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12:00 Uhr, 10.08.2011

Schuldenkrise: Keynesianische Formel funktioniert nicht mehr

Unterföhring bei München (BoerseGo.de) - John Greenwood, Chefsvolkswirt von Invesco, fasst in seinem aktuellen Kommentar die Gründe zusammen, die nach Meinung von Standard & Poor’s zu der Herabstufung geführt haben. „Am vergangenen Freitag senkte Standard & Poor’s die langfristige Kreditwürdigkeit der US-Staatsanleihen von AAA auf AA+. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Erstens konnte die US-Regierung nicht überzeugend darlegen, wie sie die Schuldenquote im Verhältnis zum Nationaleinkommen langfristig stabilisieren will. Zweitens signalisiert der über Wochen beklagenswert dysfunktionale politische Prozess bis zur Anhebung der Schuldenobergrenze eine Unfähigkeit, diese Probleme künftig in den Griff zu bekommen“.

Weiter führt Greenwood aus: „Immer wieder haben Politiker und Notenbankvertreter zunächst versucht, die Rezession mit massiven Fiskalimpulsen zu bewältigen oder die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft und damit das Wachstum durch Währungsabwertungen zu stärken. In vielen Fällen wurden die Probleme des privaten Sektors – der überschuldeten und allzu ausgabefreudigen Banken, Unternehmen oder Privathaushalte – so über einen Rettungsmechanismus auf den Staat umgewälzt. In einem Land nach dem anderen ist die öffentliche und private Verschuldung im Verhältnis zum BIP so beständig gestiegen.

Während der private Sektor in den USA seit der Kreditkrise von 2008/2009 mit dem Schuldenabbau beschäftigt ist, haben die Konjunkturprogramme die Staatsverschuldung in die Höhe schießen lassen. Im Ringen um eine Lösung für die Krise von 2008/2009 greifen Politiker in den USA und Europa wieder einmal auf die gleichen alten Lösungen zurück: Geld leihen und ausgeben – in der Hoffnung, dass sich dadurch Privatwirtschaft und BIP erholen und die staatlichen Steuereinnahmen wieder sprudeln. Wenn sie gebraucht wurden, waren die Notenbanken in der Vergangenheit stets zur Stelle, um das nötige Geld zur Finanzierung der staatlichen Ausgaben zu drucken. Diese keynesianische Lösung hat noch immer gewirkt, sagte man sich – warum also nicht auch diesmal?

Das Problem besteht darin, dass die keynesianische Lösung einen Schönheitsfehler hat. Sie berücksichtigt nicht die zugrunde liegende Verschlechterung der privaten und öffentlichen Bilanzen. Die Erholungsformel funktionierte nur so lange, wie der Schuldenstand des privaten und öffentlichen Sektors in Relation zu den jährlichen Einnahmen relativ niedrig war oder die Schulden abgewertet oder erlassen werden konnten. Jetzt, da sowohl der private Sektor als auch die Regierungen überschuldet sind und weder die USA noch die Eurozone ihre Währungen öffentlich abwerten können, funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr.

Bis sie ihre Bilanzen repariert haben, halten sich Haushalte und Unternehmen mit ihren Investitionen und die Banken mit der Kreditvergabe zurück. Auf der anderen Seite verlieren undisziplinierte Regierungen ihre Kreditwürdigkeit – selbst in den Augen jener, die noch Kredite zu vergeben oder Anlagegelder zu investieren haben. Dadurch stockt die konjunkturelle Erholung, und Investoren verlangen höhere Risikoaufschläge (höhere Renditen) für die Bereitstellung von Fremdkapital an finanzschwache Staaten. De facto haben die US-Regierung und die Regierungen einiger europäischer Staaten ihr Kreditkartenlimit erreicht. Es wird Zeit, zu einer anderen, nachhaltigeren Lösung zu greifen.

Standard & Poor’s Forderung an die US-Regierung lautet: Bekommt eure langfristige Ausgabenplanung endlich in den Griff und saniert den Staatshaushalt. Dann werden wir auch erwägen, ob wir Investoren wieder empfehlen können, euch zu günstigeren Konditionen Geld zu leihen. Bis dahin kann es sein, dass die US-Regierung langfristige Kredite von in- und ausländischen Investoren teurer bezahlen muss“.

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Über den Experten

Bernd Lammert
Bernd Lammert
Finanzredakteur

Bernd Lammert arbeitet als Redakteur seit 2010 bei der BörseGo AG. Er ist studierter Wirtschafts- und Medienjurist sowie ausgebildeter Journalist. Das Volontariat absolvierte er noch beim Radio, beruflich fand er dann aber schnell den Weg in andere Medien und arbeitete u. a. beim Börsen-TV in Kulmbach und Frankfurt sowie als Printredakteur bei der Financial Times Deutschland in Berlin. In seinen täglichen Online-Berichten bietet er Nachrichten und Informationen rund um die Finanzmärkte. Darüber hinaus analysiert er wirtschaftsrelevante Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte für eine Finanzagentur. Grundsätzlich ist Bernd Lammert der Ansicht, dass aktuelle Kenntnisse über die Märkte sowie deren immanente Risiken einem keine Erfolge schlechthin garantieren, aber die Erfolgschancen deutlich erhöhen können.

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