diese Aktiva sich bald als notleidende Aktiva erweisen werden, was eine Kettenreaktion im globalen Finanzsystem auslösen wird. Ein Albtraumszenario. Aber was davon hält einer kritischen Betrachtung stand? Gibt es Alternativszenarios, die wahrscheinlicher, aber nicht so schlagzeilenträchtig wie die oben beschriebene Horrorvorstellung sind?“, so Carter.

Die erste Behauptung zur Rentabilität sei nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Konditionenanpassung bei Darlehen von profitablen Niveaus auf immer tiefere Niveaus sei ein Phänomen, das es schon seit einem Jahrzehnt gebe, und die Negativzinsen sorgten dafür, dass sich das fortsetze. Der Durchschnittssatz beim Gesamtdarlehensbestand der japanischen Regionalbanken liege unter einem Prozent. Die Fixkosten japanischer Regionalbanken lägen bei ca. 0,7 Prozent der Aktiva, das Kern-Kreditgeschäft bei vielen dieser Banken sei somit kaum profitabel, heißt es weiter.

„Es ist jedoch zu beachten, dass die Fixkosten sinken und bei über siebzig aufgelisteten Regionalbanken (und vielen nicht aufgelisteten Banken) gibt es großes Potenzial für weitere Verbesserungen. Auch sollte man die von Banken beim Verkauf von Anlageprodukten und der Bereitstellung von Dienstleistungen berechneten Gebühren berücksichtigen, die dem Sektor ebenfalls einen größeren GuV-Puffer bereitstellen, als die oben dargestellte einfache Analyse vermuten lässt. Diese positiven Faktoren lindern das Problem der geringen Rentabilität jedoch nur teilweise, insbesondere da Kreditkosten seit Kurzem ansteigen“, so Carter.

Zur zweiten Behauptung bezüglich der Qualität der Aktiva: Ein Bloomberg-Artikel sei das jüngste Beispiel für das Medieninteresse, das dieses Thema hervorrufe. Zunächst sei anzumerken, dass, wenn die Regionalbanken versucht hätten, durch die Vergabe oder den Erwerb von risikoreichen Darlehen Gewinn zu generieren, sie dabei ziemlich erfolglos gewesen seien, wie die niedrigen Gewinne im Sektor bewiesen. Die Tatsache, dass das Bankensystem dabei gescheitert sei, Negativzinsen in eine verstärke Darlehensvergabe umzusetzen, sei für viele eine Enttäuschung gewesen. Die Tagesgeldeinlagen bei der Bank of Japan seien im Gleichschritt mit der Geldbasis gestiegen – anders ausgedrückt, fast das gesamte neu geschaffene Geld sei wieder als Einlage genutzt worden und die Bank of Japan schreibe dabei rote Zahlen, heißt es weiter.

„Allerdings ist die Liste der Regionalbanken so lang, dass es unmöglich ist, unkluge Investitionen vollständig auszuschließen. Selbst der Bankanalyst von Mizuho Securities – ein Experte für Regionalbanken – hat nur die Aktiva der fünf größten Regionalbanken analysiert, mit vorwiegend zufriedenstellendem Ergebnis. Wenn es böse Überraschungen in den Bilanzen gibt, dann bei den kleineren Regionalbanken“, so Carter.

Zur letzten Aussage, dass ein Problem bei den japanischen Regionalbanken den globalen Finanzsektor infizieren könnte: Das sei unmöglich zu widerlegen; durch die Verflechtung der Finanzsysteme sowie die Rolle, die Vertrauen und Risikopräferenz spielten, sei es durchaus plausibel, dass Probleme in irgendeinem Banksektor weiterreichende Folgen hätten. Aber sei das die wahrscheinlichste Schlussfolgerung? Hier möchte Carter auf seine jüngsten Erfahrungen mit der Fukuoka Financial Group und ihre Übernahme der Eighteenth Bank als alternatives und wahrscheinlicheres Szenario verweisen.

„Eine grobe Zusammenfassung dieses Falles: FFG übernahm die kleinere Eighteenth Bank, die sich in Schwierigkeiten befand, und bildete dann aufgrund der ‚Vereinheitlichung der Standards für Rückstellungen für Kreditverluste‘ fast unverzüglich eine große Rückstellung. Anders ausgedrückt, die erworbenen Aktiva waren heikel und erforderten eine Abschreibung. Für die Anleger von FFG war das frustrierend, aber wohl nicht allzu überraschend, da die Eighteenth Bank ja zu einem Schnäppchenpreis erworben wurde, was zu einem negativen Geschäfts- und Firmenwert für den Käufer führte“, so Carter.

Der Nettoeffekt sei gewesen, dass die wahren Opfer der schlechten Qualität der Aktiva die Aktionäre der Zielbank gewesen seien – und das sei auch richtig so. Darin liege womöglich die Lösung der Probleme der Regionalbanken. Konsolidierung zu einem offensichtlichen Spottpreis, ausgeglichen durch Rückstellungen oder Abschreibungen, heißt es weiter.

„Keine der obigen Ausführungen sollte als eine Empfehlung für japanische Regionalbanken ausgelegt werden. Die Nullgewichtung der Fonds bei Regionalbanken bedeutet eher genau das Gegenteil. Der Teilsektor ist mit großen Problemen behaftet und muss sich verändern. Wir wollen auch nicht das Risiko, dass sich diese Probleme verstärken und ausbreiten, herunterspielen. Das Szenario ist durchaus plausibel und wir werden es ganz genau im Auge behalten. Wir möchten vielmehr vor der pessimistischsten Auslegung der aktuellen Ereignisse – insbesondere der von Leerverkäufern – als wahrscheinlichstes Szenario warnen. Eine nuancierte Betrachtung ist 2019 nicht mehr angesagt, sowohl im öffentlichen Diskurs als auch auf den Märkten. Die Realität ist jedoch selten schwarz-weiß, weshalb wir weiter versuchen werden, alle Seiten einer Geschichte zu betrachten, einschließlich dieser“, so Carter.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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